Gestern Abend war es so weit: der erste abendliche Stromausfall, den wir in Mumbai erlebt haben, und er dauerte satte 20 Minuten. Da es der erste ist, geriet ich erst mal arg in Bedrängnis, denn ich wusste vor Schreck nicht, wo die Kerzen waren.
Nach zehn Minuten rumwühlen in der Küche fand ich sie und beschloss, dass sich so ein Stromausfall prima eignet, um endlich den bösen, bösen Rotiteig zu kneten – den Teig für indische Fladenbrote, welche Aufgabe nicht in die Sparte meiner Hobbies fällt. (Aside: Anja, wo bist du?)
Doch die Ruhe von Stromausfällen war nicht immer so. Die ersten beiden Jahre in Bangalore, wo Stromausfälle eine tägliche Begebenheit sind, verbrachten wir in einer Wohnung, die weder UPS noch einen Dieselgenerator bot. Dafür verfügten wir über jede Menge Kerzen. Und nach kurzer Übungsphase fanden wir bald die strategischen Punkte, von denen aus man eine Wohnung mit möglichst wenig Kerzen möglichst hell ausleuchten kann. Die Optimale Kerzenstrategie wart geboren.
Unsere Wohnung hatte eine Art Ablage, also ein eingemauertes „Regal“ ca. einen Meter unter der Zimmerdecke, das sich von einer Wand zur anderen erstreckte und ca. einen Meter tief war. Dort oben lungerten Kisten, Verpackungen, etc. Und dort oben standen auch die Kerzen.
Bei den häufigen Stromausfällen wundert es auch keinen, dass in Indien mit Gas gekocht wird, und da die Stromausfälle häufig abends zwischen 18 und 21Uhr stattfanden, wenn im indischen Stromnetz „Stoßzeit“ herrscht und es bereits dunkel ist, verbrachten wir die meisten Abende erst bei Kerzenlicht kochend in der Küche und später mit Candle Light Dinnern. Nicht romantisch, denn meine Schwägerin lebte lange Zeit bei uns.
Während der Stromausfälle, wenn die gnädigen Deckenventilatoren aufhören, die Luft gleichmäßig durchzuquirlen, blieb uns während der Sommermonatte März bis April gar nichts weiter übrig, als die Dunkelheit auf der Dachterrasse auszusitzen. Auch auf den Nachbardächern wanderten dunkle Gestalten hin und her. Telefonierten. Oder gingen „spazieren“.
Die Rückkehr des ehrwürdigen Stromes wurde meist begleitet von schrillen, spitzen Schreien der Kinder und einem plötzlichen Röhren und Blöken vieler Fernseher und Radios auf einmal.
Gestern erschien mir das alles sehr nostalgisch. Besonders die Erinnerung an den Kiranawallah um die Ecke, dessen kleiner, verwinkelter Laden von einer einzigen Kerze ausgeleuchtet werden würde, während wir ein neues Bündel Kerzen besorgten. Alles in Dunkelheit.
Gestern kehrte der Strom zurück, bevor ich mit Rotiteigkneten fertig war. Doch in Zukunft liegen die Kerzen griffbereit. :yes: