Die infrastrukturelle Wahrheit

oder „Warum es in Mumbai wirklich drunter und drüber geht“

Es ist bequem – jenes alte Argument über die verkehrstechnische Unzulänglichkeit des durchschnittlichen verkehrsbeteiligten Inders, sei es als Fußgänger, Rickshaw-, Fahrrad-, Auto- oder Busfahrer. Es ist ein schlichtes Argument. Gnadenlos. Ein bisschen verächtlich ist es auch.

Und unvollständig ebenfalls.

Selbstverständlich muss ich mich auch meiner Teilschuld bekennen, die halbe Wahrheit propagiert zu haben. In vergnüglichen Beiträgen über indische Verkehrsregeln etwa. Oder über meine Abenteuer in der Fahrschule, wo man vieles lernt, nur nicht das Fahren. Letzteres sogar in zwei Teilen.

Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere betrifft die unzivilisierten Zustände der Straßen. Die Verkommenheit der Infrastruktur.

Die infrastrukturelle Wahrheit Teil 1

Auch ein cleveres Deutsches Würstchen Bürschchen in einem chicen germanischen Fabrikat könnte eine solche Straße nicht so navigieren, dass er nicht auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen und keine elegante Schlangenlinien fahren müsste. Dass sich bei hohem Verkehrsaufkommen kein Stau bildet. Dass der Folgeverkehr sich nicht vor lauter Eifer aufs zerknirschte Kinn geifert.

Und so tuts der Inder halt auch.

Die infrastrukturelle Wahrheit Teil 2

Tut sich das Monstrum urbanen Laisser-faire vor ihm auf, muss er in Sekundenschnelle berechnen, auf welcher Route er seinem Vehikel minimalsten Schaden zufügt. Dann schlägt er den neuen Kurs ein. In diesem Falle scharf nach rechts außen lenken. Versuchen nicht am Blech der Unendlichen Geschichte Mumbais (lyrisch für „Bauarbeiten“) entlang zu schrammen. Tiefe der Schlammpfütze erraten. Und hoffen, dass man auf der anderen Seite des Kraters wieder emporsteigt wie Phoenix aus der Asche.

Nicht nur Schlaglöcher tragen ihren Teil zum Verkehrschaos bei. Auch gebrochene Wasserleitungen. Abgesunkene Straßen. Durchbrochene Mittelleitplanken. Umgefallene Bäume. Eingefallene Zäune/Gebäude. Baustellen. Alle davon ohne Absicherung und Ausschilderung.
Und zudem noch … Parental Advisory: Explicit Content selten dämliche Verkehrsführung. Häufig hören Fahrbahnen einfach auf. Da steht ein Haus. An der Stelle, an der sich eine linke oder rechte Fahrspur befinden sollte, steht halt noch ein Gebäude, das im Zuge von Straßenverbreiterungsmaßnahmen noch nicht abgerissen wurde. Ohne Schild.
An vielen Kreuzungen darf man auch nicht einfach geradeaus fahren, nur weil man nicht abbiegt. Der Kurs ändert sich, als hätte der Monsunwind zu stark geblasen und die Fahrbahn verweht. Das alles lässt sich schlecht bis gar nicht erklären. Stellt euch einfach vor, dass es in Südmumbai eine Kreuzung gibt, bei der man nicht geradeausfahren kann. Man fährt eine kleine Beule um eine Seitenmündung herum. Das kann man aber dank der Größe und Unübersichtlichkeit der Kreuzung nicht einsehen. Wer neu in der Stadt ist, fährt nichtsahnend geradeaus (keine Fahrbahnmarkierung!) und steht dem Gegenverkehr gegenüber. Das ist nicht lustig. Das ist uns schon passiert.

Nun kennt ihr die ganze Wahrheit.

Indien in Zahlen

253.679 = Zahl der Taxen in Mumbai
369.656 = Zahl der Autorickshaws in Mumbai
2.552 = Zahl der Busse des regionalen Nahverkehrs (BEST)
271.969 = Zahl der LkWs
457.691 = Zahl der Autos
715.029 = Zahl der Motorräder, Scooter und anderer „Two-Wheelers“

(Diese Liste ist nicht vollständig.)

Mumbai hat (angeblich) 1.941km Straße. Ich sage angeblich, weil ich nicht weiß, wo sich so viel Straße in Mumbai befinden soll. Vermutlich handelt es sich um ein Definitionsproblem, und Schotterpisten sowie Gassen, die ich nun nicht als Straße identifizieren würde, zählen dazu.

Fahrzeuge pro Kilometer Straße: 717!!

Das sieht an einem weiteren, verzweifelten Morgen auf dem Weg zur Arbeit dann so aus.

Das Auto
Das Auto
Früher hieß das Ding mal Automobil, doch seit man damit häufiger auf der Stelle tritt, heißt es kurz und bündig „Auto“.

Das alles übersetzt sich in eine Durchschnittsgeschwindigkeit von bis zu 13,6km/h. Bei 33km Pendelstrecke ein nicht zu verachtendes Vergnügen.

Auf dem Foto zu sehen ist übrigens der brandneue Flyover im Stadtteil Malad entlang des Western Express Highways, der Mumbai von Nord nach Süd durchläuft. Dieser Flyover ist sechsspurig. Drei Spuren gen Süden und drei gen Norden. Das Volumen gen Süden ist aber am Morgen so hoch, dass auf der Gegenfahrbahn zwei Spuren ebenfalls für den nach Süden fließenden Verkehr benutzt werden. Was man hier sieht, sind also fünf Spuren Stau.
Warum fahren die alle nach Süden? – Weil da die Büros sind.
Warum wohnen die nicht gleich da? – Weil es zu teuer ist. :wave:

Wo ist Delhi? (Update: 09/2010)

Im Herzen Delhis lag früher der wunderschöne Connaught Place. Heute sieht es dort so aus:

Baustelle01

Unbedarfte Besucher könnten es für einen Slum halten. Doch in Echt & Wirklichkeit handelt es sich ums Wohncamp für die Bauarbeiter, die dieser Tage damit beschäftigt sind, CP (und den Rest der Stadt) in ein visuell komfortables Ereignis zu verwandeln, welches sich positiv auf die Iris der für die Commonwealthspiele eintrudelnden Sportfans niederschlagen soll.

Demnach stolpert und stürzt der Delhibesucher heuer durchs Rondell, dessen Fassade neu gestrichen und vereinheitlicht wird. Beim Betrachten des derzeit herrschenden Chaos kommt der Zyniker in Versuchung, die ganze Hau-Ruck-Aktion als erbärmlich spät begonnenen Akt der Verzweiflung abzutun. HarrHarr. |-| Wahr ist allerdings, dass Oberhäuptling Sheila Dixit die Sache schon zu Ende sehen wird. Die Peitsche knallt, der Schweiß fließt im Angesicht der Deadline, doch ich bin sicher, es wird klappen. :yes:

Baustelle02Baustelle03

Einzig die momentan in dieser Rumpelkammer herum irrenden Touristen tun mir leid. In Abwesenheit von Schildern, die darauf hinweisen würden, dass es sich hierbei um Botox für Delhi handelt, könnten diese armen Reisenden ja meinen, Delhi würde immer so aussehen. Die katastrophalen Kaffeeklatschgeschichten bei der Rückkehr ins gebügelte und gefaltete Europa kann man sich ja vorstellen! 😉

Ich finde den vorherrschenden Aktionismus durchaus anspornend. Wie ein Leser zu einem früheren Beitrag schrieb: vielleicht täte ein Vorzeigeprojekt wie die Commonwealthspiele Mumbai auch mal gut. Hätte. Täte. Täterätätä. :wave:

Update: September 2001

Oh du wunderbarer Optimismus, wie dumm du doch bist. Delhi ist nach wie vor ein Trümmerfeld. Schlimmer als jemals zuvor. Kaum eins der Projekte für die Commonwealthspiele ist fertig, weder die Stadien noch die Unterkünfte für die Spieler noch die infrastrukturellen Projekte. Nichts. Chaos. Staub. Korruption. Anschuldigungen. Schamesröte. Momentan gibt es alles, aber keinen Erfolg. Wir werden das Ereignis weiter verfolgen. Alle Beiträge dazu findet ihr unter dem Tag Commonwealth Games Delhi.

Dem Himmel so nah

Der stinknormale Fußgänger ist meist ein zweibeiniger Geselle, der aus verschiedenen Gründen dem Gebrauch eines auf Rädern befestigenden Mobils entsagt hat. Üblicherweise trifft man ihn auf dem sogenannten Fußweg. Nicht so in Mumbai. Die Ursache für diese Abnormalität muss man in der Beschaffenheit der Fußwege suchen. Handelt es sich um Fußwege, die nicht gerade aufgebuddelt, kaputt oder anderweitig unwegbar gemacht worden sind, so sind sie vermutlich bereits besetzt: von Händlern. Von Baumaterial für angrenzende Baustellen oder einfach „für später“. Von Müll in unüberwindbaren Mengen. Von Bewohnern, die dort leben, kochen, schlafen und einfach nur sitzen/liegen. Oder von parkenden Pkws und Mopeds.

Was tun? :??: Millionen Fußgänger überschwemmen nun die Straßen und hopsen vollkommen unbeeindruckt vor legitimen (sprich: motorisierten) Verkehrsteilnehmern herum!

Unsere Freunde von der Stadtplanung Mumbai sind …. na ja, unsere Freunde halt. Die Freunde des normalen Bürgers, dessen Pendellei im Local Train ihm die Zeit raubt, um sich mit den wirklich wichtigen Dingen seiner urbanen Existenz zu befassen: Wo soll der vermaledeite Fußgänger laufen?

In einem Moment Drogen-bedingter Euphorie entschieden die Stadtplaner, dass, wenn der Fußgänger nicht auf dem Fußweg laufen kann, sich aber weiterhin schändlich dem motorisierten Verkehr verweigert, er eben woanders laufen muss. :yes: Und, da Fußgänger in Indien sowieso gefährlich leben, rücken wir sie dem Himmel noch ein Stück näher, als sie eh schon sind: auf einem sog. Skywalk.

himmel so nah

Ein Skywalk ist eine massive Stahlkonstruktion auf noch massiveren Betonpfeilern, welche die Landschaft zerschneidet. Je nachdem, wo Platz ist, verläuft so ein Skywalk schon mal in der Mitte der Straße – also da, wo man mal ne Metro auf Stelzen bauen könnte wo sinnlos ungenutzter Luftplatz herumlungert. Ein Skywalk ist nicht zu verwechseln mit einer normalen Fußgängerbrücke, die diese zarte Gestalt vor den nach plastischer Chirurgie oder u.U. gar dem Leichenhaus rufenden Zusammenprall mit schwergewichtigen Verkehrsteilnehmern schützen soll. Ein Skywalk ist wirklich dazu gedacht, den Fußgänger für die längstmögliche Zeit vom Boden der Tatsachen zu entrücken.

Die Konstruktion eines solchen Skywalks kostet nicht nur Millionen in Schmiergeldern Material- und Arbeitskosten, sondern sie dauert auch mal ein Jahr. Oder zwei. Oder so. Das Bild der Zerstörung Bauarbeiten kann sich so ins Gedächtnis der Anwohner einfräsen, bis diese vergessen haben, wie es vorher mal aussah.

Ein solches Monstrum stadtplantechnischen Versagens wird nun schon ewig und drei Tage in Borivali gebaut. :yawn: Und damit wir vor Vorfreude nicht alle hohen Blutdruck entwickeln, ist dieser Skywalk auch so richtig schön sinnlos. Wir müssen also nicht hoffen, dass die Bauarbeiten schneller vorangehen. :no:
Dieser Skywalk verläuft ca. einen Kilometer parallel zur Hauptstraße und zur Bahnschiene und biegt dann in einige Seitenstraßen ab, bis er ein paar hundert Meter weiter endlich aushaucht. Wir können nur vermuten, welch vermurkster Geistesblitz dahinter steckt? Vermutlich die Annahme, dass die Millionen Fußgänger, die täglich ganztägig die Straße rund um den Borivali Bahnhof in ein verhasstes Chaos verwandeln, nach Fertigstellung des Skywalks sich auf selbigen verziehen und nie mehr gesehen waren.

Wieso sollte der indische Fußgänger so reagieren? Er ist zu faul, Fußgängerbrücken zu nutzen und überquert einen achtspurigen Highway lieber so, weil er dann zwar 20min lang sein Leben riskiert, wenn er von Spur zu Spur springt, aber 500m weniger laufen muss. Dieser Fußgänger soll hunderte Meter lang auf einer Stahlbrücke entlang laufen? :crazy:

Das echte Problem liegt wie immer ganz woanders begraben. Würden keine Obst- und Gemüsehändler auf dem Gehweg sitzen, könnte man dort laufen. Aber sie sitzen da. Also kann man nicht mehr dort laufen. Man läuft auf der Straße. Da man aber Obst und Gemüse braucht, diese Gemüsehändler aber so praktisch vor der Nase sitzen, kann man ja auch gleich dort welches kaufen. Und schon bilden sich Trauben von Menschen. Mopeds, Autos usw. werden geparkt, um mal schnell ein Kilo Äpfel (für momentan unglaubliche 160Rupien/kg) zu kaufen. Der restliche Verkehr muss einen Bogen fahren, welcher das Reißverschlussprinzip verlangt, welches widerum darauf beruht, dass man jemanden vor sich einfädeln lässt, was kein Inder freiwillig erlauben würde. Stau.

Aber unsere Freunde von der Stadtverwaltung können keine so lange Kausalketten bilden. Das muss zackiger gehen. Fußgänger – Skywalk. Fertig. Sollten wir noch hier leben, wenn das Ding jemals fertig ist, werde ich persönlich mal die Treppen nach ganz oben steigen. :yes: Bis dahin können wir ja weiter lästern. :>

Ein fertiger Skywalk im Stadtteil Bandra: Fotolink.

Wohin mit Mumbais Slums?

Beachtliche 55% der Bevölkerung Mumbais wohnen in Slums (Quelle: SRA – Slum Rehabilitation Authority). Beim Landeanflug auf Mumbai sieht man diesen graubraunen Knüpfteppich aus schlottrigen Backsteinbaracken und jeder Menge Wellblech. Schön sieht das nicht aus. :no: Selbst beim Blick aus dem 20. oder 30. oder 40. Stock des Millionen-Euro-Apartments in der Innenstadt kann man den Slums nicht entkommen. Schön sieht das nicht aus. :no:
Wäre es nicht herrlich, wenn man diese ähstetischen Patzer aufräumen könnte?

slum01

1995 wurde die SRA ins Leben gerufen, um bei der Planung und Koordinierung der Slumrehabilitationsprogramme (im Kreis Mumbai) alle Fäden in der Hand zu halten. Die SRA ist verantwortlich für die Analyse der existierenden Slums, für die Formulierung neuer Programme, für die Ausführung derselben und dafür, dass alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden.

Grob skizziert sieht das Rehabilitationsprogramm in etwa so aus: Alle bis 1995 bestehenden Slums fallen in das Programm und können sich in dessen Rahmen bewerben (weitere Kriterien bestehen, s.u.). Dazu müssen mindestens 70% der Bewohner eine „Co-operative Housing Society“ gründen, was prinzipiell heißt, 70% der Bewohner eines Slumabschnittes müssen dem Programm zustimmen. Der Slum wird abgerissen, während die Bewohner in einem Transitcamp wohnen. Das Transitcamp wird vom Bauunternehmen spendiert. Nebenkosen wie Strom und Wasser müssen von den Bewohnern getragen werden.
Das gewonnene Land wird zweigeteilt: 50% fallen an die Slumbewohner. Das (private) Bauunternehmen konstruiert darauf kostenlose Wohnungen für die Slumbewohner. Jede Familie qualifiziert sich für eine ca. 20m² große Wohnung unabhängig davon, wie groß ihre Slumwohnung war. Die Siedlung muss ebenfalls ein Büro für die Hausgemeinschaft, eine Einrichtung für Kinderbetreuung und ein Wohlfahrtszentrum aufweisen, für dessen Konstruktion die Baufirma verantwortlich ist. Die restlichen 50% des aus dem Abriss des Slums gewonnenen Landes fällt an das Bauunternehmen, das darauf Wohnungen bauen darf, die danach auf dem freien Markt zu Profiten verkauft werden können. Zahl und Größe dieser Wohnungen dürfen Zahl und Größe der kostenlosen Wohnungen nicht übersteigen.

Die kostenlosen Wohnungen für die Slumbewohner werden also nicht vom Staat finanziert, sondern indirekt durch das Bauunternehmen, das die Kosten für die Gratiswohnungen durch den Verkauf anderer Wohnungseinheiten auf demselben Grundstück ausbügeln kann.

Klingt theoretisch ganz gut.

slum05
slum04
Faszinierend, wie aus dem Schotter passable Wohnungen herauswachsen?

Praktisch will natürlich kaum jemand neben Slumbewohnern, wenn auch ehemaligen, wohnen. Oder auf demselben Grundstück. Vielleicht noch Wand an Wand. U-( Der Verkauf von Wohnungen auf ehemaligem Slumgrundstück ist für die Bauunternehmen darum weniger lukrativ als erwünscht. Es ist einer der Gründe dafür, weswegen das Rehabilitationsprogramm weit weniger erfolgreich ist als ursprünglich geplant. Zur Zeit wird an 900 Einheiten gebaut. Geplant und zur Genehmigung vorgelegte Einheiten: weitere 1100.

Und dann gibt es da noch die bösen Zungen. Besonders Mittelklassefamilien finden es nämlich überhaupt nicht so brillant, dass die Slumbewohner von nebenan plötzlich kostenlose Wohnungen in extrem teuren Gegenden (z.B. Südmumbai) erhalten, während sie selbst in die Röhre gucken. Immerhin sind Grundstückspreise in Mumbai auf ein derart hohes Niveau geklettert, dass eine Eigentumswohnung selbst in Vororten der Stadt weit außerhalb der Reichweite der meisten Mittelklassefamilien liegt. Da kommt böses Blut auf. Immerhin, so das Argument, kommen die Slumfamilien aus ganz Indien nach Mumbai, bauen ihre illegalen Quartiere auf und werden dafür mit einer kostenlosen Wohnung „belohnt“, so fern ihre Namen vor dem 1. Januar 1995 in den Wählerlisten auftauchten.

slum02

Asiens zweitgrößter Slum, Dharavi, beherbergt derzeit circa 1 Million Menschen. Um diesen großen Stinkefleck, der immerhin 857 Morgen (oder 2,1km²) Premiumgrundbesitz blockiert, aus Mumbais Herz zu entfernen, wurde ein Entwicklungsprogramm komponiert, dessen Ausführung $2,1 Milliarden kosten soll – finanziert von privaten Unternehmen. (Quelle: BBC) 70.000 Apartments (in je 7stöckigen Wohnblöcken) zu je 20m² sollen circa 57.000 von Dharavis Familien beherbergen. Zusätzlich fallen natürlich wieder große Kuchenstücke für die Baufirmen ab. Das Prinzip folgt dem Programm der SRA.

Nicht-verschmutzende Industrien sollen erhalten bzw. übernommen werden. Dharavi beherbergt 15.000 Fabriken, die erstaunliches leisten. Jährlich 650 Millionan US$ Umsatz beispielsweise. Und gelegentlich eine kleine Aufstiegsgeschichte, wie der Erfolg von Mr. Kadam, der in einem Bericht des Economist erwähnt wird. (siehe Linkliste)

Dharavi
Die grüne Linie markiert Dharavi. Der Abstand zwischen den roten Punkten beträgt 1,75km. Dharavi liegt zwischen der Western Line und Central Line – den beiden Local Train Bahnstrecken, und wird von sechs Haltestellen eingekapselt.

Dharavis derzeitige Bewohner freuen sich nicht. Sie sehen ihre Existenz bedroht, denn der neue Entwicklungsplan folgt nicht denselben Linien wie die bisherigen Strukturen, die den Bedürfnissen (und täglichen Arbeiten) der Slumbewohner angepasst sind. Die Wohnungsgröße wird bemängelt. Das Layout wird bemängelt. Der Wegfall von „verschmutzenden“ Industrien wird bemängelt. Und der Zerfall von verschachtelten sozialen Strukturen wird ebenso bemängelt.

slum03

Zusätzlich werden sämtliche Programme der SRA von Korruption (bzw. dem Verdacht der Korruption) verfolgt. Wie so ziemlich alle Sozialprogramme Indiens. Die großen Wahlversprechen der Shiv Sena, 500.000 Rehabilitationswohnungen zu bauen (später haben sie das auf 50.000 runterkorrigiert) wurden selbstverständlich nicht erfüllt. Wo die Programme der SRA landen werden, zu welchem Kuddelmuddel sie führen werden, etc. wird sich zeigen müssen.
Ich stehe der Idee skeptisch gegenüber. Pauschal kostenlose Wohnungen zu vergeben, halte ich nicht für den richtigen Weg, auch wenn er von vielen Seiten als der einzige Weg gesehen wird, an die große Grundstückstorte zu gelangen, die unter Dharavi – einem ehemaligen Mangrovenwald übrigens – verborgen liegt.

Externe Links:
Mega-Slums der Welt
Eine Karte der 30 größten Slums der Welt nach Mike Davis.

Ein florierender Slum
Artikel von The Economist (19. Dezember 2007)

Artikel von National Geographic
Englisch
Deutsch

„Dharavi“ – Film mit Om Puri und Shabana Azmi über einen in Dharavi lebenden Taxifahrer (1992)
Filmkritik

Schattenstadt“ – englischer Blogbeitrag bei Trivial Matters mit jeder Menge Fotos (März 2006)

„Finding a better future for Dharavi“
Alternative Ideen für Dharavi, Monash University

„Wo das Elend kreativ verwaltet wird“
Deutscher Artikel im Südwind Magazin

Schwimmflügel eingepackt?

November findet in Delhi relativ zeitig statt: nämlich im Februar. Der Himmel ist grau in grau, es gießt wie aus Kübeln, und die Stimmung ist Ganz Unten.

Seit Samstag geht das nun schon so. Am Sonntag hat es in Gurgaon sogar kurz gehagelt 8| , und am Ende wars mal wieder Zeit fürs Schlauchboot:

Rain04

Rain05
Badelatschen vergessen?

Rain07

Nach mir die Sintflut! Selbstverständlich ist Gurgaon keine Hightech-City, wie man das manchmal so liest. Das geht auch gar nicht, denn schließlich heißt Gurgaon immer noch „Jaggery Village“ oder Zuckerdorf. Ein paar blau schimmernde Glasfassaden im Morast der Zeit.
Der Rest ist Schweigen das wütende Planschen ersoffener Mopeds.

Rain09

Cholera in Bangalore

Während Bangalore dauernd für seine vielen IT-Firmen gehypt wird, vermehren sich in der kollabierenden Infrastruktur die widerlichsten Krankheitserreger. Neben großen neuen Fassaden aus Glas und Stahl fließen modrige Rinnsale, in die im 5meter-Abstand gepinkelt wird. Und was haben wir jetzt davon? Cholera!

Wie jetzt? Cholera? Davon hab ich nur in Der Husar auf dem Dach was gehört, und das war 18hundertnochwas.

Inzwischen gibt es 3 bestätigte Fälle.

Neben Cholera wüten Fälle von Gastroenteritis. Über 30 Leute wurden in Bangalore bereits in Hospitäler eingeliefert. Viele von ihnen wurden laut Zeitungsberichten wieder entlassen. Das kann mehrere Ursachen haben: zum einen Fehlalarm oder der Patient kann nicht zahlen. Bei Unfällen zum Beispiel braucht man sich gar nicht die Mühe zu machen, einen Verletzten ins nächste Krankenhaus zu bringen, wenn dieser nicht zahlungsfähig aussieht. Viele Krankenhäuser weisen Unfallopfer ab, auch dann, wenn diese in Lebensgefahr schweben.

Aber das nur so nebenbei: Im Moment gibt es nur eine Regel, und die heißt: Was nicht abgepackt ist, wird nicht gegessen oder getrunken.

verkERSTER in Indien

Es wurde bereits viel zum Thema Straßenverkehr in Indien geschrieben: schauerliche Geschichten über notorische Huper, heilige Kühe auf der Straßenmitte, halsbrecherische Busfahrten und so weiter. Und trotzdem ist der Indienreisende stets aufs Neue überwältigt. Der angehende Tourist glaubt sich bestens vorbereitet, nachdem er das gesamte Internetarchiv bezüglich des Durcheinanders auf indischen Straßen durchgelesen hat, und trotzdem wird er von der ersten Welle des infrastrukturellen Anarchismus hinweggefegt und verspricht sich insgeheim, nie wieder über deutsche Autobahnen zu meckern.

Entgegen allgemeinen Annahmen gibt es in Indien wirklich Verkehrsregeln. Leider gibt es niemanden, der deren mächtig wäre, und selbst wenn man weiß, was man eigentlich tun müsste, wird man es uneigentlich nicht tun, weil man schlichtweg nicht kann.

Hobby: parken

Die arteriellen Straßen Bangalores sind noch angenehm breit -– theoretisch. Tatsächlich parken am linken Fahrbahnrand Autos, Laster, Gemüseverkäufer etc. In Abwesenheit funktionaler Fußwege verfrachtet sich die nicht unerhebliche Zahl der Fußgänger auf die Straße.
Obwohl die rechte Bahn für den „schnellen“ Verkehr gedacht ist, fährt jeder dort, weil links einfach kein Platz ist. Man könnte ja links fahren und dann immer ausweichen, wenn ein Objekt im Weg parkt, aber im Gewühl indischer Straßen ist das kaum durchführbar und sehr gefährlich. Es wird geschnitten, was das Zeug hält, so dass man nicht nur auf sich selbst aufpassen muss, sondern auch noch erahnen muss, was die Leute vor, hinter, und neben einem womöglich tun könnten. Da Blinker und Stoplichter selten benutzt werden, muss man schnell reagieren, wenn das Moped vor einem plötzlich scharf abbremst (Warum auch immer?), wenn der Laster rechts neben dir mal eben links abbiegen will und wenn unentwegt Fahrzeuge aus den Seitenstraßen ohne zu schauen im großen Bogen in die Hauptstraße münden.

Bushaltestellen liegen in Indien generell unmittelbar an Kreuzungen, entweder vor oder nach der Ampel. Endlich ist es grün (die Wartezeiten an einer besonders feierlichen Kreuzung liegen bei 200 Sekunden!) und die drei Busse vor dir rangeln um die besten Plätze an der Haltestelle. Das ist nie neben dem Bushäusel, sondern hundert Meter davor oder danach, weswegen die Bushäusel meist sauber weil verwaist dastehen. Auch fahren die Busse nicht an den Straßenrand sondern halten irgendwo zwischen einem und drei Metern vom Fahrbahnrand entfernt an. Der aufmerksame Leser hat es schon geahnt: dann ist die Straße natürlich verstopft und der gesamte Verkehr staut sich auf, während es noch grün ist….

Die Fahrtrichtung ist ganz offiziell links. Aber wenn auf der Gegenfahrbahn mehr Platz ist als auf deiner eigenen, dann kannst du schon mal wechseln. Besonders an Ampeln macht es keinen Spaß, wenn man hinten steht. Alle Inder wollen immer Erster sein, weswegen sich der Verkehr üblicherweise verkeilt. In 200 Sekunden wird man schon mal ungeduldig. Um die Leute davon abzuhalten, auf der Gegenfahrbahn zu parken, gibt es Mittelleitplanken: Es gibt Metallzäune, Steinblöcke, Plastikkübel, oder Schotter.
Nur muss dieser sog. Median auch lang genug sein (also vielleicht 20m), denn sonst beginnen die Leute sich auch auf der Gegenfahrbahn anzustellen oder, sobald grün ist, dort zu fahren.

Überholen darf man immer, wenn man glaubst, dass der Gegenverkehr maximal so weit entfernt ist, wie man mindestens Platz braucht, um heil an dem Sonntagsfahrer vor einem vorbei zu kommen.
Laster schreiben gern in großen, bunten Lettern „Horn Please“ oder „Horn Ok Please“ an ihr Hinterteil. Auf dem Highway ergibt das Sinn, denn dann hupt man und die Teile bewegen sich auf die linke Seite. Warum sie nicht gleich dort fahren, soll hier nicht erläutert werden. Aber im Stadtverkehr kann man sich die Finger wundhupen: Laster und Busse müssen einfach links überholt werden, sonst kommt man nicht vorbei, weil sie nie Platz machen.

Ampeln sind das einzige Medium, das wirklich interessiert. Schilder oder ähnliches werden als hübsche Deko angesehen und weitestgehend ignoriert.
An roten Ampeln muss man nur anhalten, wenn der Gegenverkehr schon auf der Kreuzungsmitte ist, sonst kann man noch drüberbrettern.
Wenn die Ampeln wegen einem der üblichen Stromausfälle schweigen, müssen sich die Verkehrspolizisten in Action schmeißen. Das resultiert üblicherweise in Staus, denn die Inder haben überhaupt keinen Respekt vor Polizisten. Was macht der Hampelmann denn da vorn? Mir egal, ich fahr mal eben.

Jeder hat immer Vorfahrt, besonders LkWs, Busse, schnelle Autos, große Autos, kleine Autos, laute Autos, gewiefte Rickshaws flinke Mopedfahrer, suizidgefährdete Motorradfahrer, selbstvergessene Fahrradfahrer, diese elenden Pushcart-Verkäufer und alle anderen auch.

Suizidgefährdete Fußgänger

Fußgänger sind diese Wesen, die permanent die Straßenseite wechseln. Sie sind generell lebensmüde. Erst heute hätten wir einen Kandidaten beinahe überfahren, aber wir haben zu langsam reagiert und ihn verfehlt.

Wenn man unglücklicherweise jemanden in Indien überfährt, gibt es nur eins: Renn, so schnell du kannst! – Fahrerflucht ist ein ungeschriebenes Gesetz. Das ist nicht so, weil die Menschen hier keine Werte haben, sondern weil der Mob den Schuldigen meist verprügelt, manchmal sogar erschlägt, die Fahrzeuge in Brand setzt usw. Schuldig ist dabei entweder der Größere oder der Reichere. Wenn ein Fußgänger vor einen Bus springt, wird der Mob dem Busfahrer an die Gurgel gehen, obwohl er absolut unschuldig ist. Wenn ein Truck einen Sedan rammt, dann ist es selbstredend der Yuppie, der vom Mob beschuldigt wird.

Im vollgetopften Indien ist es natürlich problematisch, die ganzen Leute zu transportieren. Busse sind manchmal so voll, dass eine Traube an den Einstiegstüren hängt und sich der Bus gefährlich gen links neigt. Viele private Busse haben hinten eine Leiter angebracht, so dass zusätzliche Fahrgäste aufs Dach ausweichen können. Schülerrickshaws können täglich vollgestopft mit Kindern gesichtet werden, die links und rechts aus dem Gefährt herausquellen. Ladeflächen diverser Transporter beherbergen Arbeiter und auch normale Mopeds können zum Massentransportmittel umfunktioniert werden. Mit viel Geschick passt da die ganze, kinderreiche Familie drauf. Der Rekord, den ich persönlich miterleben durfte, liegt bisher bei 6 Personen auf einem Moped (Eltern und vier Kinder).

Dieses komplexe Regelwerk ist auch der Grund dafür, weswegen ich hier nicht fahren kann. Unglücklicherweise habe ich nur zwei Augen und ein Hirn –- selbstverständlich nicht genug, um den Verkehr hier zu bewältigen. Denn das muss man den Indern lassen – ihre Reflexe im Verkehr sind sensationell, ihr Rundumblick beeindruckend.
Ich werde mich auch nie an dieses Chaos gewöhnen. Besonders die vielen Tiere auf der Straße sind ein Aufreger. Die Kühe sind auch alles andere als heilig, und dass sie nicht überfahren werden, liegt wohl eher an ihrer Größe und den Beulen, die so eine Kollision am eigenen Fahrzeug hinterlassen würde, als an der Stellung dieses Viehzeugs in der hinduistischen Mythologie. Hunde und anderes Getier oder Menschen werden hingegen hemmungslos niedergemäht. Es vergeht kaum ein Tag, an dem mal keiner im verrückten Verkehr in Bangalore gestorben ist. Dabei sollte man sich vor Augen halten, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit hier bei 30km/h liegt, nicht bei 130 auf einer deutschen Autobahn.

Super Idee!

Die Verantwortlichen für die inspirierende Infrastruktur Bangalores haben die ständigen Beschwerden der Einwohner satt. Klar, man denkt schon manchmal, dass man im kleinen Fischerboot auf hohen Wellen reitet, wenn man gemächlich durch die Straßen dieser beflügelnden Stadt rudert – aber muss man den Verantwortlichen deswegen gleich auf der Tasche liegen?

Eben! dachten sich die Verantwortlichen, und haben sich was ganz neues ausgedacht: Der Countdown läuft, und in Zukunft wird es „Schlaglochfreie Zonen“ in Bangalore geben. Das heißt, dass in diesen Zonen kein einziges Schlagloch zu finden sein wird. Und wenn doch, dann darf man das melden und sich als Belohnung für die Detektivarbeit 100 Rupien bei den Verantwortlichen abholen. Dabei sollte angemerkt werden, dass die Verantwortlichen nur für diese geniale Idee aber nicht fürs Bezahlen verantwortlich sind. Diese eher nachteilige Verantwortung wurde den Ingenieuren übertragen. Das heißt, die 100 Rupien werden dann jeweils von deren Gehalt abgezogen.

Meine Analyse dieser Idee:
Die Ingenieure ziehen derweil in den örtlichen Slum um, weil sie sich demnächst ihre Wohnung nicht mehr leisten können.

Ich habe mein Studium bereits an den Nagel gehängt, und Rahul reicht am Montag seine Kündigung ein, denn in Zukunft fahren wir mal ein bisschen in Bangalore rum, dokumentieren die Schlaglöcher und holen uns dann unseren wohlverdienten Scheck ab.

Wir haben uns bereits einen Termin zum Probefahren der S-Klasse geben lassen und schauen uns morgen Modellapartments an, denn wenn die Rupie erst mal rollt, dürfte die Abbezahlung dieser kleinen Annehmlichkeiten kein Problem mehr darstellen.

Ich finds toll, dass sich die Verantwortlichen endlich mal was ausgedacht haben, was wirklich funktionieren wird. :))

Busgeschichten (Rajasthan 4)

Pushkar. Eine Runde um den See sowie ein mittelmäßiges Mittagessen später stellte sich uns die Frage, wie wir wieder zurück nach Ajmer kommen sollten. Wir entscheiden uns fix für den Bus. An dieser Stelle begann die abgefahrenste Buseinstiegsgeschichte unserer gesamten Reise!

Ruhige Busfahrt

Eine enorme – für Indien allerdings durchschnittliche – Menschenansammlung lümmelte an der Bushaltestelle herum. Man merkte gleich: Per Bus reist der waschechte Inder. :yes: Die Mittelklasse fuhr im eigenen Maruti 800 weiter; die Touristen ließen sich im klimatisierten Toyota Qualis Taxi chauffieren. Die gutbetuchten Inder kamen gar nicht erst nach Pushkar.

Plötzlich tauchte der Bus auf – die Köpfe der bis dato im Halbschlaf versunkenen Wartenden schnellten in Richtung Bus, und innerhalb von Sekunden sah man einen Großteil der Leute losstiefeln. Sie rannten um ihr Leben, so schien es! So ein Quatsch, natürlich rannten sie lediglich um einen Sitzplatz. 😉

Als der Busfahrer die Meute auf sich zustürzen sah, hielt er kurzerhand an – auf halbem Weg zur Haltestelle. Der Mob umzingelte den Bus. Wohlgemerkt saßen da noch Leute drin – nämlich die, die aus Ajmer ins ruhige, besinnliche Pushkar gekommen waren. Von da an erkannte man nur noch ein Gewühl um den Bus, als sich die Insassen aus der Tür quetschten, zu der sich die neuen Fahrgäste zeitgleich hineinzwängten.
(Fahrkarten wurden schon zuvor am Schalter gekauft, damit man sich voll und ganz auf den Ellbogenkampf konzentrieren kann.)

Zurück ins Getümmel:
Während sich die Menschen gegenseitig kloppten, kletterte auf der anderen Seite ein Mann zum Fenster hinein in den Bus. Dann beobachten wir, wie allerhand Gepäck und zum Schluss ein Kind (!) durch dasselbe Fenster verfrachtet wurden.

Hm!

Da wir unsicher waren, wie man sich in so einer Situation verhält, näherten wir uns langsam dem Bus. Der Nahkampf schien beendet zu sein, und wir kamen ohne große Blessuren in den Bus hinein und erhielten sogar noch einen Platz: 20cm für Rahuls linke Pobacke, 20cm für meine rechte. Hätten wir diesen „Platz“ nicht genommen – jemand anders wäre weniger zimperlich gewesen.

Als die heilige Stadt Pushkar wieder langsam zur Normalität zurückkehrte, legte der Busfahrer den Gang ein und fuhr – zur Haltestelle! Das ist da, wo eigentlich zuerst die Insassen unbehelligt aussteigen und danach die neuen Fahrgäste zivilisiert einsteigen sollten.

Stichwort: Gepäck.

Was transportiert man denn normalerweise im Bus? Eine Einkaufstasche vom Aldi voller Ritter Sport (Alpenmilch) und Broccoli (für leckeres Broccoli-Hühnchen mit grünem Pfeffer).

Wir sind ja hier in Indien, wos keinen Aldi gibt (über diesen Notstand, dem die Weltbank endlich mal Abhilfe schaffen sollte, hab ich ja bereits berichtet).
Während wir unseren Pobackenbalanceakt vollführten, schweiften unsere Augen durch den Bus. Allerhand Gepäck stapelte sich da. Die Ablage über den Köpfen war gerammelt voll. Ein alter Mann hatte einen großen Jutesack voller alter Tiffins (das sind die übereinander schichtbaren Metallbehälter, in denen Essen aufbewahrt wird). Auch Holz im Beutel wurde transportieren. Und natürlich jede Menge Kinder.

Etepete waren die Leute auch nicht. Ich denke, wenn man daran gewohnt ist, dass der eigene Körper permanent an anderen Unbekannten herumreibt, wundert man sich auch nicht mehr darüber. So kam es, dass eine junge Frau mit Kind in der linken Hand, Handtasche und einem Beutel voll ungekannten Materials in der rechten Hand, mit der sie sich auch noch an einer Stange festkrallte, einen Sitzplatz suchte. Auf der Bank vor mir saßen bereits drei Leute wie Frettchen zusammen, wo bequem nur Platz für 2 war. Die junge Frau (sichtlich müde), stubste die alte Frau auf der Bank an und Schwupp, quetschte sie sich bereits auf den Sitz, ohne auf Antwort zu warten. Die drei Frettchen quetschten sich näher zusammen, und schon saßen 4 Leute auf der Bank.

Indien – nix für Leute mit Platzangst!
Busfahrten – immer wieder schön!