Ich schrieb es bereits an anderer Stelle: Kinderbetreuung für Kinder unter 18 Monaten findet in Indien mit raren Ausnahmen nur im Familienkreis statt. Öffentliche Einrichtungen dafür gibt es nicht. Doch wenn die magische Schallgrenze durchbrochen ist, sieht das schon anders aus: In den letzten Jahren sprossen Kindergärten und -krippen regelrecht aus dem Boden wie Pilze.
Das liegt daran, dass Familien auch in Indien gerade in Großstädten immer häufiger auf Kernfamilien reduziert werden. Immer mehr Frauen drängen zeitgleich auf den Arbeitsmarkt, und in Abwesenheit der Großfamilien wird Fremdbetreuung notwendig. Ein anderer Grund ist allerdings der, dass Familien in den Ballungszentren immer häufiger dem Druck obliegen, ihre Kinder immer früher und besser für „Den Ernst des Lebens“ zu trainieren. Schulen werden immer strenger in ihren Aufnahmekriterien. Die Anforderungen an die Kleinsten werden höher, und irgendwo müssen sie das ja lernen: das Zählen, die korrekte Aussprache, rudimentäres Schreiben. Gelehrt wird dies hier nicht in der ersten Klasse, sondern im Kindergarten.
Der Kindergarten wird als Bildungseinrichtung gesehen, nicht vorrangig als soziale Einrichtung, wo Kinder den Kontakt mit Gleichaltrigen bekommen, der für ihre Entwicklung unentbehrlich ist. (Wobei heute leider auch in Deutschland irrsinnige Dinge passieren wie Englisch im Kindergarten!)
Nun drängen so viele Eltern, besorgt um die Zukunft ihres Kindes, auf den Markt der Kindergärten, und diese Anfrage muss abgedeckt werden. Trotz dass es immer mehr Einrichtungen gibt, die immer wundersamere Methoden und Ziele anpreisen, die Sprösslinge in Genies zu verwandeln, hängt die verfügbare Zahl der KiTa-Plätze dem tatsächlichem Bedarf weit hinterher.
Wie weit, das kann man daran messen, dass exorbitante Summen für völlig lapidare Einrichtungen verlangt werden. Meine gute Freundin S. zum Beispiel befindet sich momentan in der absolut nicht beneidenswerten Situation, für ihre Tochter (25 Monate alt) einen solchen Platz zu ergattern. Sie war zum Vorstellungsgespräch für den dort für sie parat gehaltenen Schock gar nicht bereit: 20.000 Rupien pro Monat wird sie der Spaß kosten. Wir reden nicht von einer Eliteinstitution.
Das sind nach heutigem Kurs umgerechnet 300 Euro. Genug also, um – je nach Ort – eine mehrstündige Betreuung in Deutschland zu bezahlen. Einschließlich Essen.
Was bekommt meine Freundin für diese 20.000 Rupien geboten? – Zwei bis drei Stunden pro Tag Kinderbetreuung. Ohne Mahlzeiten. Zwischen 9 und 12Uhr.
Geschäftsidee? Kindergarten in Indien eröffnen.