Eine indische Verlobungsfeier (1)

Indische Hochzeiten erstrecken sich in ihrer Fülle über mehrere bedeutungsvolle, separate Feste, einschließlich der Ring-Zeremonie, die vom Brautvater gehalten wird und während der das Paar seinen ersten öffentlichen Auftritt hat. Es werden Ringe ausgetauscht. :yes: Der Ring für die Frau wurde von der Familie des Mannes gekauft und umgedreht, so dass man den jeweiligen Ring vorher nicht nur nicht gesehen hat, sondern die beiden Exemplare auch nicht unbedingt zusammenpassen müssen.

Später findet die Verlobungsfeier statt. Diese wird von der Familie des Bräutigams abgehalten und findet in Abwesenheit der Braut statt. Wir düsten also alle von Delhi nach Faridabad, woher mein nagelneuer Schwager stammt. 16Uhr sollte es losgehen. Pünktlich 18 Uhr fuhren wir ab und kamen dennoch eine Stunde zu zeitig an. Die Festhalle war noch nicht einmal fertig dekoriert. Von der Familie des Bräutigams fehlte jede Spur. ;D

engagement party

Im Laufe des rasant verpuffenden Abends trudelte die Familie des Bräutigams langsam ein. Gegen 21Uhr ließ sich dann auch der Bräutigam blicken. Von da an war Weihnachten. Über Mitgift habe ich kürzlich erst geschrieben, und heute erzähle ich, wie das dann aussieht: die Brautfamilie war mit Wagenladungen von Geschenken angerückt für jeden aus der Familie des Bräutigams. Die Eltern erhielten Haushaltselektronik wie Mikrowelle &Co. Der Bräutigam erhielt Goldschmuck. Weiterhin gab es ein Teeservice aus Silber (wunderschön!) und anderen Klimbim in dieser Richtung. Ein Korb voll Früchte. Teller voller Trockenfrüchte, die ich zuvor zusammen mit Priya (der Braut) zu Hause mit Hilfe von bunter Folie und buntem Glitzerklebeband verpackt habe. ;D Saris für alle Frauen der Familie. Stoff für Hosen und Oberhemden (für den Maßschneider) für alle Männer der Familie.
Die Männer saßen auf weiß abgedeckten Matratzen auf dem Boden im Schneidersitz. Der Bräutigam saß auf einem kleinen Holzhocker, unter dem zuvor mit weißer Kreide ein Rangoli gemalt worden war. Glücksverheißend und Pech abweisend. Die meisten Geschenke wurden von Rahul übergeben, da er der Bruder der Braut war. Aber auch die Onkels und anderen männlichen Vertreter der Familie teilten Geschenke aus. Die Saris wurden von den Frauen ausgeteilt, und als Schwägerin der Braut teilte ich die Saris an die Schwestern des Bräutigams aus. :wave:

Die Geschenke wurden jeweils zusammen mit Geldscheinen vergeben. Ihr könnt bei der enormen Größe einer indischen Familie ja raten, wie viele Stapel druckfeuchter Geldscheine in unterschiedlicher Denomination an diesem Abend ausgeteilt wurden.

Das ganze Ritual dauerte mehrere Stunden. Bei jeder Geschenkübergabe musste natürlich ein gestelltes Foto geschossen werden. Die Kameracrew blendete uns ständig mit den heißen, grellen Strahlern, während wir mit ausgestreckten Armen und breiten Grinsen Geschenke verteilten. Es war wie ein nimmer enden wollendes Weihnachten. Ich beobachtete den Berg der Geschenke, der einfach nicht kleiner werden wollte, während die gesamte Brautseite der Gäste (mit Ausnahme der aktiv in den Übergabeprozess involvierten Wichtel) gelangweilt auf ihren Stühlen herumsaßen und grüne Limo tranken. Das ist übrigens derzeit voll hipp: auf allen Parties und Feiern, die ich in letzter Zeit mit meiner unabdinglichen Präsenz geehrt habe, wurde Limo in allen Regenbogenfarben ausgeteilt: grün. Gelb. Blau. Lila. 88|

Hin und wieder drehte der DJ die Musik laut auf. Ich schätze, das ist ein ganz gewieftes Manöver, um peinliche Schweigen zu verhindern. 😉 Da man sein eigenes Wort kaum versteht, brüllt man lediglich Namaste in die vibrierende Ohrmuschel seines Gegenübers und nickt dann höflich lächelnd, ohne sich weitere Themen aus den Fingern saugen zu müssen. Belustigt war ich allerdings über die Liederwahl. So blökte plötzlich Beedi Jailaiye (aus Omkara) aus den Lautsprechern – ein Lied, das so gar nicht zu einer sonoren Veranstaltung wie dieser passt. Ich wippte mit dem Fuß, sang in Gedanken mit und überlegte, ob jetzt wer auf die Tanzfläche hüpfen und Bipashas Hüftschwünge aus dem Original nachzaubern würde… B)

Irgendwann war auch das Schenken endlich, endlich vorbei. Der letzte Präsentebeutel wurde ausgetauscht. Das letzte Hand-Schüttel-Wir-sind-jetzt-eine-Familie-Foto war im Kasten. Hauptaugenmerk der Veranstaltung ist halt der Geschenkeberg. Man isst zwar (es gab ganz hervorragende Puddingcreme mit zerbröselter Schwarzwälder Kirschtorte) und schwatzt sich den Mund fusselig mit Bekannten und Verwandten, macht höfliche Konversation mit der anderen Familie, aber das war auch schon alles, das ich beobachten konnte. Wir fuhren spät nach Mitternach nach Hause.

Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

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Leider kann ich keine aussagekräftigen Fotos einstellen, denn dazu müsste ich erst die Erlaubnis der abgelichteten Personen einholen, was mir alles zu kompliziert ist. Stellt euch einfach eine Meute aufgebretzelter Herren und Damen in einem bunt dekorierten Raum mit schallender Diskomusik vor.

7 Kommentare zu „Eine indische Verlobungsfeier (1)

    1. …wobei der Kommentar von Jaya natürlich unsinnig ist. habe schließlich erst kürzlich über die Mitgift in Kerala geschrieben, wo die Goldmünzen knapp werden. Die großen Geschenke werden auch hinter der Bühne übergeben. Wer schleppt schon die Klimaanlage in die Festhalle? Die kann man bequem von einem Kofferraum in den anderen transferieren 😉

      LG
      Daniela

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  1. Ich kenne das auch mit der Uhrzeit. Ich war in Deutschland auf eine indische Hochzeit eingeladen. Man sagte mir es geht 16 Uhr los, aber ich bräuchte vor 19 Uhr garnicht zu kommen. Die deutsche Höflichkeit die in mir steckt sagte zu mir, „Du kannst doch nicht 3 Stunden später erscheinen!“ Also war ich schon 17 Uhr da. Gähnende Leere. Für die nächste Hochzeit weiß ich nun bescheid.

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  2. Hehehehe! Nur gut, dass man überhaupt noch am Tag damit begonnen hat. Wenn ich dann dazu komme, die beiden von uns besuchten Hochzeiten zu beschreiben, die 23Uhr losgingen… Oi!

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  3. ganz so hat sie natuerlich nicht formuliert!
    meine fantasie hat sich dann nur dazu mitreissen lassen, sich das ganze so vorzustellen…
    und deinen beschreibungen zufolge übersteigt die art der geschenke doch schon deutlich die der auf der pune hochzeit, oder?
    anja

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    1. Die Geschenke werden nicht während der Hochzeit vergeben sondern vorher schon. Das heißt, du hast gar nicht wirklich gesehen, was alles die Hände gewechselt hat. Das macht man natürlich nicht publik. Und ein paar Bündel Geld und Gold sind klein.

      LG
      Daniela

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  4. Da bin ich aber richtig froh, dass ich zu unserer Hochzeit dafür sorgen konnte, dass mein Vater damals nur die Feier für die Familie und Freunde(und nicht mehr) ausrichtete (er wollte es so-ganz im Sinne meine verstorbenen Mutter) und nicht auch noch solch einen Rattenschwanz an Geschenken usw. erwartete. Wir leben zum Glück in einer aufgeschlossenen Zeit, in der eine Hochzeit nicht unbedingt zu einem wirtschaftlichen Ruin führen muss.
    Natürlich respektiere ich andere Sitten und Gebräuche.Mir war jedoch wohler so.

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