"Der Arbeiter will keinen Komfort"

Das ist nicht Marx auf Opium. Das ist Sanjai Jalla auf Hookah. Sanjai Jalla, Managing Director, Eureka Forbes Clean Train Station Division, ist ein Mann, der dringend jemanden benötigt, um seine Reden für ihn zu schreiben. Bzw. einen Knopf im Ohr, durch den ein Mensch mit Ahnung im Bereich Public Relations schlaue Antworten flüstert, die Herr Sanjai Jalla dann nachplappern kann. Beides hat Herr Jalla nicht. Und darum hat Eureka Forbes mit einem Interview in der vorletzten Tehelka-Ausgabe auch mindestens einen Konsumenten verloren. Mich.

Eureka Forbes stellt beispielsweise Wasserfilter, Staubsauger und andere Haushaltsprodukte her.
Eureka Forbes hat außerdem einen Vertrag mit Indian Railways über 35crore Rupien (35.00.00.000Rupien = 6,25 Mio Euro), um acht Bahnhöfe in Nordindien sauber zu halten, was so viel heißt als: die Gleisen von Müll zu befreien – einschließlich der Verdauungsendprodukte der Passagiere. Denn obwohl Schilder in den Zügen die Passagiere dazu anhalten, die Toiletten (Plumpsklos) nicht zu nutzen, wenn der Zug in einen Bahnhof einfährt, wird genau das getan. Immerhin wackelt so ein indischer Zug auf seinen antiken Gleisen ganz gewaltig, und ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass man sich theoretisch an diversen Halterungen festhalten muss, dies aus Hygienegründen praktisch aber lieber eher nicht tun würde. Was liegt also näher, als die Ruhephasen der Reise zu nutzen?

New Delhi Railway Station (NDRS) ist der beschäftigste von 6.856 Bahnhöfen in Indien. Täglich passieren ihn 350.000 Fahrgäste bzw. 250 Züge. Das heißt, eine große Portion der geschätzten 274.000 Liter menschlicher Abfallprodukte landen genau auf diesen Schienen. (Die Schätzung entstammt G. Raghuram, Professor am Indian Institute of Management, Ahmedabad).

local safai

Eureka Forbes beschäftigt 200 safai karamcharis (ein offizieller Euphemismus für Schei*e-Wegräumer) am NDRS. Sie verdienen 100 Rupien pro Tag. Ihre Mittagspause erstreckt sich über stolze 15 Minuten, die für mich und dich gerade lang genug wären, um uns von oben bis unten mit Sagrotantüchern abzurubbeln, denn immerhin wird ohne Schutzanzug, ohne Maske und ohne Handschuhe gearbeitet. Kommt uns bekannt vor.

Eureka Forbes wurde kürzlich von Hewitt Associates auf den 4. Platz der „Best Indian Employers 2007“-Liste gesetzt. Die Liste umfasst 230 Firmen. Eine durchaus imposante Leistung also.

Wie hat Eureka Forbes das geschafft? :??: Das wissen nur Hewitt Associates.

Zurück zu Herrn Sanjai Jalla und seinem Interview mit den Spaßverderbern von Tehelka.

Nachdem Herr Jalla damit fertig ist, uns zu informieren, dass Eureka Forbes sich gerade für die Occupational Health and Safety Standards certification OHSAS 18000 bewirbt (was so einiges über den Wert dieser Zertifizierung aussagt), erklärt er Tehelka, warum die Arbeiter an der NDRS keine Schutzanzüge tragen:

„Ich sage Ihnen, was das ist. Obwohl wir ihnen [den Arbeitern] die besten Gehälter zahlen*, kommen diese Leute, nehmen unsere Schutzmaterialien, und am dritten Tag sind sie verschwunden.“

Tehelka: Diesen Männern wurden weder Handschuhe noch Masken gegeben.

„Wir haben beschlossen, sie für fünf Tage ohne Materialien auf Probe einzustellen, so dass die Firma nicht finanziell geschädigt wird, wenn sie [die Arbeiter] nicht wiederkommen.“

Tehelka: Diese Männer waren alle in der Probezeit?

„Es liegt in der Mentalität der Arbeiter, dass sie sich ohne Sicherheitsausrüstung wohler fühlen. Sie sind nicht an solchen Komfort gewöhnt. Ich hoffe, Sie verstehen, was wir damit sagen wollen. Bald werden wir die OHSAS 18000 Zertifizierung haben, und dann werden wir solche Probleme nicht mehr haben.“

In Interviews mit den Arbeitern hatte Tehelka erfahren, dass ihnen im Krankheitsfall der Lohn für den verlorenen Tag (also 100 Rupien) gekürzt wird. Zusätzlich wird ein Busgeld von 100Rupien (also noch ein Tageslohn) verlangt.

Tehelka: Wenn die Arbeiter krank sind, streichen Sie ihnen den Tageslohn und einen weiteren Lohn.

„Sie werden für Arbeitstage bezahlt! Bußgelder gibt es als disziplinarische Regel. Wenn jeder einen Tag frei nimmt, wer räumt dann auf?“

Das komplette Interview (in Englisch) gibt es hier.

Nach Weihnachten erzähle ich euch dann, inwieweit Eureka Forbes keinen Deut besser ist als der Volksheld Mahatma Gandhi. Und vice versa.

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*Das stimmt nicht. Indian Railways stellt auch Reinigungskräfte für dieselbe Arbeit ein und zahlt ihnen über 6.000 Rupien monatlich.

Wir brauchen einen Staubsauger. Das beste Preis-Leistungsverhältnis hat ein Artikel von Eureka Forbes. Allerdings kann ich den nicht kaufen. Ein bisschen soziale Verantwortung hat man ja doch irgendwo. Sicherlich konsumiere ich jede Menge Produkte, die unter unmenschlichen Zuständen oder von Firmen hergestellt worden sind, die solcherlei Zustände fortführen. Sicherlich habe ich davon keinen Schimmer. Aber da mir die Handlungsweise von Eureka Forbes bzw. die nette Einstellung der Herren und Damen nun bekannt ist, darf ich schon handeln.

Das nützt alles nichts

Kinder in CP
Kinder auf dem Connaught Place

Straßenszene in R.K.Puram
Straßenszene in R.K.Puram

Da muß man durch. Und es gibt kein Patentrezept.

Mit armen Menschen ist das in Indien so eine Sache: wegsehen hilft nicht. Wohin man auch schaut – da sitzt garantiert auch schon ein weggeworfener Mensch.

Die notwendigen Phrasen zum Selbstschutz wie „Geben hilft auch nicht“ sind bereits nach kurzer Zeit immer praktisch abrufbereit, wenn mal wieder eine in Fetzen gekleidete Frau die Hand ausstreckt. Oder ein Mann mit Fleischwunde am Oberschenkel durch den Verkehr schlendert.

Letzten Dienstag dann diese kleinen Fratzen auf Connaught Place (s.o.), die in den Mülltonnen nach Lumpen und anderen nützlichen Artikeln ramschten. Im Schutze der Säulen vor den Geschäften klickte ich ein Foto. Die zwei Jungen lachten, fanden ihre Situation offensichtlich einfacher zu schultern als manch einer den Anblick.

Kurz zuvor saß ein Poliokrüppel auf der Straße. Er rührte sich nicht. Seine Haut schwarz mit offenen Wunden. Vermutlich Lepra. Eine weiße Frau in Begleitung eines Inders hielt an, beide kramten in ihren Geldbörsen, reichten einen Schein hinunter, gingen weiter.

An den Kreuzungen läuft jetzt neben dem altbekannten Muster „Mutter(selbstnochKind)mitKind-Duo“ eine neue Masche: Kleine Mädchen und Jungen verkaufen Zeitungen. Oder Rosen. Oder oder oder. Doch die Grenzen zwischen Betteln und Handeln sind so arg verwischt, daß man für das gekaufte Gut keinen Preis sondern Bakschisch bezahlt. Sie drücken ihre verrotzten Nasen gegen die Scheibe, während sie mit ihren Rosen wedeln. Oder rufen unablässig „Ma, Ma, Ma“ mit Zeitung in der Hand. Die destillierte Form emotionaler Erpressung. Und diese Kids sind Profis. Während der Grünphase feigsen sie auf dem Mittelstreifen. In einem Augenblick springt die Ampel auf Rot und das Gesicht auf „Bitte, Bitte, hilf mir“. Man kann den ganzen Vorgang beobachten – es wirkt doch immer wieder. Unweigerlich kriechen in Gedanken die guten Taten anderer durch die eigenen, ich-bezogenen Gehirnwindungen.

In Chandni Chowk bettelt mich ein kleiner Dreckfink um meine Pepsi an. Na ja, wer sonst schon alles hat… Auf CP versteckt ein kleines Mädchen ihren Milchshake von McDonald’s unter ihrem Lumpenschal, um eine reiche weiße Frau aus dem Schlaraffenland anzubetteln. Nachdem sie abkassiert hat, zutscht sie unbekümmert weiter am Getränk. Es ist ganz einfach, diese Kinder zu verurteilen.

Manchmal zweifelt man an sich selbst. Daß ich keinerlei mitleidvolle Gefühlsregung beim Anblick der zwei Kleiderdiebe auf CP feststellen konnte, versetzte mich kurz in Panik. Aber nur kurz. Ich war in Gedanken beim Schlußverkauf, der dieser Tage überall stattfindet. Gleichzeitig könnte ich sofort auf die Barrikaden gehen, wenn ich wieder einen winselnden, haarlosen Hund sehe, der von schmutzigen, höhnisch lachenden und gleichsam armen Menschen mit Stöcken geschlagen wird. Vielleicht sollte man dankbar sein, daß es einem arme Menschen immer wieder erstaunlich einfach machen, sie zu verachten. – – – Hmmmmm, hab ich das jetzt gesagt? 8|

UPDATE:

In den letzten beiden Tagen hat die indische Regierung in allen großen Tageszeitungen riesige Anzeigen gegen das Geben von Almosen geschaltet. Die lesen sich dann so:

Please don’t give alms.
Begging is a social crime. …

Just because you give alms:
* You encourage use of innocent children for begging.
* Beggar population is cuasing a menace at traffic signals.
* Increase in crimes on street.
* Hindrance to traffic.
* Increase in number of road accidents.

Hmmmm. Jetzt bin ich mit meinem Nichtgeben also ein guter Bürger? Vor meinem Spiegelbild Rechenschaft für mein Nichthandeln abzulegen wird von Tag zu Tag einfacher.

Heute las ich dann, daß Indien bis 2040 Armut beseitigt haben will. Also nur noch 33 Jahre Schuldgefühle und Gewissensbisse. Ein Silberstreifen am Horizont.

Kastensystem: Sorry, besetzt! (Teil 1) UPATE Juli2008

Richtig ist, dass es in Indien eine ausgeklügelte Form der sozialer Schichtung gibt.
Richtig ist, dass sich das hier Kastensystem nennt.
Richtig ist, dass man sich hier (Deutsch) und hier (Englisch, tiefgreifender) über dieses System informieren kann.
Richig ist, dass die sog. unteren Kasten und kastenlosen Menschen in Indien nach wie vor benachteiligt sind.
Richtig ist, dass Dr. Ambedkar das ändern wollte und darum in die Verfassung schrieb, dass es Reservierungen für Angehörige der benachteiligten Kasten geben sollte.
Richtig ist, dass diese Reservierungen heute rund 22% betragen.

Das heißt, wer einer der ST/SC oder OBC (Other Backward Castes) angehört (beides Gruppierunge, die von den Reservationen begünstigt werden und die am unteren Ende der Hierarchie zu finden sind) kann mit Hilfe von Reservierungen einen Studienplatz oder einen Job bekommen.
An staatlichen Schulen/Unis und auf öffentlichen Ämtern ist dann ein Teil der Plätze für diese Leute reserviert. Wer sich bewirbt, braucht z.B. im CAT (Common Admission Test) für die IIMs (Indian Institute of Management = international renomierte Eliteinstitutionen für BWL et al) keine 90%, sondern weniger, und bekommt trotzdem einen Studienplatz. Das heißt, er konkurriert nicht mit der allgemeinen Masse für einen Studienplatz, sondern nur mit Vertretern seiner eigenen Gruppe, also SC/ST oder OBC.
Das gleiche System wird in allen anderen Einrichtungen befolgt, in denen es Reservierungen gibt.
(Es gibt neben Kastenreservierungen auch solche für Frauen, für Behinderte und für eine Reihe anderer Gruppierungen einschließlich Vertreter unterer „Kasten“ unter Muslimen und Christen.)

Jetzt hatte Arjun Singh die Idee, den Prozentsatz um 27% auf 49% zu erhöhen (der Höchstsatz laut Verfassung liegt bei 50%). Das heißt, dass 49% der Plätze in staatlichen Einrichtungen für die Angehörigen der SC/ST und OBC reserviert sind.

Wie hört sich das für euch an? Findet ihr es gut, dass man die unteren Kasten unterstützen will, indem man ihnen einen Platz in Schulen, an Unis und im Beamtensessel garantiert?

Wie man in den Medien sehen kann, gibt es eine Menge Leute, die das gar nicht gut finden. In der Regel folgen solchen politischen Äußerungen landesweite Proteste. Diese Proteste richten sich vor allem gegen Reservierungen an den sog. Premier Institutes in Indien, den Aushängeschildern höherer Bildung auf internationalem Niveau (z.B. IIMs und IITs).

Der Gedanke hinter diesen Reservierungen ist folgender: Die benachteiligten Kasten sind meist ärmer, weswegen sie sich keine so gute Bildung leisten können, weswegen sie nicht so „schlau“ sind, und weswegen sie auch bei geringerer akademischer Leistungen eine Chance bekommen sollten. Ein Vertreter der unteren Kasten ist nach dieser Logik sein Leben lang in minderwertige Schulen gegangen (was häufig, aber nicht immer, stimmt), und kann darum nicht mit Indern konkurrieren, die eine bessere Ausbildung genossen haben. Müssten die Vertreter der unteren Kasten also denselben Numerus Clausus erreichen wie die Vertreter der sog. „General Category“, dann würden sie dies vermutlich nie schaffen. Deshalb ist der NC für diese Leute abgeschwächt, damit sie eine Chance haben.

Natürlich hat jeder in Indien zu diesem Thema eine Meinung, wie man hier und hier nachlesen kann.

Für mich am interessantesten ist das konfuse Argument der Pro-Aktivisten, dass Reservierungen in Top-Institutionen ein Muss sind, weil man so den Dalits helfen kann.
Das Gegenargument dazu lautet, dass man doch zuerst einmal eine ordentliche Grundschulausbildung bieten sollte, bevor man am Universitätslevel herumdoktort. Denn wenn jeder Inder eine solide Grundausbildung genossen hat, kann er auch den hohen NC erreichen.
Und jetzt kommts: Das ist ja voll unrealistisch! meinen die Pro-Aktivisten, die Reservierungen unterstützen.

Their qualifications are suspect and they cannot compete with urban educated students in the entrance exams. One specific handicap that these students from the weaker sections face is not being proficient in English.

„Give them quality education“ is the usual answer by those who resent quotas but at the same time they are aware that quality education is a distant dream.

The entry of weaker sections in large numbers into elite institutes may initially cause some culture shock, but ultimately it will promote common good.

In a way, quotas are a kind of poetic justice…

(meint D Shyam Babu, Fellow, Rajiv Gandhi Institute for Contemporary Studies, den Schmarrn in ganzer Länge gibt es hier.)

Also, ich übersetze das in meiner gewohnt objektiven 😉 Art und Weise:

1. Wir können den ganzen armen Dalits leider keine ordentliche (Grund)Schulausbildung bieten, denn das ist teuer und anstrengend.
2. Das macht nix. Dafür bieten wir einer Handvoll der armen Schlucker an, sich mittels der IIMs und IITs und anderer Premier Institutes in die höchste Einkommensgruppe Indiens zu katapultieren.
3. Die Handvoll armer Schlucker erhöhen wir jetzt auf zwei Handvoll und erfüllen damit unsere Verantwortung.
4. Da das Englisch der Landbevölkerung und der armen Schlucker nicht so gut ist, setzen wir die Messlatte im Common Admission Test einfach etwas niedriger an. Alternativ könnten wir uns auch dafür einsetzen, dass man den armen Schluckern besseres Englisch beibringt, aber das ist zu viel Aufwand.

Ich glaube, an dieser Stelle ist meine Einstellung zum Thema Reservierungen für Dalits deutlich zum Ausdruck gekommen. Mit Hilfe der Links kann sich dann jeder seine eigene Meinung zum Thema bilden und mir liebe, nette Kommentare hinterlassen.

Links zum Thema Kaste:
National Geographic
Anti-Caste Informationsseite
Frontline Cover Story „Examining Reservation“

Weitere Beiträge zum Thema Kastenpolitik/Kastensystem gibt es in der linken Spalte unter dem TAg „Kastensystem“

Heilige Handtasche gefällig?

Auch wenn man nicht weiß, wo genau Indien liegt und was genau sich da für Leute herumtreiben, gibt es Fakten, die jeder über Indien weiß:
1. Indisches Essen ist scharf.
2. Indien ist groß und trotzdem voll.
3. Indien ist bunt.
4. Indische Kühe sind heilig.

Stimmt ja gar nicht!

Indische Kühe sind gar nicht so heilig, wie wir alle dachten. Ja, es gibt ein Gesetz in Indien, welches ein Verbot für die Schlachtung milchgebender Kühe und Kälber vorsieht. Hintergrund: Religion. NICHT der Tierschutz oder ähnliche seltsame Gründe.

Gerade bin ich auf ein Video von peta aufmerksam geworden.

Nun, ich bin kein Fan von peta. Wahrscheinlich war ich heute zum ersten mal auf deren Homepage, nein, sogar mit absoluter Sicherheit war ich da heute zum allerersten Mal.
Am meisten rege ich mich immer darüber auf in der Zeitung lesen zu müssen, dass PETA mal wieder Stunk mit diversen Fast-Food-Ketten sucht, weil die ihre Hühnchen in Indien vergasen, bevor sie zwischen die Semmeln kommen. Dann denke ich immer an die innovative wie perverse Hühnchentransportmethode in Indien: Die Hühner werden an den Beinen zusammen gebunden und verkehrt herum an Mopeds oder Fahrräder gebunden. So werden sie lebend kreuz und quer durch Bangalore transportiert. Manchmal fällt so ein Hühnchen runter und wird überfahren, manchmal wird es wieder aufgesammelt und wieder am Moped befestigt. Irgendwann, nach 26.037 Schlaglöchern und tonnenweise Abgasen (die Hühner baumeln in Auspuffhöhe) kommen die Curry-Zutaten beim Fleischer an: kleine Garagengeschäfte an den Hauptstraßen. In Abwesenheit von Kühlräumen wird alles frisch geschlachtet. Gewartet wird in kleinen Käfigen, gerade hoch genug, so dass die Tiere darin sitzen können. Es gibt weder Wasser noch Futter, und am Ende eines heißen Tages liegen schon einige Tiere tot im Käfig.

Leider sind die schnellen-Happen-Restaurants als MNC aber ein viel einfacheres Ziel als der unorganisierte Sektor privater indischer Kleintiertransporter. Wer ein Moped oder ein Fahrrad hat, der kann auch Hühner transportieren. Was spricht schließlich auch dagegen?

Doch heute sah ich besagtes Video von PETA, das endlich mit dem romantischen Bild indischer Kühe aufräumt. Und ich möchte, dass ihr es euch alle anschaut und den Link per Video versendet. An alle, die ihr kennt, ganz besonders an eure vegetarischen Freunde, die gern GAP, Hush Puppies oder Florsheim tragen aber immer einen „Nein, Tiere ess ich nicht“-Spruch auf den Lippen haben.

PETA: Skin Trade

Was mich beim Anschauen des Videos am meisten geärgert hat, war vielleicht nicht mal die Tatsache, dass diese Tier so gequält werden, sondern dass sie von Indern so gequält werden, die sich (wenn es um Kühe gibt, die lebensspendende Mata) die ganze Zeit in ihrer kulturellen und moralischen Überlegenheit suhlen.

Hier in Indien bricht andauernd eine neue Debatte über Religion aus, besonders über die Hauptreligion Hinduismus. Bis heute versucht die Partei BJP (eine der zwei größten, überregionalen Parteien Indiens) ein panindisches Schlachtungsverbot für Kühe durchzusetzen, obwohl sich weite Teile besonders der ärmeren Bevölkerungsschichten (darunter auch Naturstämme, etc.) traditionell von Rindfleisch ernähren, da es viel günstiger ist als Hühnchen oder Lamm. Sollte dieses Gesetz beschlossen werden, so ist nicht nur die Schlachtung milchgebender Kühe verboten (wie dies bereits der Fall ist), sondern aller Rinder. Das heißt, aus einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung werden vollkommen grundlos Kriminelle gemacht, deren Lebensmittel plötzlich illegal sind.

Das Schlimme an Gesetzen wie diesem ist, dass sie einen ganzen Handel in den Untergrund treiben und direkt für die Quälerei verantwortlich sind, die das PETA-Video vorgeführt hat. Nur durch das Schlachtungsverbot besteht schließlich die Notwendigkeit, die Kühe über die Grenze z.B. nach Bangladesh zu treiben, wo sie dann bestialisch geschlachtet werden. Das Fleisch wird wieder zurück importiert und liegt dann in indischen Tiefkühltruhen der Kaufhalle. Diese Gesetzgebung ist Augenwischerei.
Wäre es nicht viel besser, wenn die Tiere direkt vor Ort geschlachtet werden? Denn geschlachtet werden sie.

Doch in Indien dürfen nur Büffel und solche Rinder geschlachtet werden, die keine Milch geben. Die Kuh ist schließlich heilig, da sie als milchgebende Mutter und somit als lebensspendende Quelle angesehen wird. Dieses romantische Kuhbild überträgt sich nicht in grenzenlose Tierliebe im Alltag, wo in den Straßen der Großstädte herumstreunende Kühe regelmäßig an- und überfahren werden oder jämmerlich am Verzehr von Plastiktüten zu Grunde gehen. Doch diese Zustände, die viel mehr Kühe betreffen als die, die dem Schlachtermesser zum Opfer fallen würden, führen leider nicht zu Diskussionen oder gar Gesetzensänderungen. Aus diesem Grund finde ich das Video auch so gut:
Es klärt 1. darüber auf, dass die als heilig verklärte Kuh auch auf indischem Boden nicht sicher ist.
2. werden immer Mittel und Wege gefunden, um die bestehenden Gesetze zum Schutze der milchgebenden Kühe zu umgehen,
und
3. sind viel mehr Inder indirekt der Tierquälerei schuldig, als man vermuten würde – und sicherlich sind sie sich dieser Tatsache auch nicht bewusst, wenn sie sich mit Lederprodukten eindecken, deren Herkunft ihnen unbekannt ist.
(Es gibt streng-gläubige Hindus, die gänzlich auf Lederprodukte verzichten, aber dies ist ein relativ kleiner Teil verglichen mit denen, für die reiner Vegetarismus ausreicht.)