Der Monsunhimmel

Reichlich mit Worten beschrieben, lass ich heute mal die Kamera sprechen, wie das nun ausschaut, das uns der Monsun beinahe täglich zu bieten hat.
Ich habe das Gefühl, dass die Wolken hier nicht so beeindruckend sind, wie ich sie aus Bangalore her kenne, aber das liegt vermutlich daran, dass es sich aus dem 14. Stock einfach besser gucken lässt als aus dem 6. mit verbautem Blickfeld. Schade drum, aber trotzdem nicht übel.

Wolkenhimmel über Borivali 2

Wolkenhimmel über Borivali im Monsun
Die Vögel

Nun haben wir schon fast weihnachtliche Stimmung… Ihr wisst schon, wenn es 15Uhr so aussieht als ginge a) die Welt unter oder b) einfach nur die Sonne, und so lange man das Jahr über lieb war, wirds vermutlich b sein. 😉

Die Neue

Um unsere neue Bleibe haben wir hart gehandelt; vergangenen Donnerstag dann waren wir uns endlich einig und unterschrieben den Mietvertrag. Vier Tage später war der Umzug vollbracht. Wir sind da von der flinken Sorte und legen schon mal eine 18 stündige Schicht ein voller Kisten und Umzugsstaub, unterbrochen nur von ner Pizza. Zurück bleibt eine nagelneue, beinahe komplett eingerichtete Wohnung – und ein Berg blauer Flecken. Inzwischen eher grünlich-braun.

Wir wohnen immer noch in I.C. Colony, was uns besonders freut. Allerdings haben wir sowohl den Park als auch die stark befahrene Straße vor der Nase gegen eine dicht besiedelte, absolut ruhige Gasse eingetauscht. Von unseren Balkons im sechsten Stock sehen wir viele umliegende Häuser (bzw. meist nur deren Dächer), aber auch viel Grün. Buschige Palmenwedel strecken sich genau vor unseren Fenstern die Glieder, und die Wipfel schlanker Bäume mit plastikgrünen Blättern können wir beinahe anfassen, wenn wir uns über das Balkongeländer lehnen. Dort oben kämpfen Tauben und Krähen um die besten Plätze, und heute früh habe ich ein Streifenhörnchen beim Zweigspringen beobachtet: das flauschige Fell ganz nah.

Das hier ist Altstadt. Die Nachbarhäuser sind alle samt mächtig „alt“ – also um die 20 bis 30 Jahre. Wo heute unser Haus protzt, stand vor nicht all zu langer Zeit ein altes Haus, welches im Zuge des Redevelopmentplans für Mumbai abgerissen und neu aufgebaut wurde. Die Eigentümer des ehemaligen Gebäudes bekommen in den unteren Stockwerken jeweils kostenlose Wohnungen, während das Bauunternehmen seine Kosten durch den Verkauf zusätzlicher Wohnungen in den oberen Etagen abdeckt (und Gewinne einfährt). Im Platzmangel Mumbais enstehen auf diese Weise langsam aber stetig neue Wohnugen, und das Stadtbild wird verschönert. Es heißt aber auch, dass die Bebauung dichter und höher wird.

Das heißt, dass wir nun in einer sehr alten Gegend wohnen, in der es ruhig ist. Und gelassen. Wo sich Nachbarn ihr halbes Leben lang kennen. In einer verrückten Stadt wie Mumbai ist das viel wert.

Die Wohnung selbst ist eher von der kleinen Sorte, wenn ich an das stark komprimierte Wohnzimmer denke. (Zimmer gibt es nach wie vor drei.) Aber es ist gemütlich, und wir haben unseren Balkon bereits in eine kleine Dschungellandschaft mit viel Grün umgewandelt. Einige verschönernde Details wie Tonlampen fehlen noch…

Spontan fallen mir nur Vorteile ein, die unsere neue Bleibe zieren: Die Stille. Die relative Abgeschiedenheit, obwohl es zur Hauptstraße lediglich 5min braucht). Der Ausblick. Balkons, auf die man raustreten kann (Stichtwort: Nanobalkons) Zudem war die Wohnung teilweise möbliert. Eine nette Wechselsprechanlage, um sich ungebetene Gäste vom Leib zu halten. Da die Wohnung gen Norden und Osten öffnet, heizen sich die Zimmer auch nicht so unangenehm auf.

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Konferenz am Morgen

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Weniger berausschend hingegen ist der fehlende Telefonanschluss. Nachdem das Haus neu aufgebaut wurde, hat niemand neue Kabel verlegen lassen. Das heißt nun, dass es in jedem umliegenden Gebäude Teelfon gibt außer in unserem, und dass dies so bleibt, bis das Bauunteernehmen einen Antrag bei der staatlichen Telefongesellschaft MTNL stellt.
Wir müssen uns nun um eine Alternative kümmern. Viel kommt nicht in Frage:

1. Datacard

2. Internet vom Kabelfritzen (falls er das anbietet)

3. Privatanbieter (falls wir einen finden, der hier operiert)

Nützlich ist so ein Telefonanschluss nicht nur zum Quasseln, sondern allen voran läuft er auf unseren Namen und dient somit als Nachweis des Wohnsitzes. Die Stromrechnung, die in Indien auch als Wohnhaftbeleg gilt, läuft auf den Namen des Vermieters, und den Mietvertrag (der einem sicherlich als erstes in den Sinn kommt) haben wir nur als Kopie. Das Original liegt beim Vermieter. Mal sehen, was sich in dieser Hinsicht machen lässt…

Wenn alles gut geht, können wir hier stolze zwei Jahre wohnen. :yes:

Umzug

Es ist vollbracht.

Freitag: Einpacken.

Samstag: Bond gucken (Wir haben schliesslich Prioritäten!)
Nachmittags dann einzelnen Klimbim, Koffer, kleine Kisten und wertvolles Zeug von A nach B bringen.

Sonntag: Security Guard unseres alten Hauses nach einem LkW fragen. 9:30Uhr stehen die Jungs mit dem Tempo (kleiner Laster) vor der Tuer. In drei Stunden (absoluter Rekord!) alles aus der Wohnung raus, auf den Laster drauf, vom Laster wieder runter, in die neue Wohnung. Nur zwei Kratzer in den Schränken (von denen wir vorher sicherheitshalber die Tueren abmontiert hatten, damit wenigstens die keine Scharten bekommen).
Merke: Nie wieder teures Möbel aus Dänemark kaufen!

Montag: Muskelkater. Kisten auspacken.

Extras:
1. Küchenfenster ausbauen, damit Waschmaschine und Trockner auf den Balkon verfrachten werden koennen. Fenster wieder einbauen.
2. Schalter auswechseln lassen, weil irgendein Kloppi Minischalter eingebaut hat, womit Heavy Duty stuff wie Waschmaschinen und Mikrowellen nun mal nicht funktionieren.
3. Im ganzen Haus Löcher bohren lassen für Schnickschnack, Haken und Bilder.
4. Housewarming mit Cognac.
Dienstag: Von MTNL gesagt bekommen, dass sie uns keinen Telefonanschluss geben können, weil das Haus gar keine Leitung hat. Yeah.

Zukunftsvision:
Mittwoch: Neuen Internetanbieter suchen. Zig Anrufe tätigen. Von jedem gesagt bekommen, dass sie in unserem Stadtteil nicht operieren. Kopf in den Sand stecken nicht hängen lassen.

I.C. Colony

Ein Spaziergang durch I.C. Colony ist auch nach über einem Jahr noch interessant. Ich mag dieses kleine Nest einfach, dass sich wie ein Dorf anfühlt, mit engen, gewundenen Straßen, die überdurchschnittlich grün sind; mit etlichen Katzen, die sich um die Fischfrauen drängen, und vielen Straßenhunden; mit den kleinen Garagengeschäften, die ich alle schon kenne; mit dem Tomatenmann, der mich täglich mit einem gut gelaunten „Good Morning“ und einem Lächeln grüßt. Leider sitzt mein Gemüsemädchen schon seit einer Weile nicht mehr da. Üblicherweise hockt sie mit ihren zwei riesigen Körben neben dem Karren des Tomatenmannes und schaut mich schelmig an. Zudem stand heute in der Zeitung, dass Borivali die sauberste Luft in Mumbai hat. Das allein macht sie nicht sauber, aber sauberer. :.

Heute Morgen traf ich einen Mann, der bei uns um die Ecke wohnt und dessen Arme nicht voll ausgebildet sind. Als wir noch keinen Internetanschluss im Haus hatten – ein Schicksal, dass uns bald wieder bevorsteht 😥 – saß er manchmal da und ließ seine kurzen Finger über die Tastatur rasen. Die Kinder, die an der Straßenecke wohnen, gaffen ihm üblicherweise nach. Einmal beobachtete ich auch eine Gruppe Schulmädchen, wie sie allesamt stehen blieben, vom Donner gerührt, und dem Mann ohne Arme Löcher in die Schultern glotzten. 8|

Auf meinem Weg traf ich außerdem eine Frau im roten Kleid, welches sie schon am Dienstag getragen hatte. Es hat enorme Puffärmel und reicht ihr bis kurz unter die Knie. Schenkt man dem Internet Glauben, so weist I.C. Colony die höchste christliche Bevölkerungsdichte in Mumbai auf, was den Dress Code erklärt. Der Name stammt von der alten Kirche (soll aus dem 16. Jahrhundert stammen), die unsere Colony ziert: Church of the Immaculate Conception. Oder I.C.

Vor mir überquert plötzlich eine Frau mit einem Transistorradio die Straße. So alt ist das Ding, dass man es schon beinahe bei Christie’s als unschätzbare Antiquität verscharrern versteigern könnte. Kaum habe ich mich an diesem prähistorischen Plastikköfferchen satt gesehen, als ich beobachte, wie ein Mann sich auf den Stufen zu einem geschlossenen Geschäft sitzend eine Rasur verpassen lässt.

Gegenüber dem „Egg Center“ saß wieder dieselbe Bettlerin, die dort immer sitzt: mit dichten, weißen Haaren und einigen grauen Strähnen. Manchmal trägt sie die Überreste eines Saris. Manchmal eine Art Plastikdecke. Sie sitzt dort mit ihrer alten Wasserflasche und einem Becher und wartet auf Spenden. Am Dienstag steckte ihr der junge Mann vor mir einen Zehn-Rupienschein zu, den sie zwischen den Handflächen drückte wie einen Schatz.

Das Egg Center hatte gerade frische Lieferung bekommen. Entlang einer Wand erstreckten sich so viele Eierpaletten, dass ich zu zählen begann. 20×8 Paletten in einer Reihe. Zwei Reihen. Dreißig Eier pro Palette. 9.600 Eier. Und vermutlich genau so viel an der gegenüberliegenden Wand, aber das konnte ich nicht sehen. Schätzungsweise 20.000 Eier in einer kleinen Garage. Alle weiß. Ich ließ mir ein Dutzend in eine Papiertüte einpacken und marschierte davon.

Es ist ruhig hier, auch wenn die Rickshaws so scharf an einem vorbei zischen, dass sie einem fast das Fell rasieren. Am Straßenrand stehen Mütter mit ihren Zwergen und warten auf den Schulbus, der in Indien Kinder nicht von der Haltestelle sondern von zu Hause abholt. Überall stapeln Gemüseverkäufer ihre Ware übereinander und Fischmänner laufen mit großen Plastikwannen auf den Köpfen durch die Straßen und plärren ihren Verkaufscode, der selten einfach nur Machli (Fisch) lautet. Einer schrillt LöLöLö. Was auch immer das heißt. Es bringt mich zum Lachen. Das reicht doch. :yes:

Mumbai: Daniela lernt denken.

Manchmal vergesse ich meine eigenen Regeln. 🙄 Zum Beispiel, als ich in der Zeitung las, dass sich diverse Politiker über die leicht bekleideten, aus dem Ausland importierten Cheerleader mokierten, die extra für die IPL-Spiele (ganz neu: Indian Premier League, Cricket) eingeflogen worden waren und die seit dem kurzen, rasanten Mediensturm keine Bikinis mehr tragen sondern von Hals bis zum großen Zeh bedeckt sind. Meine erste on europäischen Werten ruinierte Reaktion ist die größter Empörung: Das ist Zensur!! >:-( Die Frauen können tragen, was sie wollen! >:-(

Dann fällt es mir wieder ein.
Dummchen. Her mit den Ganzkörperkostümen!

ulta pulta

Ich stehe an der Borivali Station und warte auf jemanden. Da ich mich nicht im Besitz eines Tickets befinde (ich warte ja nur), kann ich nicht auf den Bahnsteig und warte in der Nähe der Ticketschalter. Ich stehe neben einer bunt blinkenden Waage. Zwei Leute habe ich bereits dabei beobachtet, wie sie Geld in die Maschine steckten und dann feststellen mussten, dass die Waage nicht nur nicht funktioniert sondern auch ihr Geld geschluckt hat.

In meinen durch europäische Werte ruinierten Gedanken beschließe ich, den nächsten potenziellen Benutzer darauf hinzuweisen, dass die Waage kaputt ist.

Ein Mann kommt. Ich sage ihm „karab hai“. Kaputt. Er glotzt mich an.
Dann fällt es mir wieder ein.
Dummchen. Her mit dem Pfefferspray!

„Wartest du auf jemanden?“, fragt er mich. Ich vermeide Augenkontakt und antworte mit einem unverbindlichen Ja, aber es ist bereits zu spät.

„Wenn er nicht kommt, bin ich interessiert.“

In meinem durch europäische Werte ruinierten Kopf blinkt die falsche Lampe auf: Das muss ich jetzt falsch verstanden haben. :lalala: Das kann der nicht gesagt haben. Ich darf nicht immer vom Schlimmsten ausgehen. Nicht alle indischen Männer sind Schweine. U-(

„Wie bitte?“, frage ich. :??:

„Wenn er nicht kommt, bin ich interessiert.“ (Wo ist das geifernde Smiley!!!) :>

Dann fällt es mir wieder ein.
Dummchen. Her mit dem Boxhandschuh!

Es ist warm. Ich fächere mir mit meinem hübschen Bambusfächer unentwegt Luft zu. Vermeide Augenkontakt. Aber ich habe es immer noch nicht kapiert und sage darum ruhig, wenn auch mit Nachdruck: „Ich denke, Sie sollten jetzt besser gehen.“ |-|

tickets

„Ich bin interessiert“, erinnert er mich. XX(

Und dann fällt es mir wieder ein.
Ich hole tief Luft und schreie „Verschwinde, * * * * * * *.“
Er registriert die sich nach uns umdrehenden Köpfe und verschwindet.

Manchmal dauert es eben etwas länger, aber auch ich lerne dazu.

Heute Morgen dann notiere ich wohlwollend die vom Kopf bis zum großen Zeh schwarz gekleideten Cheerleader und nicke: „Gut, Mädels. Nur die Knüppel habt ihr vergessen.“

Bilderstrecke: I.C. Colony

Dieses Wochenende war uns die Sonne nach zweiwöchiger Unpässlichkeit endlich wieder gnädig, so dass
a) ich sofort wieder einen dieser unerwarteten, ungleichmäßig verteilten Sonnenbrände bekam 🙄
b) wir schwitzten und stönten, warums denn schon wieder so unerträglich warm war
c) die klimatisierte Mall selbstverständlich unser bevorzugter Aufenthaltsort war
und
d) zwar endlich wieder Fotos geknipst worden sind, diese des Zusammenspiels von a), b) und c) allerdings allesamt aus-dem-Autofenster-Fotos sind.

Augen auf und durch!

Ich werde nicht müde, die grüne, dörfliche Qualität unseres Wohnortes zu preisen. Leser müssen sich zu diesem Thema noch mindestens ein weiteres Foto angucken:

ic colony traumstrasse

Das liegt daran, dass Rahul und ich diese Straße einfach lieben. Sie erinnert mich in ihrer Abgeschiedenheit an die Ridge Road in Delhi; eine Art Umgehungsstraße umgeben von Büschen, Bäumen und Wäldchen, obwohl sie das vollgestopfte Karol Bagh mit Süddelhi verbindet. Fährt man dort entlang, fühlt man sich sofort wie in einem halbstündigen Urlaubswerbespot. Du wartest quasi darauf, dass hinter dem nächsten Busch diverse Wildtiere hervorspringen. Die kleine Schwester dieser Dschungelautobahn läuft durch I.C. Colony.

Jetzt, da ich mit Angeben fertig bin, erzähl ich auch noch etwas Besonderes über Straßen in Mumbai. Eine überwältigende Zahl von ihnen ist nämlich weder mit Teer noch Beton befestigt, sondern mit Gehwegsteinen.
Ich finde das ulkig. Aber vermutlich ist es praktisch. Ich habe bereits eine kleine Liste unbewiesener Theorien aufgestellt. Als da wären: In den kleinen Rillen zwischen den Gehwegsteinen läuft das Wasser ab. Ergo keine Pfützen im ganzjährigen saisonalen Monsun Mumbais. Außerdem kann man das so oft aufbuddeln und wieder verschließen, wie die altehrwürdigen Stadtväter Mumbais das halt für richtig halten, denn die Gehwegsteine kann man anders als Teer- und Betonbröckchen immer, immer wieder nutzen. Wenn das kein Vorteil ist. :yes: Und schließlich braucht man keine dieser lustigen Maschinen zum Teeren oder Beton mischen. Lustige Maschinen bedürfen normalerweise gescheiter Leute, die wissen, was man damit in etwa macht. Gehwegsteine kann jeder legen.

Nicht ganz so doll an diesen Gehwegplatten ist hingegen die Tatsache, dass sie gern absacken. Da sich niemand die Mühe macht, ein paar mal mit der Walze drüber zu fahren, um den Untergrund zu befestigen, sorgt halt der nächste Regenguss dafür, dass der Morast zusammenpappt. Et voilà: Wellengang auf Mumbais Straßen.

Ah, und um meinen altbackenen Baumwitz mit kaputtem Schirm ein letztes Mal aufzuwärmen, habe ich dieses Bild hier geschossen:


ic colony opt taeuschung

Aber tatsächlich handelt es sich um eine optische Täuschung, weswegen ich noch mal kurz das Bildbearbeitungsprogramm in Anspruch nehmen musste:

ic colony opt taeuschung2

Mehr muss dazu nicht gesagt werden.

Ich gebe mir die größte Mühe, I.C. Colony in den grünsten Tönen zu loben, aber der Weg ins Paradiso führt durchs Purgatorio in Form einer nach Komposthaufen müffelnden Kreuzung. Wegen weil:

ic colony clean up

Und obwohl es hier eigentlich nur um schnöden Abfall geht, muss ich jedes Mal schmunzeln: wenn wir das Thema Müllentsorgung in Mumbai antasten, kommen wir nicht um drei Farben herum. Als da wären: Dunkelgrün. Der Anstrich der Müllkübel und Müllautos. Weiß. Der Slogan „Clean up Mumbai“. Und Orange: Das beherzte Ausrufezeichen. Ich hoffe, das ganze Unternehmen wird eines Tages so effizient wie die Bemalung des involvierten Inventars.

Es soll in Mumbai ja auch eine Straße geben, die sich ganz der Müllweiterverwertung hingegeben hat. Ich habe mir vorgenommen, diese mal zu besuchen und zu sehen, wozu meine Cornflakespackungen verarbeitet werden, denn obwohl Abfallrecycling kein organisierter Sektor ist, findet so gut wie alles noch mindestens zwei weitere Anwendungen, bevor es endgültig auf den überdimensionalen Müllbergen landet. Wer einmal die Länge und Breite der Mülldeponie in Norddelhi neben dem NH1 abgefahren hat, versucht mindestens eine Woche lang, seinen Hygiene- und Verpackungswahn unter Kontrolle zu bringen. So lange Vorsätze eben halten.

Schnell noch ein schönes Foto, sonst blasen wir alle den Rest des Tages Trübsal:

ic colony waescheleine

Ein Leben ohne Wäscheleine sieht in Etwa so aus. Auch Mittelstreifen, Leitplanken, Stromkabel, Grundstücksmauern, Häuserdächer, Geländer und unter Umständen auch die blanke Straße werden zum Trocknen von Kleidung und Stoffen umfunktioniert. Befindet sich eine kleine Wäscherei (dhobi ghat) in der Nähe, kann es schon mal vorkommen, dass man für ein paar hundert Meter an einem in dem Gilb anheim gefallenen Handtüchern gekleideten Mittelstreifen vorbei fährt. (Wer den letzten Nebensatz auf Anhieb entschachteln konnte: Daumen hoch!)

Monsun – Eine Anleitung, wie mans nicht macht

Um diese Monsunlektüre vollends zu genießen, empfiehlt es sich, Beiträge wie diesen hier nochmals zu überfliegen.

Es ist ein verregneter Dienstag Morgen, der sich einer verregneten Nacht anschließt. Die sich einem verregneten Montag anschließt. Der sich einem verregneten Wochenende anschließt. Monsun halt.

monsun kriegt jeden

Nichts Schlimmes. Man muss nur wissen, wie man damit umzugehen hat. Schön und schlau ist es bspw., vom Fenster aus andere Menschen dabei zu beobachten, wie sie den Pfützen ausweichen.

Aber alles hat ein Ende. So auch die Croissants (5 Stk., 57 Rupien, Le Marché, Jogeshwari (W)). Ich sehe nun ein, dass sich an den verregneten Dienstag ein verregneter Mittwoch anschließen wird. Gefolgt höchstens noch von Schlimmerem, nämlich auch noch einem verregneten Donnerstag. Wenn ich Rahul den Rest der Woche zum Frühstück Cornflakes vorsetze, schließt sich am Freitag womöglich das Allerschlimmste an: Das Trennungsjahr.

Also zücke ich meinen Schirm und wage mich ins Freie. Wahrlich, Regen ist auch nicht besser als eine bitterkalte, Schnee bedeckte Winterlandschaft: das sieht nur vom Fenster idyllisch aus.

Monsun – Eine Anleitung, wie man’s nicht macht

Um meine zarten Füße vor den hereinbrechenden Fluten zu schützen, stülpe ich mir meine Sneakers über. Nee, nicht nur meine Sneakers :no: – meine neuen Sneakers. :yes:

Ich sehe schon die Ersten schmunzeln. Aber warum nur? Die Sneakers halten doch und ich laufe geschwind von A nach B über C zu D, wobei A = Internetcafé, B = Fleischer, C = Bäckerei und D = Postamt. Kurz vor A werde ich, das Gesicht unterm Schirm verborgen, beinahe von einer Rickshaw erfasst, die ich nicht sehen konnte, da ich so damit beschäftigt war, die Spannplane der Regenrichtung anzupassen. Brett Schirm vorm Kopf. Nicht gut. :no:

Aber Madame möchte nicht nass werden, also bleibt der Schirm tief ins Gesicht gezogen, und ich verdrücke mich auf den Gehweg, wo ich vor dem Verkehr sicher bin.

Zehn Meter später ramme ich meinen Schirm in einen ebenfalls auf dem Fußweg befindlichen Baum. Natürlich mutwillig. Ich mochte das Ding noch nie. :no:

Aber Bäume haben ja sowieso die Angewohnheit, ständig im Weg herumzustehen. Das dachte sich vermutlich auch der Fahrer eines weißen Maruti Vans, der kürzlich seinen Wagen in einen fröhlich auf der Haupstraße wachsenden Baum gesteuert hatte. Wenn man sich den Stamm dieser Unpflanze (im Sinne von Untier und Unmensch) anschaut, wird man sofort gewahr, dass das Biest schon viele auf dem Gewissen hat. Rahul meinte im Vorbeifahren, die Bewohner der umliegenden Häuser schließen wahrscheinlich täglich Wetten ab, wie vieles denn heute sein werden. Sofort erschließt sich mir die Geschäftsidee: ein Wettbüro für diesen Baum in Kandivali. Rahul meint, Wetten sei in Indien illegal. Prima! Dann sparen wir sogar Einkommenssteuer.

Ich habe meine Geschäftsidee bereits zur Kreditbewilligung an die Bank geschickt, doch so lange ich von meinem Wettbüro noch keine Einnahmen verzeichnen kann, werde ich weiterhin mit meinem verbeulten Schirm herumlaufen. Ich vergrabe meinen Kopf noch tiefer unter dem Schirm – nun ists ja eh egal. Hoffentlich hat das keiner gesehen!

Zwischen B und C befindet sich bereits ein reißendes Bächlein zwischen Fußgängerweg und Straße, und nirgendwo eine Brücke in Sicht. Ich erkenne meine Narretei: Sneakers, liebe Monsunanwärter, sind nicht gleich Gummistiefel. Man sollte sich bei der Kleiderwahl nach den Einheimischen richten. Die tragen – logisch – Floaters. Aus Gummi. Auch logisch. Und somit sieht man sie auch nicht wie kleine Karnickel von Schlammhügel zu Schlammhgel hüpfen (jetzt weiß ich endlich, warum in Indien ständig Schotter auf der Straße liegt), sondern sie waten vergnügt umher und halten inmitten einer pubertierenden Stromschnelle an, um einen Plausch zu führen.

Als die Bäche zwischen C und D immer größer und tiefer werden, laufe ich in der Mitte der Straße, wo das Wasser nur 5cm tief ist. Und stelle fest, dass auch Jeans keine gute Monsunidee sind, denn sie saugen sich voll. Und dann sind die Dinger schwer und baumeln dir wie Gewichte um die Waden. Und dann fangen sie auch noch an zu rutschen…

Teilweise ist das Wasser knöcheltief. Das schmatzende Geräusch in meinen Sneakers lässt mich verdächtig aufhorchen: die werden doch wohl nicht etwa innen nass sein? Vorsichtig taste ich mit den Zehen nach vorn … hm. Und rühre dabei den Sud Borivalis um.

Wieder driften meine Gedanken ab: Zu den armen Menschen Indiens, die auf die Straße kacken. Letzten Samstag sah ich sie im hippen Stadtteil Bandra, wie sie alle in Reih und Glied auf die Straße machten. Aber nicht alle auf einmal, denn man will sich ja nicht gegenseitig zugucken. Übrig blieb eine ordentliche parallele Zweierreihe hellbrauner Kleckse immer schön im gleichen Abstand. Die liegen dann da, bis jemand die Spülung betätigt.

Wie komme ich jetzt nur darauf?

Ich hüpfe dort, wo es einen Fußweg gibt, auf selbigen und kann so dem Gröbsten entgehen. Meinen verbeulten Schirm trage ich mit unverwüstlicher Anmut – immerhin: mein Kopf ist noch trocken!

Es stinkt!

Der Monsun ist im Gange und es gießt sintflutartig, so dass die Luftfeuchte auf klebrige, zähe 90% getrieben wird. Und wir müssen die Fenster schließen – ganz besonders die, die gen Westen öffnen, denn mit jedem Atemzug saugen wir den unappetitlichen Güllegestank ein, der zur Monsunzeit schelmisch um die Häuser schleicht. |-|

socke gaehntWäääääääh!

Man erklärt uns, dass es das Marschland sei, dass nur wenige hundert Meter von unserem Haus ungeniert seine Ausdünstungen auf die wehrlose Bevölkerung hetzt, doch uns schwant, dass es wohl eher der darin herum dümpelnde Müll sein würde, dessen olfaktorische Charakteristiken ein Stück Mumbai ausmachen. Und ohne Vorwarnung taucht die Erinnerung an einen frühen Abend an einem populären Strand an der Westküste Karnatakas, unweit von Udupi, auf.

Malpe

Der dunkle grobe Strand war durchschnittlich stark verschmutzt; was mit Kühen, Hunden, Pferden – ja, einem ganzen Bauernhof, der da am Meer entlang flanierte. Und Krähen. Die Müllvernichter jeder Touristenansammlung, deren unschöne Schnäbel in leeren Chipspackungen herum stochern. Lang lebe die Esskultur snackender Strandbesucher. :no:

Von einer in die Böschung eingesenkten Hütte her spatzierte ein Mann mit einer großen, prall gefüllten Mülltüte. Ernst, unbewegt, tief in seine Arbeit versunken schlängelte er sich seinen Weg durch die paar Sitzgruppen, die der Abenddämmerung Tribut zollten, hielt genau da an, wo die Wellen am Land züngelten, und schüttete seine Mülltüte dort aus. Dann wandte er sich zum Gehen. Erledigt!

Wenn man einen skurrilen Moment wie diesen in seinem Lebenslauf verbuchen kann, versteht man endlich, wie irgendwelche Drehbuchschreiber ihren dummen Hühnern in Filmen Szenen zuschreiben, in denen sie fassungslos, regungslos einer Handlung zusehen, der man besser Einhalt gebietet. Beim Zuschauen regt man sich über diese Teilnahmslosigkeit, Orientierungslosigkeit, Handlungsunfähigkeit auf. Vorübergehende Lähmung? Synapsen kaputt? Dumme Hühner!

Und da standen wir – Huhn und Gockel – und regten uns nicht.

Die leeren, ausgefransten, überflüssigen Abfallstücke flatterten im sanften Wasser herum, bis eine größere Welle an ihnen zog, sie ins Meer fort nahm und dann wieder an den Strand spuckte.

Rahul stolperte dem Müllmann hinterher und fragte ihn, warum er das getan hatte? Der Mann zuckte mit den Achseln: Das Meer räumt den Müll weg. Morgen wird er nicht mehr da sein. Dann drehte er sich wieder um und stampfte auf seine Hütte zu. Alberne Touristen. Mischen sich in alles ein!

Wir beobachteten an diesem Abend noch den Sonnenuntergang. Und wie der Ozean den Müll weg schaffte. Und wie der Mond schön und stolz und prall hinter den dunkelgrünen, mit blauen und schwarzen Schatten versetzten Bäumen hinter der Hütte des Müllmanns aufging, lange nachdem sich die Sonne und ein Großsteil der Touristen aus dem Staub gemacht hatten.

Und nun stecke ich den rechten Nasenflügel zum Fenster hinaus und schäzte die zähe, stickige Marschbrise ab. Ja, genau. Der Müllmann von Malpe hatte Recht. Der Ozean räumt den Abfall weg. Gemächlich, aber zuverlässig. Und wo schafft er den ganzen Dreck hin? Ins Borivali Marschland. Riecht man doch. Es gibt halt Dinge, die einem der Vermieter verschweigt. 😉