Ich bin kein Freund von Friseuren. Oder anders herum: Friseure sind nicht meine Freunde. Sie tun immer Dinge mit meinen Haaren, die eine halbe Stunde lang toll aussehen, weswegen ich sie lobe, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig sind; doch sobald mein Haupthaar Kontakt mit dem Duschkopf hatte und ich den Spittelmist selbst zurecht fönen soll, sehe ich wieder, dass nichts hält, nichts passt, alles irgendwie total daneben ist.
In diesem Beitrag jedoch soll es nicht um mein Haar gehen, sondern um den Beruf des Friseurs in Indien. Meine persönliche Auseinandersetzung mit diesem Berufsfeld macht sich als Einleitung allerdings chic. Eben drum.
Zur Sache, Schätzchen: In den Städten Indiens – und vermutlich auch auf dem Land, wozu mir allerdings die persönliche Erfahrung fehlt – findet man häufig diese Sorte von Friseur:
Das sind die Straßenbarbiere Indiens. Hier: Delhi.
Ihr Geschäft haben sie am Straßenrand aufgebaut. Ziegelsteine dienen ihnen als Regal. An der Wand baumeln Plastikspiegel. Etwas glitschiges in der Bauchhöhle des Westeuropäers beginnt sich zu winden: Haare schneiden an der Straße?
Man verbindet den Friseur ja gern mit dem Geruch allerlei Kosmetika, die einem ins Haar geknetet werden. Hier jedoch geht es ums knackig-nackige Haareschneiden. Diese Friseure sind – genau wie ihre Kundschaft – ausschließlich männlich. Hier wird nichts gefärbt, mit Kuren und Masken behandelt oder anderweitig herumgealbert, sondern hier werden Haare geschnitten. Ganz altmodisch.
Allerdings gibt es auf Wunsch Champi – eine Kopfmassage. Die kann je nach Anbieter in einen brachialen Versuch ausarten, sämtliche Nackenwirbel des Klienten zu brechen und ihm die Schädeldecke mit Haarrissen zu versehen, oder aber sie ist eine wunderbare, traditionelle Methode, alle Verspannungen zu lösen. Bentley hatte schon beide Varianten.
Dass sich diese Friseure reger Kundschaft erfreuen, kann ich ebenfalls bildlich beweisen:
Oftmals treten diese Straßenbarbiere in kleinen Grüppchen auf und man würde sich wundern, wie ratz-fatz es dort abläuft. Nicht ohne Grund tragen Inder meines Erachtens sehr häufig penible Haarschnitte: es ist nicht nur günstig, sich auf Schritt und Tritt den Händen eines erfahrenen Friseurs anzuvertrauen, sondern da ist auch nicht viel mit Terminbüchern und ähnlich stagnierendem Unsinn, der ein gewisses Maß an Planung voraussetzt.
Natürlich gibt es auch Friseursalons. Genau wie in Europa. Je nach Location, Ausstattung und Angebot können die Preise für einen Salon die Preise in Europa gar übertreffen. Nach oben sind schließlich selten Grenzen gesetzt.
Ein einfacher, guter Salon verlangt in Mumbai ca. 80 Rupien für einen ganz simplen Haarschnitt. Wer muss, kann dasselbe aber auch für 500 Rupien und mehr haben, nur damit er vorher 10 min ein glitzerndes Magazin durchblättern darf. Die simplen Barbiershops sind kaum mehr als ein einfacher Raum mit einer Glasfront. Die Geräusche der Straße übertönen das Schnippeln der Scheren. Mitunter steht ein kleiner Fernseher oder mindestens ein lautes Radio in einer Ecke. Die Stühle sind eine sonderbare Kreuzung aus Zahnarztstühlen und einem Thron aus beigem Leder.
Die meisten Barbiere rasieren auch – und sie benutzen natürlich für jeden Kunden eine neue Klinge. Auf dem Bild wird gerade im Akkord rasiert – wo viele Menschen sind, ist halt immer etwas los.
Dass der Beruf des Friseurs traditionell in die Hände der Männer gehörte, liegt vor allen Dingen daran, dass die Kundschaft ebenfalls ausschließlich männlich war. Frauen ließen sich das Haar lang wachsen und massierten es selbst mit Kokos-, Amla- oder Mandelöl. Einen Salon benötigten sie höchstens zum Zupfen diverser Gesichtshaare und um die Haut zu bleichen, und auch das konnten sie mit traditionellen Mitteln selbst tun. Heute jedoch tragen auch Frauen kurze, sportliche Haarschnitte und somit vermehren sich auch weibliche Friseurinnen in den Salons der Städte.
Das Wort „Barber“ oder „Barbier“ gilt in Indien heute übrigens als geringschätzig. Man bezeichnet sich lieber als Haarstylist. Auch Barbiershops gibts offiziell überhaupt nicht mehr – das sind heute Salons.