Die Gute Nachricht: Laut den Statistiken der indischen Planungskommission sind nur 25% der Stadtbevölkerung Indiens offiziell arm und daher hilfebedürftig.
Die Schlechte Nachricht: Die Einkommensgrenze, welche zur Berechnung dieser Quote genutzt wurde, liegt so niedrig, dass man dabei nicht von einer Armutsgrenze sprechen kann, sondern von einer Hungergrenze. Genau genommen einer VerHungergrenze.
Normalerweise heißt es, soundso viele Menschen leben von einem Dollar pro Tag. In den Köpfen der meisten Menschen ist ein Dollar eine winzige Summe, und davon auskommen zu müssen, kratzt am Verständnis dessen, was menschenmöglich ist.
Nun denn. Laut Planungskommission ist man mit einem Dollar am Tag nicht arm. Erst wenn man lediglich 20 Rupien pro Tag hat, ist man arm. Das sind nach heutigem Umrechnungskurs 45 US Cent oder 31 Cent pro Tag.
Die Planungskommission hat 24 Ausgabebereiche gewählt, um die Maximalausgaben zu berechnen, die ein Inder machen kann, um als arm zu gelten. Demnach darf er monatlich zum Beispiel 36,50 Rupien (55 Cent) für Gemüse und 8,20 Rupien (13 Cent) für Obst ausgeben.
Für Salz und Gewürze fallen 14,6 Rupien (22 Cent) ab.
Linsen und Hülsenfrüchte: 19,2 Rupien (30 Cent)
Kleidung: 38,3 Rupien (59 Cent)
Getreide: 96,5 Rupien (1,50)
Sprit: 70 Rupien (1,10)
Wie sieht so ein Leben aus? Wenn jemand weniger als 600 Rupien im Monat zur Verfügung hat, dann kann man davon ausgehen, dass er keine Miete zahlt. Er lebt also auf der Straße. Er kann sich von seinem Obstbudget im Monat drei Bananen leisten. Des weiteren kann er sich 200 Gramm Linsen kaufen. Und drei Kilo Mehl. Er kann von seinem gesamten Gemüsebudget ein Kilo Zwiebeln und ein Kilo Kartoffeln kaufen. Oder ein halbes Kilo Okraschoten. Oder ein halbes Kilo Paprikaschoten. Oder zwei Blumenkohlköpfe.
Vermutlich aber wird er, wie arme Menschen das in Indien häufig tun, sein Geld in Weizenmehl, Chillies und eventuell Linsen anlegen. Dann gibt es einmal pro Tag Fladenbrot mit Chillipaste und ab und an einen Napf voll wässriger Linsensuppe.
Was heißt das für Indien?
25% der städtischen Bevölkerung leben so.
Gedenkpause.
25% der Menschen in indischen Städten führen genau dieses Leben.
Die anderen 75% sind deswegen nicht vermögend. Sie sind nicht einmal nicht arm. Denn wer 30 oder 40 oder 50 Rupien am Tag hat, oder selbst 100, der hat deswegen noch lange kein menschenwürdiges Leben.
Und auf dem Land? Da liegt die obere Ausgabegrenze sogar nur bei 15 Rupien pro Tag. Wer mehr ausgibt, ist nicht arm. Er bekommt keine BPL-Karte (Below Poverty Line) – das offizielle Armutszeugnis sozusagen. Ohne BPL-Karte bekommt er keine subventionierten Lebensmittel in den sog. Ration Shops. Er bekommt keine Krankenversicherung (denn es gibt zumindest auf dem Papier in Indien inzwischen ein KV-System für die Armen). Er bekommt keine Unterkunft gestellt und auch keine Rente.
Die Armutsgrenze liegt also so tief, dass sich kein Mensch so tief ducken kann, um darunter zu passen. Kein Wunder, dass Indien in den letzten Jahren von reduzierten Armutsquoten gesprochen hat: es wurde einfach die qualifizierende Grenze herunter geschraubt.
Ich werde diesen Artikel ebenfalls mit dem Tag „Dinge, die ich nicht verstehe“ kategorisieren müssen. Was auch sonst? :??: