Es spukt

Seltsame Dinge gehen vor sich. Es spukt! Durch die Adern unserer Wohnung fließt gruseliges Potenzial, dass sich Funken sprühend offenbart und dann die Umgebung in unnatürliche Dunkelheit taucht. Verhext! Und das nicht erst, seitdem das letzte Westpaket von der Deutschen Post mit Bibi Bloxberg verziert worden war. Es begann alles schon viel, viel früher…

Raus mit der Sprache, Daniela!

Unser Haus frisst Glühbirnen. Es saugt ihnen das Lebenselixier aus und lässt sie als kümmerliche, dysfunktionale Hüllen zurück. Nutzlos für uns. Mehr Schrott für die Umwelt.

Wie oft haben wir nicht schon die Birnen ausgewechselt und uns gefreut, dass wieder Licht wart. Doch unsere Freude währte häufig nicht lang. Zwei Tage. Manchmal drei. Dann gabs ein unheilvolles Flackern. Und Zisch. War wieder Dunkelheit, wo die Sonne nicht hinkommt. So schaltet es uns peu à peu das ganze Haus aus, bis wir wieder Kreaturen des Schattens sind. Wir müssen dann auf die in Indien so heiß geliebten Leuchtstoffröhren zurück fallen anstatt des goldigen Lichtes, bis wir es wieder zum Hardware Store geschafft haben, um neue Glühbirnen zu kaufen. Die halten dann auch wieder bloß paar Tage. Das ist doch nicht normal, oder?

Was tun? Offenbar stimmt was in unserem Haus nicht. So eine Art negative Glühbirnen-Aura? Ein Running Gag gesponsert von Greenpeace? Glühbirnen sind in Indien nicht verboten, und so oft, wie es unsere zerhaut, werde ich kaum 500% mehr bezahlen für Sparlampen, die dann auch bloß drei Tage halten. Ich bin nicht der Hardware-Store-Messias, auch wenn der sich inzwischen fragen muss, ob ich einen Glühbirnenhandel aufgemacht habe. :crazy:

Vielleicht denkt er ja auch bloß, ich spinne. Und dazu sag ich einfach mal gar nichts, sondern zeige euch, wie schön das wiederum sein kann:

Die spinnt doch

Der Dschungelfluch

— Eine Horrorgeschichte —

Nun denn, denkt sie sich, und stapft in Socken ins dunkle Schlafzimmer. Der einzige Lichtschein, der ihr den Weg weist, fällt aus dem Wohnzimmer herein. Sie wühlt gedankenverloren im Kleiderschrank herum, als ihr ein dunkler Fleck auf dem Bett auffällt. Ein Schatten. Ist das etwa…. Könnte das etwa? Langsam schleicht sie zurück und betätigt den Lichtschalter. Tatsächlich! Es ist eine —

Ein hamstergroßes Exemplar in Braun sitzt auf dem Bett, doch es will sich partout keine Tierliebe einstellen. Wehrlos steht sie da, in Socken, nicht mal ein Latsch am Fuß, um sofort einen Angriff zu starten. Sie tritt den Rückzug an, um in der Küche nach dem Giftcocktail zu suchen. Dieses oft benutzte Stück innig verehrten Inventars ist sofort griffbereit, und sie schleicht zurück ins Schlafzimmer. Selbstverständlich ist die — inzwischen hinter ein Kissen gekrabbelt. Ah, sie mögen Hitze und Kälte und atomare Angriffe überleben, aber das liegt sicherlich nicht an ihrer geistigen Überlegenheit. Ich seh dich!! Deine ekligen langen, in der Luft herumstochernden Fühler haben dich verraten! Sie sieht die —, zielt, und drückt ab.

Die — rennt quer übers Bett, gefolgt von einem zischenden Strahl Gift, das nicht wirklich tödlich zu sein scheint. Ihre Lungen sind dem Kollaps nah, sie verdreht die Augen, doch die — rennt mopsfidel die Vorhänge hoch. Wenn das so weitergeht, ist die Flasche leer, bevor das Vieh hops gegangen ist.

Die — fällt an der Rückseite des Vorhanges runter. Prima. Zwischen Bett und Wand. Es knistert verdächtig, es krabbelt. Die — ist noch am Leben. Sie hingegen nicht mehr lange, denn die Luftqualität hat sich in den letzten, furchtbaren Minuten dramatisch verschlechtert. Sie schaltet das Licht aus und verlässt den Raum, sprüht eine dicke Giftlinie über die Schwelle, legt ein Handtuch vor den Spalt unter der Tür und versucht, sich daran zu erinnern, dass sie eigentlich gerade Abendessen wollte. Lecker.

Sie hofft, die — ist nachher tot, damit jemand (nicht sie) sie wegräumen kann.

Als sie sich reichlich später aufs Sofa setzen möchte, den Teller in der Hand, sitzt da – wer wohl? Die fette Katze? Nein, eine kleine schlanke —. Die kleine Schwester, sozusagen! Geil. Einfach nur geil. Sie nimmt die Serviette und matscht die — darin breit. Notiz für später: Sofabezug waschen. Geil. Einfach nur geil.

Das Babyphon röchelt. Wie? Was? Wo? Sie geht gucken, und ihr ist so, als huscht etwas über die Wand. $#!% Das kann doch wohl nicht wahr sein! Sie rumst die Tür zu, setzt sich aufs Sofa (ein anderes) und isst ihr Hühnchen, weils so lecker schmeckt.

Später weist sie den Göttergatten, der pünktlich zur Geisterstunde nach Hause kommt, an, im Schlafzimmer nach der —leiche zu suchen. Nicht da. Wir gucken morgen früh noch mal. Jetzt schlafen wir erst mal den erholsamen Schlaf derer, die wissen, dass eine (hoffentlich) in den letzten Zuckungen liegende — im Nebenzimmer in einer Ecke herumliegt und vielleicht ein quicklebendiges Exemplar im eigenen Schlafzimmer die Wände abläuft. Geil. Einfach nur geil.

Bevor sie ins Bett klettert, das vorsorglich mit dem dunkelsten, sämtlichem Ungeziefer prima Schutz gewährenden Laken abgedeckt ist, möchte sie erst mal nach weiteren — gucken. Aller guten Dinge sind schließlich drei! Licht anschalten geht nicht, da wacht das Baby auf. Taschenlampe – verflixt. Liegt im Zimmer mit der —. Sie holt den Blackberry und sucht mit Hilfe des Displaylichts das Bett und die Wände ab. Nichts. Keine langen Fühler. Kein knackiger Panzer. Der Göttergatte verleihert die Augen. Das ist doch nicht IndiaTV! Da sind keine blinkenden Pfeile. Zur — hier entlang! Da sind nur Schatten. Fühler. Huschende Bewegungen.

Später, kurz vor dem Einschlafen, kann sie im fahlen Laternenlicht von draußen Schatten sehen. Oder doch nicht? Soll sie lieber die Augen zu machen? Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Oh, aber sie weiß, sie weiß!

– – – – –

Die tote Kakerlake wurde auch bei einer morgendlichen Möbelrückaktion nicht gefunden. Das ist uns schon mal passiert. Ob sie in einer Ritze sitzt … unter dem Schrank vielleicht? Haben die Ameisen sie vielleicht schon aufgefressen? Aber selbst wenn, die lassen den Panzer immer liegen. Oder lebt sie noch und brütet irgendwo?

Drunter und Drüber, Teil 2

Inzwischen haben wir uns etwas eingelebt. Statt des singenden, klingenden Fahrstuhls gibt es nun im Hintergrund die Intercom des ganzen Hauses, die in jeder Wohnung gleich und immer so verdammt nah klingt, dass ich erst einen prüfenden Blick auf das Türvideotelefon werfen muss, ob es bei uns oder den Nachbarn klingelt.

Socke hat schon gelernt, das neue Gefahrengeräusch richtig zu interpretieren, indem er ins Schlafzimmer türmt und wild an der Schranktür herumwerkelt, um hineinzuklettern. Denn er mag keine Besucher und das ist gut so, denn dann fällt es uns leichter, Socke als geheimen Mitbewohner zu halten.

Stichwort Nachbarn:
Die haben wir seit gestern. Das freut mich gar nicht. In den vergangenen zwei Jahren waren wir ohne Nachbarn sehr glücklich. Wir hatten weder in Delhi noch in unserer vorherigen Wohnung in Mumbai welche, was ich als entspannend empfand. Ich habe ganz vergessen, wie das ist, sich mit Nachbarn arrangieren zu müssen. In unserer vorherigen Wohnung standen durch einen segenreichen Umstand sogar die Wohnungen über und unter uns frei. Wir konnten Radau machen, so viel wir wollten.

Auch im Haus: Anständiges Fernsehen.
Indische Kabelfritzen sind so eine Art White Collar Verbrecher. Sie schalten regelmässig gute Kanäle ab und ersetzten sie durch Dinge wie God TV (muss ich nicht erklären, gibts inzwischen ja sogar in Deutschland) und India TV, und saugen einem dennoch das Geld aus der Tasche. Wobei… das ist nicht ganz fair meinerseits. Wir haben uns schon seit über einem halben Jahr geweigert, den Kabelfritzen zu bezahlen, und da das Indien ist, hat er uns das Fernsehen nicht abgeschalten sondern uns nur verflucht und mit unschönen Ausdrücken bedacht.
Puh, uns doch egal. Jetzt haben wir Airtel Digital TV, den bisher besten (und neuesten) Spieler im Bereich DTH (Direct To Home)-TV. Wer plant, sich eine Satschüssel zu kaufen, dem kann ich das nur empfehlen. Nicht so kindisch wie Tata, mehr Kanäle als Dish und billiger sowie ein besseres Userinterface als BigTV.

Wir haben nun auch bemerkt, was es heißt, in einer fast zu 100% christlichen Gegend zu residieren. Der kürzlich verpuffte Kindertag gab diversen Kolonien Anlass, eine Kinderdisco zu veranstalten. Es sangen außerdem Kinderchöre und es gab Veranstaltungen für Erwachsene, in denen gesungen, gepredigt und die ärmere Bevölkerungsschicht zumindest wörtlich bedacht wurde. Wenn das so weitergeht, kann ich bald alle Gospeln auswendig.
Aber egal: anders als soziale Aktivitäten diverser anderer Religionen sind diese netten Menschen a) nicht laut und b) 21:30Uhr ist Lichtaus. Kann ich mit leben.

Kürzlich war ich auf dem Dach und habe einen wunderschönen Sonnenaufgang fotografiert. Immerhin können wir von hier aus den Bergrücken des Nationalparks sehen, und genau dahinter ging die Sonne in gleißenden Rottönen auf. Wunderbar! Einstellen kann ich diese Fotos noch nicht, aber das wird schon…

Die Neue

Um unsere neue Bleibe haben wir hart gehandelt; vergangenen Donnerstag dann waren wir uns endlich einig und unterschrieben den Mietvertrag. Vier Tage später war der Umzug vollbracht. Wir sind da von der flinken Sorte und legen schon mal eine 18 stündige Schicht ein voller Kisten und Umzugsstaub, unterbrochen nur von ner Pizza. Zurück bleibt eine nagelneue, beinahe komplett eingerichtete Wohnung – und ein Berg blauer Flecken. Inzwischen eher grünlich-braun.

Wir wohnen immer noch in I.C. Colony, was uns besonders freut. Allerdings haben wir sowohl den Park als auch die stark befahrene Straße vor der Nase gegen eine dicht besiedelte, absolut ruhige Gasse eingetauscht. Von unseren Balkons im sechsten Stock sehen wir viele umliegende Häuser (bzw. meist nur deren Dächer), aber auch viel Grün. Buschige Palmenwedel strecken sich genau vor unseren Fenstern die Glieder, und die Wipfel schlanker Bäume mit plastikgrünen Blättern können wir beinahe anfassen, wenn wir uns über das Balkongeländer lehnen. Dort oben kämpfen Tauben und Krähen um die besten Plätze, und heute früh habe ich ein Streifenhörnchen beim Zweigspringen beobachtet: das flauschige Fell ganz nah.

Das hier ist Altstadt. Die Nachbarhäuser sind alle samt mächtig „alt“ – also um die 20 bis 30 Jahre. Wo heute unser Haus protzt, stand vor nicht all zu langer Zeit ein altes Haus, welches im Zuge des Redevelopmentplans für Mumbai abgerissen und neu aufgebaut wurde. Die Eigentümer des ehemaligen Gebäudes bekommen in den unteren Stockwerken jeweils kostenlose Wohnungen, während das Bauunternehmen seine Kosten durch den Verkauf zusätzlicher Wohnungen in den oberen Etagen abdeckt (und Gewinne einfährt). Im Platzmangel Mumbais enstehen auf diese Weise langsam aber stetig neue Wohnugen, und das Stadtbild wird verschönert. Es heißt aber auch, dass die Bebauung dichter und höher wird.

Das heißt, dass wir nun in einer sehr alten Gegend wohnen, in der es ruhig ist. Und gelassen. Wo sich Nachbarn ihr halbes Leben lang kennen. In einer verrückten Stadt wie Mumbai ist das viel wert.

Die Wohnung selbst ist eher von der kleinen Sorte, wenn ich an das stark komprimierte Wohnzimmer denke. (Zimmer gibt es nach wie vor drei.) Aber es ist gemütlich, und wir haben unseren Balkon bereits in eine kleine Dschungellandschaft mit viel Grün umgewandelt. Einige verschönernde Details wie Tonlampen fehlen noch…

Spontan fallen mir nur Vorteile ein, die unsere neue Bleibe zieren: Die Stille. Die relative Abgeschiedenheit, obwohl es zur Hauptstraße lediglich 5min braucht). Der Ausblick. Balkons, auf die man raustreten kann (Stichtwort: Nanobalkons) Zudem war die Wohnung teilweise möbliert. Eine nette Wechselsprechanlage, um sich ungebetene Gäste vom Leib zu halten. Da die Wohnung gen Norden und Osten öffnet, heizen sich die Zimmer auch nicht so unangenehm auf.

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Konferenz am Morgen

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Weniger berausschend hingegen ist der fehlende Telefonanschluss. Nachdem das Haus neu aufgebaut wurde, hat niemand neue Kabel verlegen lassen. Das heißt nun, dass es in jedem umliegenden Gebäude Teelfon gibt außer in unserem, und dass dies so bleibt, bis das Bauunteernehmen einen Antrag bei der staatlichen Telefongesellschaft MTNL stellt.
Wir müssen uns nun um eine Alternative kümmern. Viel kommt nicht in Frage:

1. Datacard

2. Internet vom Kabelfritzen (falls er das anbietet)

3. Privatanbieter (falls wir einen finden, der hier operiert)

Nützlich ist so ein Telefonanschluss nicht nur zum Quasseln, sondern allen voran läuft er auf unseren Namen und dient somit als Nachweis des Wohnsitzes. Die Stromrechnung, die in Indien auch als Wohnhaftbeleg gilt, läuft auf den Namen des Vermieters, und den Mietvertrag (der einem sicherlich als erstes in den Sinn kommt) haben wir nur als Kopie. Das Original liegt beim Vermieter. Mal sehen, was sich in dieser Hinsicht machen lässt…

Wenn alles gut geht, können wir hier stolze zwei Jahre wohnen. :yes:

Wo wohnen in Mumbai?

Wohnungssuchen hat mir weder in Bangalore noch in Delhi Spaß gemacht, doch wer konnte ahnen, dass es noch schlimmer geht? In Mumbai lernt man Worte und Situationen zu steigern, deren Steigerung seit Anbeginn der Zeit für unmöglich gehalten wurde. Hölle zum Beispiel. mad smileysBeziehungsweise handelt es sich nicht um eine Steigerung, sondern um einen stetigen Abgang. Da ist viel Platz nach unten.

Im Durchschnitt tummeln sich in Mumbai über 700 Fahrzeuge pro Kilometer Straße in Mumbai. Das hört sich nicht nur klaustrophobisch an. Das macht auch in der Praxis kaum Spaß. Eine Fahrt auf dem sog. Western Express Highway kann gut und gern mit 20km/h Durchschnittsgeschwindigkeit vonstatten gehen, wie uns das gestern passierte. Oder aber mit 13,6km/h, wie Bentley das manchesmal auf seinem Weg zur Arbeit über sich ergehen lassen muss. Kein Wunder, dass so viele Autos in Mumbai Plasmabildschirme eingebaut haben.
Ergo ist es ganz wichtig, sich möglichst nah am Arbeitsplatz anzusiedeln, damit man dem Teerterror entkommt.

Wo wohnen in Mumbai? – – Obwohl Mumbai so groß ist, fällt die Entscheidung relativ einfach und folgt dem Prinzip des Ausschlusses. Und schwuppdiwupp sind die meisten Wohngebiete Mumbais ausgeschlossen. unhappy smileys

Das Übel mit den Mietpreisen und welches Gesetz den Ruin Mumbais bedeutet hat, habe ich bereits hier besprochen.
Der Mietpreise wegen machten wir nur kurze Abstecher in die Traumgefilde wie Prabhadevi, wo eine Zweiraumwohnung an der Hauptverkehrsstraße für 25.000 Rupien zu haben ist. Spottbillig, sozusagen. Das unschuldige Wort Hauptverkehrsstraße bedeutet in diesem Zusammenhang eine vierspurige Straße um die Ecke des viel besuchten Siddivinayaktempels in einem Gebäude, das lauthals nach Abriss schrie.
Neue, größere Wohnungen auf der gegenüber liegenden Straßenseite in einem Wohnkomplex kosten dann schon 143.000 Rupien, und nebenan im Beau Monde wohnt wirklich nur dieselbe – zu Preisen von 450.000 Rupien. Monatlich. sad smileys

Ebenfalls günstig gelegen für Benlteys Arbeitsplatz ist der zentrale Vorort Sion, ein recht alter Stadtteil Mumbais.
Wir schauten uns ein Haus in einem Komplex mit Park an. Es war sauber, die Wände wurden neu gestrichen. Angesichts des 30cm breiten Streifens vor dem Fenster geriet ich ins Wanken: aufgefüllt mit Taubenkacke, einem zerbrochenem Schirm und diversem Abfall, sollte dieses kleine Becken wohl einen Balkon darstellen. Im Marklerjargon läuft das unter dem Wort „gemütlich“. Im Schlafzimmer dann überkamen uns Zweifel: Als wir im Türrahmen standen, berührte unsere Nasenspitze bereits die gegenüberliegende Wand. So viel Gemütlichkeit kann ja kein Mensch ertragen!

Und so gingen Prabhadevi und Sion als Möglichkeiten von uns. Dicht gefolgt von Mahim, Bandra und – letzten Sonntag – Santa Cruz. Wir fuhren hoffnungsvoll mit drei (!) Maklern auf dem Rücksitz nach Santa Cruz (East), um uns in Vakola und Kalina Wohnungen anzuschauen, die sogar ins Budget passten, doch dort wurden wir im ersten Haus so vom Schimmel umgarnt, dass ich auf den Rückweg nur noch niesen musste, und das zweite Haus bekamen wir erst gar nicht zu Gesicht, da die Zufahrtsstraße immer enger wurde, bis wir praktisch stecken blieben. Es gibt so viele Wege, einen Wohnungskandidaten auszuschalten. smileys

Die enormen Mietpreise treiben uns weiter und weiter gen Norden. Es geht ja schließlich nicht nur darum, ein Dach über dem Kopf zu haben. Es sollte möglichst auch nicht über einem zusammenbrechen, wie das so viele Häuser in Mumbai jedes Jahr während des Monsuns tun. Zwar gibt es extrem starke Schwankungen in den Preisen selbst innerhalb einer Lokalität, doch unter 70.000 bis 80.000 Rupien braucht man südlich von Bandra gar nicht anfangen zu suchen, darf aber nicht vergessen, dass das ein sehr begrenztes Budget ist.
Zum Zeitpunkt des Umzuges nutzte Bentley noch die Local Trains. Nördlich von Bandra ist es notwendig (oder zumindest vorteilhaft), wenn man im Einzugsgebiet eines Hauptbahnhofes wohnt (Andheri oder Borivali), da die Züge dazwischen zum Einsteigen zu voll sind. (Siehe Local Trains) Ganz Andheri ist dieser Tage dem Bau der Metro wegen ein Sumpf aus Bauschutt, Umleitungen, Vollsperrungen und dem Verkehrschaos, welches sich zwischendurch schlängelt, und wenn man nicht ganz nah am Bahnhof dran wohnt, fährt man gut und gern mal eine Stunde bis dahin, was sich ungünstig auf die täglichen Pendelzeiten auswirkt. 😛
Die Gegend um den Bahnhof ist allerdings so laut und verschmutzt, dass wir da eigentlich überhaupt nicht wohnen wollen, weswegen es uns wiederum nach Borivali verschlägt. Weit, weit weg vom Stadtzentrum. Weit, weit weg von Bentleys Arbeitsplatz. Ein unschöner Kompromiss.

Glagenfrist.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber eine Galgenfrist ist eine angenehme Sache, wenn es ums Umziehen geht. In einem Anfall von Großmut hat unser Vermieter vorgeschlagen, den Mietvertrag bis zum Ende der Regenzeit zu verlängern. Das war schon mal gut. :yes: Wir haben also noch bis mindestens September Zeit.

Rahul machte ihm dann „an offer he can’t refuse“. Der Vermieter wollte darüber schlafen. Bitte. Danke. Wir werden sehen.

Bis dahin heißt es erst mal noch bis Mitte/Ende September Home Sweet Home in I.C. Colony.

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Home Sweet Home

Wohin mit Mumbais Slums?

Beachtliche 55% der Bevölkerung Mumbais wohnen in Slums (Quelle: SRA – Slum Rehabilitation Authority). Beim Landeanflug auf Mumbai sieht man diesen graubraunen Knüpfteppich aus schlottrigen Backsteinbaracken und jeder Menge Wellblech. Schön sieht das nicht aus. :no: Selbst beim Blick aus dem 20. oder 30. oder 40. Stock des Millionen-Euro-Apartments in der Innenstadt kann man den Slums nicht entkommen. Schön sieht das nicht aus. :no:
Wäre es nicht herrlich, wenn man diese ähstetischen Patzer aufräumen könnte?

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1995 wurde die SRA ins Leben gerufen, um bei der Planung und Koordinierung der Slumrehabilitationsprogramme (im Kreis Mumbai) alle Fäden in der Hand zu halten. Die SRA ist verantwortlich für die Analyse der existierenden Slums, für die Formulierung neuer Programme, für die Ausführung derselben und dafür, dass alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden.

Grob skizziert sieht das Rehabilitationsprogramm in etwa so aus: Alle bis 1995 bestehenden Slums fallen in das Programm und können sich in dessen Rahmen bewerben (weitere Kriterien bestehen, s.u.). Dazu müssen mindestens 70% der Bewohner eine „Co-operative Housing Society“ gründen, was prinzipiell heißt, 70% der Bewohner eines Slumabschnittes müssen dem Programm zustimmen. Der Slum wird abgerissen, während die Bewohner in einem Transitcamp wohnen. Das Transitcamp wird vom Bauunternehmen spendiert. Nebenkosen wie Strom und Wasser müssen von den Bewohnern getragen werden.
Das gewonnene Land wird zweigeteilt: 50% fallen an die Slumbewohner. Das (private) Bauunternehmen konstruiert darauf kostenlose Wohnungen für die Slumbewohner. Jede Familie qualifiziert sich für eine ca. 20m² große Wohnung unabhängig davon, wie groß ihre Slumwohnung war. Die Siedlung muss ebenfalls ein Büro für die Hausgemeinschaft, eine Einrichtung für Kinderbetreuung und ein Wohlfahrtszentrum aufweisen, für dessen Konstruktion die Baufirma verantwortlich ist. Die restlichen 50% des aus dem Abriss des Slums gewonnenen Landes fällt an das Bauunternehmen, das darauf Wohnungen bauen darf, die danach auf dem freien Markt zu Profiten verkauft werden können. Zahl und Größe dieser Wohnungen dürfen Zahl und Größe der kostenlosen Wohnungen nicht übersteigen.

Die kostenlosen Wohnungen für die Slumbewohner werden also nicht vom Staat finanziert, sondern indirekt durch das Bauunternehmen, das die Kosten für die Gratiswohnungen durch den Verkauf anderer Wohnungseinheiten auf demselben Grundstück ausbügeln kann.

Klingt theoretisch ganz gut.

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Faszinierend, wie aus dem Schotter passable Wohnungen herauswachsen?

Praktisch will natürlich kaum jemand neben Slumbewohnern, wenn auch ehemaligen, wohnen. Oder auf demselben Grundstück. Vielleicht noch Wand an Wand. U-( Der Verkauf von Wohnungen auf ehemaligem Slumgrundstück ist für die Bauunternehmen darum weniger lukrativ als erwünscht. Es ist einer der Gründe dafür, weswegen das Rehabilitationsprogramm weit weniger erfolgreich ist als ursprünglich geplant. Zur Zeit wird an 900 Einheiten gebaut. Geplant und zur Genehmigung vorgelegte Einheiten: weitere 1100.

Und dann gibt es da noch die bösen Zungen. Besonders Mittelklassefamilien finden es nämlich überhaupt nicht so brillant, dass die Slumbewohner von nebenan plötzlich kostenlose Wohnungen in extrem teuren Gegenden (z.B. Südmumbai) erhalten, während sie selbst in die Röhre gucken. Immerhin sind Grundstückspreise in Mumbai auf ein derart hohes Niveau geklettert, dass eine Eigentumswohnung selbst in Vororten der Stadt weit außerhalb der Reichweite der meisten Mittelklassefamilien liegt. Da kommt böses Blut auf. Immerhin, so das Argument, kommen die Slumfamilien aus ganz Indien nach Mumbai, bauen ihre illegalen Quartiere auf und werden dafür mit einer kostenlosen Wohnung „belohnt“, so fern ihre Namen vor dem 1. Januar 1995 in den Wählerlisten auftauchten.

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Asiens zweitgrößter Slum, Dharavi, beherbergt derzeit circa 1 Million Menschen. Um diesen großen Stinkefleck, der immerhin 857 Morgen (oder 2,1km²) Premiumgrundbesitz blockiert, aus Mumbais Herz zu entfernen, wurde ein Entwicklungsprogramm komponiert, dessen Ausführung $2,1 Milliarden kosten soll – finanziert von privaten Unternehmen. (Quelle: BBC) 70.000 Apartments (in je 7stöckigen Wohnblöcken) zu je 20m² sollen circa 57.000 von Dharavis Familien beherbergen. Zusätzlich fallen natürlich wieder große Kuchenstücke für die Baufirmen ab. Das Prinzip folgt dem Programm der SRA.

Nicht-verschmutzende Industrien sollen erhalten bzw. übernommen werden. Dharavi beherbergt 15.000 Fabriken, die erstaunliches leisten. Jährlich 650 Millionan US$ Umsatz beispielsweise. Und gelegentlich eine kleine Aufstiegsgeschichte, wie der Erfolg von Mr. Kadam, der in einem Bericht des Economist erwähnt wird. (siehe Linkliste)

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Die grüne Linie markiert Dharavi. Der Abstand zwischen den roten Punkten beträgt 1,75km. Dharavi liegt zwischen der Western Line und Central Line – den beiden Local Train Bahnstrecken, und wird von sechs Haltestellen eingekapselt.

Dharavis derzeitige Bewohner freuen sich nicht. Sie sehen ihre Existenz bedroht, denn der neue Entwicklungsplan folgt nicht denselben Linien wie die bisherigen Strukturen, die den Bedürfnissen (und täglichen Arbeiten) der Slumbewohner angepasst sind. Die Wohnungsgröße wird bemängelt. Das Layout wird bemängelt. Der Wegfall von „verschmutzenden“ Industrien wird bemängelt. Und der Zerfall von verschachtelten sozialen Strukturen wird ebenso bemängelt.

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Zusätzlich werden sämtliche Programme der SRA von Korruption (bzw. dem Verdacht der Korruption) verfolgt. Wie so ziemlich alle Sozialprogramme Indiens. Die großen Wahlversprechen der Shiv Sena, 500.000 Rehabilitationswohnungen zu bauen (später haben sie das auf 50.000 runterkorrigiert) wurden selbstverständlich nicht erfüllt. Wo die Programme der SRA landen werden, zu welchem Kuddelmuddel sie führen werden, etc. wird sich zeigen müssen.
Ich stehe der Idee skeptisch gegenüber. Pauschal kostenlose Wohnungen zu vergeben, halte ich nicht für den richtigen Weg, auch wenn er von vielen Seiten als der einzige Weg gesehen wird, an die große Grundstückstorte zu gelangen, die unter Dharavi – einem ehemaligen Mangrovenwald übrigens – verborgen liegt.

Externe Links:
Mega-Slums der Welt
Eine Karte der 30 größten Slums der Welt nach Mike Davis.

Ein florierender Slum
Artikel von The Economist (19. Dezember 2007)

Artikel von National Geographic
Englisch
Deutsch

„Dharavi“ – Film mit Om Puri und Shabana Azmi über einen in Dharavi lebenden Taxifahrer (1992)
Filmkritik

Schattenstadt“ – englischer Blogbeitrag bei Trivial Matters mit jeder Menge Fotos (März 2006)

„Finding a better future for Dharavi“
Alternative Ideen für Dharavi, Monash University

„Wo das Elend kreativ verwaltet wird“
Deutscher Artikel im Südwind Magazin

Von astronomischen Preisen und Nano-Balkons (Architektur in Mumbai)

Mumbai hat nur ein einziges Problem, das es sprichwörtlich in den Untergang treibt: Immobilienpreise. Die sind noch viel höher als die mitunter 40 bis 50 Stockwerke in die Höhe reichenden Apartmentkomplexe, die dieser Tage im Hinterland gebaut werden.

Balkon

Die Preise sind nicht nur enorm, sie sind auch völlig unangebracht. Daraus resultiert u.a. der Drang, hoch, hoch hinaus zu bauen, und wer hoch mauert, der stürzt tief ein. Das kommt während des Monsuns hier täglich vor. Haus eingestürzt. n Personen tot. Haus teilweise eingestürzt. n Personen tot. Inzwischen hat man vorgeschlagen, dass Häuser alle fünf Jahre auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden sollten.

Wie vielerorts wird in Indien beim Bau geschludert, und das Wort Instandhaltung ist gänzlich
völlig
absolut
weitestgehend unbekannt.

Ignorieren wir die langweilig intonierte Anweisung des GPS, das uns schnurstracks auf das heutige Architekturdilemma zusteuert, und biegen wir an dieser Stelle einfach mal falsch ab. Links, zum Beispiel, und werfen einen Blick auf das obszöne Mietrecht in Mumbai, wie es anno dazumal existierte und bis heute seine fransigen Schatten wirft. Pfui!
Demzufolge wurde 1947 die Miete festgesetzt, und es wurde verboten, eine Wohnung fuer einen hoeheren Betrag zu vermieten als im September 1940. Hast du deine Wohnung also im Sept 1940 fuer 200 Rupien monatlich vermietet, so blieben dass trotz wachsender Immobilienpreise auch 1950, 1955, 1960 usw. 200 Rupien.

Bombay Rent Act, 1947
Leider konnte ich bisher keine textliche Variante des Gesetzes finden. Bitte selber googeln.

Das Mietrecht wurde inzwischen geändert, aber es gibt immer noch alte, hässliche, vom Einsturtz bedrohte Häuser, die sich alljährlich zitternd durch die Regenzeit schleppen und sich Zentimeter um Zentimeter mit dem Morast vollsaugen, auf dem sie so schlampig gebaut worden sind: Denn die Mieter wollen nicht ausziehen. Warum nicht? Wegen weil – da steckt viel Geld drin. Wenn ein Bauunternehmen sich ein Fleckchen in Mumbai ausgesucht hat, auf dem es gern etwas Anständiges (sprich: Teures) bauen möchte, dann muss das Alte erst mal weg. Um die Mieter aus der alten, zu entfernenden Baracke zu locken, zahlen Bauunternehmen astronomische Summen – an die Mieter. Nicht den Eigentümer. Vor gar nicht all zu langer Zeit stand in der Zeitung, dass jede Partei in einem Mietshaus in Südmumbai 5,5 crore Rupien ausgezahlt bekommen hat, nur damit sie ausziehen. Das sind 1Million Euro!

Es ist zudem unschwer zu erkennen, dass man als Wohnungseigentümer Schrägstrich Vermieter unter diesem alten Mietrecht der Depp war. Der Idiot. Der Spinner, sozusagen, um das mal oberhalb des Gürtels zu halten. Als Depp Schrägstrich Eigentümer erhielt man nämlich gar nichts.

Nuuuun. Daraus erklären sich mehrere Dinge.
1. Weswegen in Mumbai immer noch so viele alte, schwankende, wankende Häuser herumstehen.
2. Weswegen an Stelle der alten, schwankenden, wankenden, inzwischen abgerissenen Häuser lediglich die teuersten Apartmentkomplexe gebaut werden, die auf ein Reißbrett passen. Wenn man 1 Million Euro pro Wohnung zahlt, zuzüglich Baukosten, muss man die neue Wohnung logischerweise für 1+ Million Euro wieder verscheppern.
3. Weswegen Menschen sich weigern, aus offensichtlich gefährlichen Wohnungen auszuziehen. Sie warten auf zweierlei Dinge: Dass ein Bauunternehmen es ihnen ermöglicht, frühzeitig in Rente zu gehen, und dass die Bude über ihren gierigen Köpfen zusammenbricht. Was auch immer zuerst passiert.

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So, und endlich, endlich kommen wir zurück auf den architektonischen Ofenschuss: Wenn so viel Geld im Spiel ist, wenn der Boden, den ein einfacher Schuhabstreicher einnimmt, schon mehr wert ist, als sich Hunz und Karthik leisten können, dann ist kein Platz für Balkons. Sollte das Bauunternehmen wider jeder Intelligenz einen Balkon gebaut haben, dann nehmen die Wohnungskäufer ein paar Ziegelsteine und billige Fenster, und schon morgen ist das Ding unfachmännisch zugekleistert. Voilà, ein extra Zimmer. Klein aber fein. Kein Platz für Balkons.

Genau so wenig bleibt Platz für Abstellkammern, Rumpelkammern, Stauraum. Wo man Sachen wie Staubsauger und Bügelbretter abstellt. Wo man das olle Zeitungspapier sammelt, bis der Stapel so hoch und wackelig ist wie das durchschnittliche Mauerwerk Mumbais. Wo man als Frau seine 19 Paar Schuhe vor dem Gatten versteckt. Wo der Gatte seine nun in Indien frei verkäuflichen GQs, FHMs und Maxims versteckt (Playboy und Penthouse nur unter der Hand). Das Leben steckt voller Gerümpel, das einerseits zu schade ist, um dem Recyclingprozess inderLandschaftaufschütt-Prozess beigefügt zu werden, und das aus verschiedenen Gründen niemals in der Vitrine landen wird. Das liegt unter anderem daran, dass Vitrinen in Indien nicht sonderlich populär sind.

Was tun? Kein Balkon bzw. Abstellraum, wo man den ganzen Mist stapeln kann. Zurück zum Beitrag über Gitterfetische. So sieht es aus:

Nun, es bleibt kein Platz für einen Liegestuhl, auf dem man herumlümmeln kann, aber ein paar Dreiräder, Klimaanlagen, Topfpflanzen und provisorische Wäscheleinen passen allemal hin.

Ich finde das hässlich. Gegessen wird im Esszimmer. Geschlafen wird im Schlafzimmer. Gewohnt wird im Wohnzimmer. Und gerümpelt wird in der Rumpelkammer. Aber hey, der Preis ist heiß!

Schmankerl:
Wie heiß der Preis wirklich ist, wollt ihr wissen? Sag ich euch glatt. Ein paar der neuen Projekte, die in Mumbai gebaut werden:
Lodha Bellissimo:
230-700m² Wohnungsgröße, ca. 820.000-2,45Mio Euro
Ellora Castle:
640m² Wohnungsgröße, ab 820.000Euro
Signature Island:
560m² Wohnungsgröße, ab 4,5Millionen Euro
Oberoi Skyz:
740m² Wohnungsgröße, ab 5Mio Euro
Lodha Solitaire:
670-1347m² Wohnungsgröße, ab 7,3Mio Euro

Zu Lodha Solitaire steht im Prospekt: „Die Boutique-Wohnungen sind an die vermögende Unternehmerklasse gerichtet. Alle neun Apartments (mehr fasst das Gebäude nämlich nicht) sind super-groß (!!!) und bereits verkauft.“ 88|

Übrigens hat mir beim Errechnen der Wohnungspreise der Taschenrechner in meinem Handy den Stinkefinger gezeigt: Das Resultat ist zu groß, um angezeigt zu werden. Jaaaa, das weiß ich doch!!!

Hinter Gittern (Architektur in Mumbai 1)

Bisher hatte jede Stadt, in der wir gewohnt haben, ein paar architektonische Überraschungen parat. Wir erinnern uns an zugemauerte Gartentore in Bangalore, vor denen Parken nach wie vor verboten war, und an Bäder mit Tür zum Balkon in Delhi. Doch obwohl der Laie meint, solcherlei Meisterleistungen residierten bereits im Bereich idiotischer Superlative, scheint mir Mumbai trotz allem das Schlaraffenland kurioser bautechnischer Unfälle zu sein.

hinter gittern in mumbai

Ich bin nun mal die unangefochtene Königin ständig neuer, später ignorierter und niemals beendeter Serien (die Treuesten unter den Lesern erinnern sich eventuell an den sprichwörtlichen Kadaver der Sendung mit der Ratte). Und nun ist es an der Zeit, eine neue Serie aus dem Boden zu stampfen! Architektur in Mumbai!
Oh, meine Festplatte knarrt bereits unter der Ladung schadenfroher, grimmiger, zynischer, schier unvorstellbarer Fotos, und hier gehts los:

vor und hinter gittern

Der Gitterfetisch fand bereits eine Besprechung in diesem Blog. In Indien ist es üblich, sämtliche Fenster (und die Haustür) mit Gittern zu versehen, damit man im Falle eines Brandes jämmerlich in den eigenen vier Wänden zu Grunde geht damit kein Einbrecher rein kommen kann, es sei denn, man war so dumm, und hat sich solche Gitter einbauen lassen, die lediglich in den Fensterrahmen geschraubt werden. Hat der Dieb einen Schraubenzieher dabei, was durchaus vorkommen soll, stellt es sich natürlich als vollkommen, vooollkommen sinnlos heraus, sein Haus auf so derbe Art und Weise verschandelt zu haben.

Ich find die Gitter meist hässlich, obwohl einige Häuslebauer tatsächlich auf hübsche Muster wertgelegt haben, die man schon fast als Designgut betrachten könnte. Aber in Mumbai, in Mumbai bastelt man wirklich alles zu. Jedes Fenster wird mit Gittern geradezu verschanzt. Darunter befinden sich selten solch ansprechende Gitter mit Blumenranken und netten kleinen Dekoideen, sondern es sind richtig hässliche, protzige Eisenstäbe. (Muss ich erwähnen, dass es in den Slums Mumbais ein sehr erträgliches Geschäft ist, billige Eisenbrenner zu basteln, die dann an den Mann Dieb gebracht werden?)

Auch ein spezielles Mumbai-Schmankerl: In Ermangelung eines Balkons ist der Mumbaikar erfinderisch. Nicht nur verschanzt er sich in seiner Eisenbastion, nein, er beult sogar eine Art drahtige Rumpelkammer vors Fenster. Jawohl! Das sieht dann so aus:

home sweet home

Und dann gibt es da noch die ganz Schlauen. Die Gewieften, sozusagen. So ein Gitter, da sind wir uns doch einig, kann doch nur eine Art Sicherheitsmaßnahme sein, nicht wahr? So eine Art Schutzvorrichtung, die dazu dient, ungebetene Gäste fern zu halten. Also zum Beispiel Vertreter, Schlangenbeschwörer, Diebe, Schwiegermütter, und wie sie nicht alle heißen. Was bastelt man also? so etwas hier:

schlaue gitterfetischisten

Ein Gitter mit Schiebevorrichtung, das durch ein Vorhängeschloss geschlossen werden kann. Diesselbe Art von Vorhängeschloss, mit der die Eingangstür verbarrikadiert wird. Diesselbe Art von Schloss, die mit einem einzigen Hieb einer qualitativ hochwertigen Eisenstange aufgebrochen werden kann.

Macht nix. Hauptsache Gitter. Die Welt ist scheibchenweise viel, viel schöner, nicht wahr Socke?

knacki 303

Der Schimmelfighter

Es ist wahr. Niemals hätte ich es geglaubt: Schimmel ist mächtiger, als wir es sind. Er ist untot. Er ist allgegenwärtig. Er flirrt durch die Luft und lässt sich nach Lust und Laune dort nieder, wo es ihm gefällt. Zudem hat der Schimmel auch recht niedrige Ansprüche, denn es gefällt ihm überall. Selbst Materialien, deren Nahrhaftigkeit ich als relativ gering eingestuft hätte, scheinen dem Schimmel gerade recht, um sich in Windeseile einzunisten und dann die Polster auszufahren: weiche, flockige, weiße Polster. Oder fette grünblaue Kissen. Oder aber winzige Stecknadelköpfe in weiß-grün. Schimmel ist vielseitig. Ihm schmeckt alles. Ihm gefällt alles.

bullenhinternMumbai ist unhygienisch

Als ich vorgestern den Coup de Grâce im Schimmelwunderland entdeckte, war keine Redewendung zur Hand, um den Grad meines Missmutes zu verwörtlichen. Ich weiß, ich weiß – im Käse schmeckt der Schimmel gut. Penicillin ist auch ganz nett, und künstliche Aromen wachsen auch in Form von Schimmel im Laborkühlschrank. Mir ist allerdings noch kein Nutzen für die Schichten der flauschigen Substanz auf meinen Schuhen eingefallen. |-|

Am Sonntag war es Zeit für meine gelben Sandalen. Die waren ordentlich im Schuhkarton verpackt in einer Rumpelecke aufgeschichtet. Als ich sie ans Tageslicht holte, ergoss sich zusammen mit dem unverkennbaren Geruch gedeihenden Schimmels ein ebenso unverkennbarer Schwall unsittlicher Flüche in die Weiten unserer Wohnung. Konnte es wahr sein? Konnten Schuhe, die ich in Mumbai überhaupt noch nicht getragen hatte, und die nach einem heißen Sommer in Delhi staubtrocken gewesen sein sollten, wirklich über Nacht zu schimmeln beginnen? – – Aber ja doch! Sie und alle anderen Schuhe, die in allen anderen Schuhkartons in eben jener Ecke darauf warteten, zur gewählten Garderobe zu passen.

Inzwischen haben wir ein offenes Schuhregal gekauft, und ich habe Stunden im Bad damit verbracht, die Paare zu retten, die noch zu retten waren: bewaffnet mit Handschuhen, Gasmaske (na gut, gelogen), einer Flasche Desinfektionsmittel und einem Lappen (inzwischen dem in Mumbai katastrophalen Müllentsorgungssystem zugefügt). Und da stehen sie nun: zehn gewaschene Paar Schuh. Die nicht mehr zu errettenden Paar hat bereits die Müllfrau gemopst. Mal sehen, wie lange es dauert, bis die runden Flauschkissen zurück sind.

Doch das ist nicht alles: Brot niemals außerhalb des Kühlschranks lagern. Es schimmelt gleich am ersten Tag, spätestens am nächsten Morgen. Hosen, die nach einem Regenschauer zum Trocknen über eine Stuhllehne geworfen worden waren, glotzten uns ein paar Tage später mit verdächtigen grauen Flecken an. Ganz unten in der inzwischen ebenfalls entsorgten Wäschebox faulten zwei T-Shirts dahin. Sorry, meine Waschmaschine fasst nur 5kg. Ich komm ja gar nicht hinterher!

Und das Schärfste: Auch Töpfe (saubere, wohlgemerkt) schimmeln, wenn man sie ne Woche nicht anguckt. Ich wusste gar nicht, dass Metall schimmeln kann. Ich dachte immer, Schimmel bedarf wenigstens eines Nährbodens. Aber ich dachte auch, „spazieren“ schreibt man mit „t“.

Sensationell, wie viel Inventar ich in den letzten zwei Wochen aus der ganzen Wohnung zusammen gesucht und entsorgt habe. :no: Und ich frage mich: Wie machen das die andern. Wie schütze ich mich vor Schimmel, der sich genüsslich über Fototaschen, Laptoptaschen, Koffer, Bücher und Matratzen hermacht, obwohl nichts davon jemals nass oder schmutzig geworden ist? Gibt es einen Weg, außer 24Stunden am Tag die Klimaanlage oder den Luftentfeuchter laufen zu lassen? Gibt es so etwas wie ein Anti-Schimmelspray?

Aber eins weiß ich ganz genau: Sobald das erste Foto im Bilderrahmen an der Wand Schimmel fängt, … dann werde ich…. mich auf den Boden werfen und ganz laut schreien. Jawohl!

Da sind mir Kakerlaken wirklich lieber. Die sterben nämlich, wenn ich drauf sprühe…. |-|