Hochzeitsmarathon (4)

Wir erinnern uns: Ein Rudel aufgebretzelter Leute sitzt in einem ganz und gar nicht klimatisierten Bus auf dem Weg zu einer Hochzeit. Aber wo ist sie nur?
Unser Bus röchelte rund zwei Stunden durch den Verkehr; wir verfuhren uns zwei Mal :yes: und kamen erst nach 21:30Uhr im Hotel an. Wir kletterten in unseren bunten, zu diesem Zeitpunkt freilich saftig durchgeschwitzten Saris aus dem Bus, der nicht behindertengerecht war und dessen Bodenbrett einen gefühlten halben Meter vom Boden entfernt war. Eine wunderbare Gelegenheit also für filmreife In-die-Arme-des-Gatten-werf-Momente. 😳

Hatten wir uns erst einmal von diesem freien Fall erholt und unsere Saris und Frisuren zurechtgezupft, bekamen wir gesagt: Falsches Hotel. Zurück in den Bus!

Wartet mal kurz. Ich muss erst mal kurz :)):)):))

Meine deutsche Augenbraue begann zu zucken. Aber das machte nichts. Mich schockt man dieser Tage selten. Zurück in den Bus also, noch eine Runde durch die Stadt eiern und nachdem unser Bus einen gefährlichen Berg hochgeschnieft, dann wieder hinabgerollt und schließlich einen noch viel gefährlicher anmutenden Berg hinaufgehustet war, stiegen wir am richtigen Hotel aus. Geschafft! :wave:
S kletterte nun in seine Pferdekutsche. Die Barat begann und sollte für 45 lange, qualvoll laute Minuten nicht enden. Es wurde getanzt. Ein paar der Mamas zogen eine beachtliche Fahne hinter sich her. Eine alkoholische, meine ich. Mamas sind übrigens die Brüder der Mutter, also Onkel mütterlicherseits. Sie feigsten und lachten und tanzten, während sich die dröhnende, grelle Kolonne langsaaaaam vorwärts bewegte. Wir genossen in der Zwischenzeit die hübsche Landschaft und erkundeten das Hotel.

Die Träger der Lichter, die so einen Festumzug begleiten, waren an diesem Abend Frauen. Eine von ihnen war hochschwanger. Eine andere hatte ihren jungen Fratz auf dem Arm und den Kronleuchter auf dem Kopf. Sie waren alle zusammengekettet durch die Kabel der Lichter auf ihren Köpfen und beobachteten die tanzenden Frauen in ihrer festlichen Kleidung. Ich verfolgte diese Gedanken lieber nicht weiter.

Bevor S die Festwiese betreten konnte, fand eine Willkommenszeremonie statt, die von der ranghöchsten Frau der Brautfamilie durchgeführt wurde. Dazu äußere ich mich später noch genauer, denn (was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste) ich würde diese Zeremonie nur 24Stunden später selbst durchführen. Jawoll!
Wir warteten eher ungeduldig, denn nach einer inzwischen dreistündigen Odysee krochen wir auf dem Zahnfleisch: Wasser!

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Echter, weicher, grüner Rasen!

Die Fete selbst war angenehm. Es war natürlich bereits nach 22:30Uhr und die Festwiese verdächtig leer, denn viele der Gäste waren bereits gegangen. Eintausend Gäste sollen es gewesen sein. 8| Die Braut hielt sich wacker. Für das Paar hieß es für die nächsten Stunden, fröhlich lachend auf dem Podest auszuharren, Geschenke einzusammeln und Fotos von sich machen zu lassen, während wir erst einmal das leckere Buffet plünderten. Der alte, lüsterne Herr aus dem Wohnzimmer stellte mir immer noch nach und tauchte ständig sehr dicht neben mir auf. Wie unangenehm! Ich rannte im wahrsten Sinne jedes Mal davon, schließlich werde ich mich hüten, auf anderer Leute Hochzeit eine Szene zu machen, und gab mich einer Sünde nach der anderen hin: Jalebis mit Rabri zum Beispiel. Also frittierte, in Zuckersirup eingelegte Süßigkeiten mit Sahne. Umm!! 😳

Mit meinen güldenen Hacken versank ich derweil öfters im Rasen der Festwiese, so dass ich ständig meinen Schuh ausgraben musste, bis wir (die Clique um S) uns einfach barfuß auf die Wiese setzten und die schöne Nachtluft genossen, grüne Limo (schon wieder) tranken und überlegten, ob wir doch noch Nachschlag holen sollten. :yes: Ja, bitte! ;D

Doch die Zeit schritt unaufhörlich voran. Es wurde kühl auf dem Berg in Bhopal, von dem aus man die erleuchtete Stadt und den See sehen konnte. Die Kapelle hatte bereits um Mitternacht ihre Sachen gepackt. Und wir würden bald folgen, denn 2:15Uhr ging unser Zug zurück nach Delhi. Wir verabschiedeten uns 1:30Uhr (bevor die eigentliche Hochzeit stattgefunden hatte), zogen uns fix im Hotel um und hechteten zum Bahnhof, der mit Ratten, Kakerlaken, Kothaufen und etlichen auf dem Boden ausharrenden Reisenden zugepflastert war, wovon einer später beschloss, sich in meine Richtung zu werfen, so dass ich nur heiser „Rahul! Rahul!“ flüstern konnte. Der Bentley kümmerte sich dann um das unaufhaltsam auf mich zu stolpernde Problem. 😳

Unser Zug hatte Verspätung. 30 Minuten. Unsere Augen zogen sich zu. :yawn: Wir waren müde. :yawn: Es stank. Es war recht kühl geworden. Rahul legte sich auf eine Bank, stellte einen Alarm im Handy und schlief. :zz:
Ich konnte und wollte nicht schlafen aus Angst, nicht mehr aufstehen zu können. Wenn ich einmal schlafe, dann weckt mich nichts mehr auf. :lalala: Also lief ich auf dem Bahnsteig auf und ab, bis ich so müde war, dass ich mehrmals fast umkippte und mich dafür entschied, mich auf die Bank zu setzen, wo ich fortan mit wild auf dem Hals herumkullernden Kopf ausharrte.
Aus 30 Minuten war eine Stunde geworden und ich lauschte nervös den Durchsagen, ob es noch mehr werden würde, denn die große Zahl gestrandet aussehender Menschen ist darauf zurückzuführen, dass einige Züge satte 12 Stunden XX( Verspätung hatten!

3:20Uhr trudelte endlich der Rajdhani Express aus Chennai ein, lud uns auf und fuhr mit uns nach Delhi. Morgen das alles noch einmal! Und zwar in Teil 5.

Schon abgehakt:
Teil 1 „Verlobungsfeier ohne Braut“
Teil 2 „Mehendi & Ladies‘ Sangeet“
Teil 3 „Bhopal Express – Der Shaadi-Marathon“

8 Kommentare zu „Hochzeitsmarathon (4)

  1. Hallo Daniela,

    ich lese schon seit längerer Zeit dein Blog, deine „Geschichten“ und bin immer wieder fasziniert, wie du es schaffst, Indien so spannend zu präsentieren – nur weiter so!

    Viele Grüße
    Christopher

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  2. Hallo liebe Daniela,

    deine Berichte lesen sich so spannend u. ich finds so spannend daß ich nun kaum erwarten kann deinen Bericht Nr. 5 zu lesen.. Es ist eine Art Dokumentarreihe für mich.. Nur eben nicht im Fernsehen sondern hier geschrieben.

    Du schreibst so erfrischend herrlich, echt, ich muß manchmal lachen u. gleichzeitig stell ich mir dieses ganze Treiben so echt vor als ob ich in original dabei ständ u. dich einfach nur beobachte..(als kleine Maus irgendwo in der Ecke) Wie so ein Film der abläuft..
    Kannst du dir vorstellen mal ein Buch mit deinen ganzen Indien-Erlebnissen zu schreiben. Ein Buch ohne Ende..

    Gabs ja schon bei „Die unendliche Geschichte“. Es gab bei den einzelnen Geschichten nie ein Ende, eine Geschichte lief in die andere. Kein Vergleich zu der Verfilmung des Buches, das Buch ist einfach einmalig….

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  3. Oh, in Bhopal kann es schön sein… Ich kenne die Stadt nur aus den Nachrichten, wenn die Opfer des Chemieunglücks mal wieder einen Protestmarsch nach Delhi starten um endlich finanzielle Unterstützung zu erhalten, oder wenigstens sauberes Trinkwasser, so dass nicht immer mehr Kinder mit Defekten geboren werden, deshalb habe ich mir Bhopal immer als so eine Art Bitterfeld in den besten Zeiten vorgestellt…

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    1. Nein, man hat davon gar nichts gemerkt. Überall wird gebaut, neue Häuser, neue Geschäfte, etc. Es gibt auch einen neuen Bahnhof (nur fuhr unser Zug dort leider nicht durch) und Flughafen. Die Stadt sah auch sehr sauber aus – zumindest im Zentrum, was mich eher verwundert hat. Und der See im Stadtkerz war richtig malerisch. Besser als Hyderabad, wenn ich das mal kurz vergleiche. Aber um sich wirklich eine Meinung bilden zu können, müssten wir noch einmal hinfahren. Der erste Eindruck war jedenfalls positiv.

      LG
      Daniela

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  4. Der blaue Sari steht dir wunderbar.:yes:

    Haben alle Bräute ein Lippen – Piercing?
    Oder ist das ein geöffneter Ring, der an die Lippe gesteckt wird?

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