MODIfizierte Schauspielerei

Ich freue mich wie ein kleiner König, dass ich es heute schaffen werde, einen Eintrag zu Indien mit einem Verweis auf John Oliver zu kombinieren:

Narendra Modi, indischer Premier, hielt in New York eine Ansprache. Die Rede selbst war nicht der Rede wert ;D Wenn ich mich zwei Tage später nicht mehr an das Kernargument einer Ansprache erinnern kann, dann kann das keine gute Ansprache gewesen sein – aber das ist natürlich nur mein persönliches Anspruchsbarometer.

An eine Sache kann ich mich jedoch sehr genau erinnern – und wie man im kurzen Video von John Oliver hören kann: es ging nicht nur mir so.
Am Ende seiner Rede bedankte sich Modi nämlich bei Hugh Jackman, der aus unbekannten Gründen auf dem Podium stand, und fügte hinzu: May the Force be with you. Blöd nur, dass das haarige Ding in Star Wars ganz bestimmt nicht Wolverine war. Vielleicht ist das ein ganz guter Hinweis, dass Politik und die Schauspielerei sich tunlichst aus dem Weg gehen sollten.

Zum Video:
http://www.youtube.com/watch?v=hkYzuHMcP64&list=PLmKbqjSZR8TZa7wyVoVq2XMHxxWREyiFc

Indiens neuer Präsident: Pranab Mukherjee

Die Wahlstimmen für den neuen ersten Staatschef Indiens sind ausgezählt: Mehr als 700.000 der möglichen 1,02 Mio. Stimmen gingen an Pranab Mukherjee der Congresspartei, knapp 70% und somit eine geschmeidige Mehrheit. Bisher hat Mukherjee als Finanzminister fungiert. Am kommenden Mittwoch wird er offiziell eingeschworen werden.

Mukherjees Gegenspieler, der BJP-Mann Sangma, erhielt die übrigen reichlich 30% und hat trotz abgeleisteter Glückwünsche an den Wahlsieger bereits seine zukünftige Taktik verkündet: eben jenen Wahlsieg anzuzweifeln auf Grund von Korruptionsanschuldigungen.

Eine vergleichbare Reaktion gab es aus der Ecke von Team Anna: pünktlich zum offiziellen Amtsbeginn am Mittwoch wird Team Anna einen weiteren Hungerstreik beginnen. Die Anschuldigungen: ebenfalls Korruption.

Es bleibt nichts weiter als abzuwarten, ob Mukherjee seine allgemein hin als positiv bewertete Leistung als Finanzminister fortführen kann, da er nun das Präsidentenamt bekleiden wird. Die zunächst wichtigste Aufgabe – abgesehene von der wohl eher lästigen Abwicklung nicht enden wollender Besucherströme zu seiner neuen Residenz, Rashtrapati Bhavan im Stadtteil Raisina Hill – wird die Vereinigung des momentan tief zerfurchten und zerstrittenen Parlaments sein.
Warten wir’s ab.

Geburtstagskinder

Politische Plakate sind in Mumbai wie Lametta, dass das ganze Jahr herumhängt. Zu Weihnachten siehts toll aus, aber irgendwann kann man es nicht mehr ersehen. Grund für solcherlei Plakate mit großen, mitunter überdimensionalen Pappfiguren inmitten der urbanen Landschaft gibts zur Genüge: Vor der Wahl. Während der Wahl. Nach der Wahl. Zu Festtagen: da wünschen Politiker ihren Lämmchen halt schönes Holi, schönes Diwali, schönes Allerlei. Aber der Knaller sind Plakate zu Ehren eines Politikers aus den eigenen Reihen, zum Beispiel wenn einer Geburtstag hat. Plötzlich tauchen in der ganzen Stadt große Banner, Pappaufsteller und Plakate auf, die den nahenden Geburtstag und herzliche Glückwünsche für xyz verkünden.

Politisches Banner
Ein politisches Banner anlässlich Ganesh Chaturthi

Vor kurzem hatte sich der Höchste Gerichtshof darüber mokiert. Die Stadtverwaltung BMC solle gefälligst etwas gegen diese Unzucht tun, wetterte das Gericht. Oder erlaubt man es etwa, dass sich Ottonormalverbraucher auf Bannern zum Geburtstag gratulieren?

Nun, es sollte ein sarkastischer Einwurf sein, doch die Richter konnten mit diesem Geistesblitz nicht punkten.
„Selbstverständlich“, meinte die Stadtverwaltung trocken. „Wer einen Antrag stellt und anständig Gebühren entrichtet, kann sein Geburtstagsbanner aufhängen, wo er mag.“

Na toll. Ein Schuss in den Ofen!

Wenige Wochen später:
In Thane taucht eines schönen Morgens ein Geburtstagsposter für Mickey, den Hund auf. Sein Besitzer Dr. Bapat hatte beschlossen, den 18. Geburtstag seines Vierbeiners gebührlich zu feiern so, wie die Herrscher Maharashtras das so schön vorgemacht haben: mit einem groooßen Plakat. Alle Freunde Mickeys sind darauf verewigt und wünschen ihrem Kumpel was Feines. Und weil Doppelt bekanntlich besser hält, gibt es zwei solcher Plakate in Thane an zwei sehr, sehr populären Stellen.
Die Initiative hat Dr. Bapat zusammen mit Freunden ergriffen. Sie haben fein anständig die notwendigen Anträge gestellt und die Gebühren entrichtet, ganz so, wie die Stadtverwaltung das verlangt. Sie erhoffen sich durch diese Aktion eine öffentliche Debatte.

Mickeys Banner

Nun, wer weiß. Binnen zwei Stunden wurde eins der beiden Plakate beschädigt. Da versteht wohl jemand keinen Spaß? Unbemerkt blieb die Aktion jedenfalls nicht. :yes:

Ich finde diese Aktion wirklich herrlich und freue mich, dass die Bürger mit so viel Witz und Fantasie ein echtes Problem ansprechen, denn man kann nicht leugnen, dass Banner und Plakate Mumbai und Umgebung arg verschandeln. Bald ist Holi, da wird wieder eine Reihe Politikergesichter auf uns herabgrinsen. 8|

Verschwörungstheorie

Umweltminister Jairam Ramesh hält den Besitz eines SUVs (Sports and Utility Vehicle) für kriminell angesichts des großen Sprithungers dieser Fahrzeuge. Er findet, es gehört sich nicht, in Indien oder überhaupt so ein Ding zu fahren. Die Natur und Umwelt liegen ihm zwangsläufig am Herzen, aber Jairam Ramesh holterdipoltert ja auch nicht durch die Krater Mumbais, an denen das rechte HinterBeinRad immer mal stecken bleibt, sondern schwebt über die relativ guten Straßen Delhis. Und da er ein von der Regierung gestelltes und vom Lakaien bezahltes Auto fährtfahren lässt, braucht es ihn ja auch nicht zu stören, wenn selbiges ob der Zustände einfach auseinander fällt.

Aber. Jairam Ramesh legt noch eins oben drauf. Er findet, Besitzer eines SUVs sollten nicht in den Genuss der Dieselsubventionen kommen. Treibstoff wird in Indien staatlich subventioniert, ob nun Benzin oder Diesel, und jeder, der sein Gefährt an eine Tankstelle rollen lässt, kommt in Genuss dieser Großzügigkeit. Jairam findet, das geht so nicht. :no: Die Subventionen seien doch für die Bauern, damit die ihre Traktoren in Gang setzen können, mit denen sie Endosulfan breitfahren. Diese Chemikalie übrigens hat in Kerala im Distrikt Kasargode zu massiven Verkrüppelungen und Toden geführt, weil sie dort exzessiv in Cashewplantagen eingesetzt wird. (Hm, yumyum, ich hab Casheweis im Gefrierfach.) Es ist dieselbe Chemikalie, die Jairam-mit-dem-Herz-für-Farmer-und-deren-Traktoren nicht landesweit verbieten möchte. Er warnte, dies würde nationale Folgen haben. Was? Nationale Folgen bei einem landesweiten Verbot? Etwas derartiges möchte man eigentlich hoffen :yes:, aber was Jairam wirklich meint, ist dass ein solcher Schritt die Chemiekonzerne echt ankotzen würde. Die stellen nämlich jährlich 4.500 Tonnen von dem Mist für den Binnenmarkt her, sowie weitere 4.000 Tonnen für den Export.

Diese 4.500 Tonnen müssen erst mal verfahren werden. Dafür brauchen wir Traktoren. Die fahren mit Diesel. Und der wird subventioniert. Welch politisches Gutmenschentum vom hinterlistigen SUV-Fahrer schamlos ausgenutzt wird.

Awww, ich bin echt in Stimmung für Verschwörungstheorien. 😉

Sofakartoffeln

Ich hätte gern einen Fernseher! Einen neuen Farbfernseher! – – Bestellen Abholen kann man den derzeit in Chennai. Die dort im Landtag herrschende Partei DMK teilt sie aus. Vermutlich erhofft sie sich davon, dass sich die Wähler zu einem späteren, opportunen Moment noch daran erinnern können. :yes:

Ursprünglich sollten nur Arme in den Genuss eines neuen Flimmerkastens kommen, doch irgendwie hat sich das Bild nun gewandelt. Idiotenboxen für alle. Es liegt auf der Hand, dass der durchschnittliche Arme famose Vorteile aus so einem Gerät ziehen kann. Dreht er das Volumen seines nagelneuen Fernsehers etwas lauter, hört er den knurrenden Magen auch nicht mehr. Mehrkosten wird er nicht kaum haben: rund 30 Kanäle sind in Indien kostenfrei, also entfallen schon mal die Kabel- oder Satellitengebühren, und Strom zweigt man sich ohnehin kostenfrei von Freileitungen ab.

Es bleibt zu hoffen, dass die Parteien, welche Maharashtra im Griff haben/haben wollen, demnächst auch mal was Gutes fürs Volk tun. Unser altes Gehecke von Fernseher im schrulligen 4:3 Format, Marke „Wummerkasten“ ohne Plasma und erst recht ohne Kristalle, flüssig oder fest… es ist ja schon fast eine Zumutung! 😳
Ich erwäge gerade einen Umzug nach Chennai….. Hmmmmmmmmm

Keine Herztöne

Montag war Indien mal wieder sensationell nachrichtenwürdig. Denn es fand ein landesweiter, erzwungener Streik statt. Bandh nennt sich das hierzulande und ist seit 1998 illegal.

Ein Streik ist ein vollkommen legitimes, sinnvolles demokratisches Mittel. Ein Bandhhingegen ist eine bösartige Geschwulst der Demorkatie. Eine oder mehrere Parteien rufen zu einem solchen Bandh auf, geben sich der Ordnung halber noch einen mehr oder minder plausibel klingenden Grund, und erwarten dann, dass die Bevölkerung artig zu Hause bleibt. Auf Arbeit gehen, sein Geschäft öffnen, sein täglich Brot verdienen – das ist dabei genau so unterdrückt wie einkaufen gehen, zur Schule gehen, etc. Das heißt nicht, dass die Bürger gegen einen Missstand protestieren, sondern dass die Bürger im Namen eines Missstandes zur Geißel genommen werden.

Am Montag lief das so ab, dass die Oppositionsparteien zum Bandh aufriefen, um gegen diverse Dinge zu „protestieren“:
– generellen Preisanstieg
– Benzinpreiserhöhungen im letzten Jahr
– Geplante Deregulierung der Benzinpreise

Fast könnte man meinen, die Opposition sei ums Wohlbefinden der Bürger besorgt. Fast könnte man meinen, hier handle es sich um ein Volk im Aufruhr gegen wirtschaftliches Missmanagement. Diesem Irrglauben verfiel zum Beispiel auch die Süddeutsche in einem makaberen Bericht zum Thema. Alles Schmarrn.

Tatsächlich hatten Politiker mit stattlichen Körperproportionen bereits am vergangenen Freitag dazu aufgerufen, dass das Land am 5. Juli stillzustehen hatte. Einrichtungen sollten geschlossen bleiben. Firmen, Geschäfte, Schulen, Büros – alles sollte die Rollläden unten haben. Taxen und Busse und Rickshaws sollten nicht fahren. Niemand sollte das Haus verlassen.
Bei Zuwiderhandeln drohte Gewalt. Züge und Busse, die trotzdem fuhren, wurden angehalten und zerstört. Busfahrer und Passanten (also die echten Bürger Indiens) wurden verletzt und bepöbelt. Tagelöhner, denen ein solcher „Streik“ am meisten weh tut, wurden vermöbelt. Rickshaw- und Taxifahrer, die sich ihr Tagesgehalt nicht entgehen lassen wollten, wurden angegriffen, ihre Gefährte zerstört. Die echten Bürger Indiens, die einfach nur ihr Leben leben wollten, wurden in Angst und Schrecken versetzt. Deshalb waren die Straßen wie leer gefegt.

Die Bürger Mumbais waren clever. Sie wussten ja seit Freitag, was hier los sein würde, und Bandh-geprüft, wie sie sind, haben sie (die sich das leisten konnten) das verlängerte Wochenende genutzt, um in den Urlaub zu fahren. Resorts und Hotels um Mumbai (wie zum Beispiel LonavlaMatheran und Mahabaleshwar) waren ausgebucht. Stand in der Zeitung.

Die „streikenden“ „Bürger“, die man auf diversen Fotos sehen kann, sind keine Menschen wie Du & Ich, die die Nase voll haben von den Missetaten der Regierung, sondern parteispezifische Mobs. Alles, was sie tun, tun sie für die Kameras. Dabei hielt sich die Zerstörung dieses Jahr noch in Grenzen, da es neuerdings juristisch möglich ist, die Randalierer zur Kasse zu bitten.

Wenn man also irgendwo liest, „die Inder hätten protestiert“, dann höhnt dies der Realität. Die Ironie des Schicksals liegt nun noch darin, dass dieser Bandh zu weiteren Preisanstiegen führte. Nur weil die Oppositionsparteien mal Halligalli machen wollen, heißt das ja nicht, dass wir von Luft und Liebe leben können. Lebensmittel konnten aber einen ganzen Tag lang nicht transportiert werden. Sie konnte auch nicht produziert werden. Ergo sind Gemüsepreise schon wieder kurzfristig angestiegen. Danke, liebe Opposition, das habt ihr gut gemacht. :roll:

Moneten am Hals

Vor einiger Zeit schrieb ich an dieser Stelle über den Appell der Reserve Bank of India, welcher sich an hochzeitswütige Inder richtete mit der Nachricht, doch bitte keine Geldscheine für Geldgirlanden zu massakrieren.

Heute allerdings müssen wir feststellen, dass die RBI ihr Zielpublikum völlig falsch identifiziert hat.
Sinnvoller wäre es gewesen, hätte die RBI Politiker adressiert, denn wie sich diese Woche herausstellte, nützen Politiker gern mal ein paar Scheinchen, um monströse Girlanden zu basteln.

Das ist die Ministerpräsidentin des nordindischen Bundesstaates Uttar Pradesh, Mayawati, die sich anlässlich des 25. Geburtstages ihrer Partei mit etwas Kleingeld schmücken ließ. Diese Girlande soll angeblich 50.000 Scheine zu je 1.000 Rupien enthalten haben. Taschenrechner gezückt: 794.000 Euro. Gewogen haben soll das Teil wohl rund 65kg. Die Halsstarre wars sicher wert! :yes:

Politik in Indien ist immer unterhaltsam!

Frauenquote

Am gleichen Tag, als in Hollywood zum ersten Mal eine Frau den Oscar für die beste Regiearbeit mit nach Hause nahm, sollte im indischen Parlament über das Gesetz für eine Frauenquote in politischen Ämtern abgestimmt werden. Dazu kam es nicht. Mehrere Minister stürmten auf den Sprecher zu, grabschten ihm den Gesetzesentwurf aus der Hand, zerrissen diesen und ließen die Früchte Schnipsel ihrer Arbeit über seinen Kopf rieseln.

Ich kann mich schlecht für einen Smiley entscheiden. :)) oder U-( oder 88| ?

Diese orientalische Interpretation des demokratischen Vorgangs konnte man dann in der Endlosschleife auf Nachrichtensendern bestaunen. Bis zur dreiundvierzigsten Wiederholung durchaus unterhaltsam, danach irgendwie :yawn:
Ich stumpfe ab.

Die Frauenquote reserviert 33% der Abgeordnetensessel für das zartere Geschlecht. Indien verspricht sich davon eine Verbesserung der Situation der Frauen. Klare Smileywahl: 🙄

Interessant in dieser Hinsicht vielleicht noch der Kommentar des guten alten Politikers Lalu Prasad Yadav, der eher für seine Witze als seine politischen Aktivitäten bekannt ist. Er meinte jüngst, Frauen könnten ja gar nicht alleine Entscheidungen treffen. Wenn er seiner Frau sagte, sie solle ihre Stimme für dieses oder jenes geben, könnte sich dann etwa jemand vorstellen, sie würde sich anders entscheiden? Vermutlich möchte Lalu auf seine ganz eigene Weise damit sagen, Frauen seien nicht dazu in der Lage, den komplexen politischen Ablauf zu verstehen.

Zurück zu den Papierschnipseln: die Frechdachse, die diesen Schabernack verzapft haben, wurden sofort aus dem Parlamentsgebäude entfernt. Einhundert Sicherheitskräfte waren von Nöten, um die Tapferen Sieben zu verjagen. Einer von ihnen meinte später vor laufender Kamera: Hätte man ihn nicht rausgeworfen, wäre das Gesetz für die Frauenquote nur über seine Leiche verabschiedet worden.

Ich seh schon: mein weibliches Hirn kann die Abläufe im indischen Oberhaus des Parlaments nun wirklich nicht nachvollziehen. Ich dachte, man kann Aye oder Nay stimmen. Dass man sich gleich den Strick nehmen muss, wusste ich nicht. Bin ja auch ne Frau. ;D

Inzwischen ist der Gesetzesentwurf durchs Oberhaus durch. Dem Unterhaus soll er im April vorgelegt werden. Da muss man dann wohl mal den Fernseher einschalten… 😉

Ehrenmorde in Indien

Am 28. Juli 2009 wurde das Thema Ehrenmord zum ersten Mal im indischen Parlament angesprochen: Mehrere Minister verschiedener Parteien verlangten, dass sich die Regierung mit dem wachsenden Problem auseinandersetzen solle. Man möchte, dass separate Gesetze erarbeitet werden, die sich ausschließlich mit Ehrenmorden auseinandersetzen.

Worum geht es?
Ehrendmorde treten in den westlichen Medien fast ausschließlich in Verbindung mit dem Islam auf. In Indien allerdings handelt es sich um ein Phänomen, welches auch im Hinduismus und im Sikhismus vertreten ist. In den letzten Wochen hat es einige Fälle gegeben, die Aufmerksamkeit verdient hätten, doch die Schweinegrippenpanik verhinderte, dass sich diese bedenklichen Fälle auf mehr als einer Hand voll Titelseiten sozial engagierter Nachrichtenmagazine wiederfanden.

9. August 2009
Sandeep Singh (22) und Monika (16) baumeln an einem Strick von einem Baum in Siwana im Jhajjar Distrikt, Haryana. Sie wurden erschlagen und danach aufgehangen.
6. August 2009
Im Rohtak Distrikt, ebenfalls Haryana, wird ein Paar von der Brautfamilie zu Tode geprügelt.
22. Juli 2009
Ved Pal Maun (27) wird im Dorf Singhwal im Jind Distrikt, Haryana, von einem Mob erschlagen. Er war zum Haus seiner Schwiegereltern gekommen, um seine Frau Sonia abzuholen, die dort gefangen gehalten wurde. Die fünfzehn Polizisten, die er als Begleitschutz dabei hatte, konnten sein Leben nicht retten. Von Sonia fehlt jede Spur.

Das Blut dieser drei jüngsten Fälle ist noch frisch. Es handelt sich um Ehrenmorde. Niemand verlor in diesen Fällen mal kurz die Beherrschung oder handelte gar unüberlegt, spontan, im Affekt. Ein Ehrenmord ist kein „herkömmlicher“ Mord, sondern ein Todesurteil, welches von der Gemeinschaft vollstreckt wird, beispielsweise einem beträchtlichen Teil des gesamten Dorfes.

Was sind Khap Panchayats?

Panchayats sind Dorfräte, diezum traditionellen, dezentralisierten Verwaltungssystem Indiens gehören. Es sind vollkommen legitime, demokratisch gewählte, gesetzlich anerkannte Körperschaften, die u.a. administrative Aufgaben besitzen.
Dann gibt es noch eine andere Struktur, die sich Khap Panchayat nennt bzw. Kastenpanchayat. Diesen Vereinigungen gehören ausschließlich Männer an. Es handelt sich um Räte, die aus mehreren Kasten gebildet werden und deren Einzugsgebiet sich über mehrere Dörfer oder ganze Distrikte erstreckt. Diese Gruppierungen werden entweder nach der dominanten Kaste oder der Region benannt. Sie sind nicht legitim und besitzen keinerlei gesetzlich anerkannte Position/Funktion. Dieser Umstand hält sie allerdings nicht davon ab, in ihrem Einzugsgebiet als gesetzgebende Einheit zu funktionieren.

Der Khap Panchayat repräsentiert das soziale Gesetz der Region. Es gibt ihn in den nordindischen Bundesstaaten Haryana, Punjab, Uttar Pradesh sowie Rajasthan, und er ist mächtig. Seine selbsternannte Aufgabe ist es, die moralischen Gesetze der Gemeinschaft zu schützen. Dies tut er in Sitzungen, Verhandlungen und Richtersprüchen: Was die Vorsitzenden des Khap Panchayats beschließen, hat innerhalb des Geltungsbereiches des bestimmten Khaps Gesetzeswert.

Verbotene Hochzeiten

Indiens extrem traditionelle Gesellschaft duldet keine Liebeshochzeiten. Das liegt u.a. daran, dass einer Liebeshochzeit die freie Entscheidungsgewalt eines jungen Paares zu Grunde liegt, und diese freie Entscheidungsgewalt bedeutet gleichzeitig, dass der Einfluss der älteren Generation schwindet. Die alten Normen zerbröckeln. Alte Macht verfällt. Dies ist ein Umstand, den kein Ältestenrat freiwillig dulden kann. Es gilt daher, Liebeshochzeiten zu verhindern.

Im Hinduismus gibt es Kasten und Clans. Traditionell ist es nicht erlaubt, dass Angehörige unterschiedlicher Kasten heiraten. Gleichzeitig ist es den Angehörigen derselben Kaste untersagt sich zu ehelichen, wenn sie demselben Clan angehören. Ähnlich dem Christentum, in dem davon ausgegangen wird, dass die Menschheit von Adam und Eva abstammt und somit irgendwie verwandschaftlich verbunden ist, gibt es ein vergleichbares Prinzip, wonach Angehörige einer Kaste, die im selben Dorf oder Distrikt wohnen, zum selben Clan gehören. Dieser Clan nennt sich Gotra. Eheliche Beziehungen innerhalb derselben Gotra werden als Inzest betrachtet, was strengstenst verboten ist und sehr starke, emotionale Reaktionen hervorruft.

Die Todesurteile des Khap Panchayats

Wenn ein Paar nach eigenem Gutdünken heiratet, kommt es manchmal vor, dass sie zum selben Clan oder Gotra gehören. Der Khap Panchayat hat daraufhin einen gesellschaftlich anerkannten Grund, eine solche Ehe als nichtig zu erklären. Nach einer solchen „Verhandlung“ des Khaps wird das Paar dann gezwungen, die Ehe aufzulösen. Manchmal muss die Frau am Handgelenk ihres Ehemannes ein Rakhi binden, um ihn als ihren Bruder anzuerkennen. So wurde schon so manche Ehe „geschieden“, selbst wenn das Paar bereits Kinder hatte. Sie dürfen nicht mehr zusammen wohnen. Sie sind ja eigentlich Geschwister.

Nicht immer fügen sich die abtrünnigen Paare einem solchen Beschluss. Im Jahr 2007 beschloss der Khap, dass Mahesh und Gudiya Singh nicht rechtmäßig verheiratet seien, da sie zum selben Clan gehörten. Als sich das Paar weigerte, den Beschluss des Khaps anzuerkennen, verhing dieser ein Todesurteil, welches wenige Stunden später ausgeführt wurde. Das Paar wurde in Stücke gehackt. Die Leichenteile wurden verbrannt.

2007 beschloss der Banwala Khap, die Ehe zwischen Manoj und Babli aus dem Dorf Karoda sei nicht rechtens. Ein Todesurteil wurde verhängt und ausgeführt. Derselbe Khap beschloss das Todesurteil für Ved Pal am 22. Juli 2009.

Geld & Landgewinn

Es ist nicht zwingend notwendig, dass ein Paar zum selben Clan gehört, um den Khap zu verärgern. Schon allein die Tatsache, überhaupt ohne den Segen der Älteren geheiratet zu haben, kann den Khap dazu bewegen, ein Paar schlichtweg als zum selben Clan gehörend zu erklären – unabhängig davon, ob das nun zutrifft oder nicht. Das Urteil bleibt gleich: Scheidung. Verbannung der gesamten Familie aus dem Dorf. Oder ein Todesurteil.

Besonders lohnenswert ist es für den Khap, eine Familie zu verbannen. So geschah es der Familie Gehlout im Dorf Dharana. Der in Delhi lebende Enkelsohn Ravinder hatte ohne Erlaubnis Shilpa geheiratet. Ob das dem Khap nicht passte, weil beide zu verschwägerten Clans gehörten, zwischen denen es ein „Nichtheiratsabkommen“ gab, oder ob sich der Khap zur Empörung bewogen fühlte, da die Familie Gehlout über beträchtliche Massen fruchtbaren Farmlandes verfügte – wer weiß? Wen juckts? Fakt ist, dass der Khap die Familie Gehlout bestrafte, indem eine Verbannung ausgesprochen wurde. Die gesamte Familie Gehlout hat das Dorf Dharana zu verlassen. Praktischerweise fällt das zurückgelassene Land an den Khap.

Diverse Urteile

Khaps befassen sich mit allerlei Dingen, die das gesellschaftliche Leben ihrer Unterlinge betreffen. Im Distrikt Rohtak im Bundesstaat Haryana beschloss der Ruhal Khap im März 2007, dass während Hochzeiten keine DJs mehr auflegen dürften. Als Grund hierfür wurde angegeben, dass die laute Musik die Milchkühe stören würde. Der eine oder andere mag sich auch dadurch gestört fühlen, dass Musik in Verbindung mit einer Tanzfläche häufig dazu führt, dass sich junge Männer und Frauen näher kommen.

Einen Monat später wurde im Distrikt Jind in Haryana Cricket verboten, da das englische Spiel die jungen Männer des Dorfes irreführen würde. Die sollten lieber kabaddi und kho-kho spielen. Wer dennoch Cricket spielt, dessen Familie muss für sieben Generationen Strafe zahlen.

Diese Urteile sind noch recht banal und unterhaltsam. Weit besorgniserregender ist ein Urteil aus dem Jahre 2004, welches vom Tevatia Khap in Ballabhgarh im Distrikt Faridabad (in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Delhi) verhängt worden ist: Familien mit weniger als zwei Söhnen dürften den Khap nicht mehr um Hilfe bitten, wenn es Zwistigkeiten gäbe. Seitdem tun Dorfbewohner in Ballabhgarh alles, um keine Töchter zu bekommen. Das Geschlechterverhältnis ist von 683 Mädchen pro 1.000 Jungen im Jahre 2004 auf 370:1.000 im Jahre 2008 gesunken.

Unterstützung für den Khap Panchayat

Dorfbewohner verehren ihren Khap. Für sie ist er eine Institution, die bekannte Werte und Normen schützt, das tägliche Leben regelt, Streitigkeiten aus der Welt schafft und in gewisser Weise für Recht und Ordnung sorgt. So kommt es, dass sich so viele Dorfbewohner an der Vollstreckung z.B. der Todesurteile beteiligen.
Am 9. Mai 2008 hatte man die schwangere Sunita und ihren Mann Jasbir an einen Baum gefesselt und mit einem Traktor überfahren. Die Leichen wurden vor Sunitas Haus aufgehangen, um andere junge Burschen zu warnen, nicht denselben Fehler zu begehen und unerlaubt im selben Clan zu heiraten. Dies geschah im Dorf Balla im Distrikt Karnal, Bundesstaat Haryana.
Faszinierend und verstörend zugleich ist die Reaktion der Dorfbewohner. „Was sonst soll man mit solchen Kindern machen?“, fragt Kamal, deren Mann einer der Hauptverdächtigen ist. Jai Sing, ein Mitglied des hiesigen Khaps, meint dazu: „Eltern solcher Kinder sollten sie einfach stillschweigend töten. Nicht viele bekommen die Möglichkeit geboten, ihre Loyalität gegenüber der Bruderschaft zu beweisen.“ Damit meint er den Khap und die Gemeinschaft, die dieser darstellt.

Warum tut der Staat nichts dagegen?

Khaps sind mächtige Gemeinschaften. Ihnen folgen tausende wahlberechtigter Bürger. Selbstverständlich macht der Khap Panchayat während einer Wahl auch den Namen des Politikers bzw. der Partei publik, welche/n die Zustimmung des Khaps genießt. Die Dorfbewohner, die dem Khap angehören, machen ihre Wählerkreuzchen dann an der entsprechenden Stelle. Es ist einer politischen Karriere im Einzugsgebiet eines Khaps nicht dienlich, die Institution und Machenschaften desselben zu kritisieren oder gar die illegalen Aktivitäten unterbinden/ahnden zu wollen. Daher überrascht es kaum, dass Chief Minister von Haryana, Bhupinder Singh Hooda, zum Fall Ved Pal nur so viel zu sagen hatte: „Es ist eine gesellschaftliche Angelegenheit und die Gesellschaft hat das Recht zu entscheiden.“

Bereits 2006 nannte der Supreme Court Indiens die Khap Panchayats „barbarische Institutionen“, denen jede legitime Existenzgrundlage fehlte. Als das Thema am 28. Juli 2009 zum ersten Mal im indischen Parlament angesprochen wurde, reagierte Innenminister Chidambaram passend bestürzt. Das Land müsse den Kopf in Schande beugen, meinte er. Doch zu separaten Gesetzen für Ehrenmorde wollte er sich nicht festlegen.
Soziale Aktivisten allerdings bestehen darauf, dass es notwendig ist, Ehrenmorde vor dem Gesetz von „normalen“ Morden zu trennen, wie das auch bei der Witwenverbrennung Sati getan wurde. Nur so wird das Problem der stetig zunehmenden Ehrenmorde anerkannt und kann folglich addressiert werden. Bisher werden Ehrenmorde nicht separat gelistet und es gibt keine verlässlichen Daten, wie viele solcher Morde stattfinden. Das Nachrichtenmagazin Tehelka zitiert NGOs, die von mindestens vier Todesurteilen durch Khaps pro Woche ausgehen. Am 23. Juni 2008 erklärte Richter Kanwaljit Singh Ahluwalia vom Punjab und Haryana High Court, dass die Gerichte in den vergangenen fünf Jahren von tausenden Hilfeanfragen von jungen Paaren überschwemmt worden waren: Paare, die das Gericht um Personenschutz baten, weil sie bedroht werden. Das hatte auch Ved Pal getan. Der High Court hatte ihm fünfzehn Polizisten zur Verfügung gestellt. Genützt hat ihm das wenig.

Weiterführende Links:
Tehelka: „Taliban In Our Backyard – A Journey Through The Diktat Lands Of Rape And Murder

Frontline: „In The Name Of Honour

Wahlergebnisse: Zeit für die 15. Regierung Indiens

Seit Sonntag Abend liegen die Wahlergebnisse für die 15. indische Regierung (Lokh Sabha) vor: Die nationale, linksliberale Kongresspartei hat einen eindeutigen Sieg errungen, den es so deutlich bereits seit zwei Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Dies bedeutet auch, dass Dr. Manmohan Singh eine weitere Amtszeit als Premier vor sich hat.

Das indische Unterhaus umfasst 543 Sitze, wovon die Kongresspartei allein 206 Sitze für sich gewinnen konnte. Die Kongress-geführte Koalition UPA (United Progressive Alliance) zählt 262 Mandate. Für eine regierungsfähige Mehrheit muss die Kongresspartei nur noch eine Hand voll Verbündete aus dem sich plötzlich stark vergrößerten Meer williger Partner heraussuchen. Darin liegt auch der überwältigende Vorteil der Wahl 2009 begründet, denn anders als 2004 muss sich die Kongresspartei nicht mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen streitsüchtiger Regionalparteien und der retrograden Linkspartei begnügen, die in der Vergangenheit Reformen ausgebremst haben.

Ein solch eindeutiges Ergebnis hat vor der Wahl niemand erwartet. Im Gegenteil: die Wählerschaft und politische Kommentatoren zugleich sahen eine dünne Mehrheit voraus, die erneut eine brüchige Koalition notwendig gemacht hätte. Ähnliche Erwartungen hatten sich auch unter ehemaligen Verbündeten der UPA breit gemacht, zum Beispiel in der RJD (Rashtriya Janata Dal). Deren Führer Laloo Prasad Yadav hatte vor der Wahl verlauten lassen, seine Partei würde unabhängig von der Kongresspartei (also außerhalb der UPA) kandidieren – offensichtlich, um sich im Falle eines Wahlsieges der Oppositionspartei BJP alle Türen offen zu halten. Ähnlich treuloses Verhalten zeichnete sich in anderen Kongressverbündeten ab, die in den letzten Tagen vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse immer höhere Forderungen an die Kongresspartei stellten, um im Falle des Falles als Koalitionspartner zur Verfügung zu stehen. Diese Taktik ging nun gründlich nach hinten los.
Inzwischen hat Laloo Prasad Yadav seinen derben Fehler öffentlich eingestanden und bot der Kongresspartei bedingungslose Unterstützung an. Ob man ihn für seinen Patzer vergeben wird, bleibt abzuwarten. Bisher hielt Yadav als durchaus erfolgreicher Railway Minister die Stellung und beglückte das Volk regelmäßig mit witzigen Einzeilern in Hindi. 😉

Die Kongresspartei hat bereits bekannt gegeben, dass sie sich hauptsächlich auf bereits vor der Wahl loyale Partner sowie auf unabhängige Kandidaten stützen wird, um die Ränge zu füllen. Darin sehen Analytiker und Kommentatoren auch einen herrlichen Vorteil, denn in den kommenden fünf Jahren wird der 15. Regierung somit kein intra-koalitionärer Konflikt im Weg stehen. Dr. Manmohan Singh stehen alle Mittel zur Verfügung, um den Reformkurs seiner Partei fortzuführen und sein straffes 100-Tage-Programm zum Ausbau der Infrastruktur durchzusetzen.

Derweil hat die indische Börse euphorisch reagiert: Nachdem der Index des National Stock Exchange Nifty sowie der Index des Bombay Stock Exchange Sensex innerhalb der ersten 30 Sekunden nach Börsenbeginn um 14,24% und 10,73% respektive in die Höhe schossen, musste der Handel für zwei Stunden unterbrochen werden. Als beide Märkte 11:55Uhr Ortszeit erneut geöffnet wurden, verursachte der Investorenansturm innerhalb weniger Sekunden den Abbruch des Handels für diesen Montag. Beide Indexe kletterten um 17% und sind dafür zum ersten Mal in der Geschichte der indischen Börse für einen Börsenschluss für einen gesamten Tag auf Grund massiven Kursanstieges verantwortlich.

Es bleibt zu erwarten, ob die neue Regierung den hohen Erwartungen der Wirtschaft und der Wählerschaft gerecht wird. Im Weg kann sie sich dabei höchstens selbst stehen. Auf Grund der klaren Ergebnisse wird noch innerhalb dieser Woche, frühestens aber am Mittwoch, die Bekanntgabe des neuen Kabinetts stattfinden. Dr. Singh kündete an, dass Rahul Gandhi dieses Mal einen Platz im Kabinett finden sollte, doch es ist noch nicht klar, ob dieser annehmen wird. Der 38jährige Gandhi ist der dynastische Nachfolger der Gandhifamilie; seine Arbeit vor Ort im zerfurchten, politisch schwierigen nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh wird unter anderem für den phänomenalen Sieg der Kongresspartei verantwortlich gemacht. Uttar Pradesh nimmt in der politischen Landschaft Indiens eine Schlüsselstellung ein auf Grund der 80 Mandate, die dieser Staat im Unterhaus hält.

Die größte Oppositionspartei – die hindunationalistische BJP – musste inzwischen das schlechteste Ergebnis in 20 Jahren einstecken. Früherer Parteipräsident LK Advani, der als Kandidat für den Premierposten gehandelt wurde, hat seinen Rücktritt als Oppositionsführer bekannt gegeben. Für den 81jährigen war die Wahl 2009 der letzte Anlauf, und nachdem er sich im Vorfeld zur Wahl sehr persönliche Wortkämpfe mit Dr. Singh geliefert hatte, wird allgemein erwartet, dass er aus dem politischen Rampenlicht bleicht, zumal die Kongresspartei mit ihrem Schützling Rahul Gandhi den Jugendfaktor unterschreibt: nicht nur sind zwei Drittel der indischen Bevölkerung jünger als 35 Jahre, sondern auch das neue Kabinett soll diesen demographischen Trend widerspiegeln.

Die BJP hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten durchaus nicht mit Ruhm bekleckert. Nicht nur stand LK Advanis Alter im Weg, sondern die Partei stellte auch kein wirklich relevantes Wahlprogramm vor. Schwerpunkte während der Wahl waren sowohl „Terror“ (verkörpert durch die Attentate am 26. November 2008 in Mumbai) als auch die vermeintliche Schwäche von Dr. Singh. Nachdem der junge Nachwuchspolitiker Varun Gandhi (ein Exilmitglied der Gandhifamilie) in Uttar Pradesh eine Hasstirade gegen Muslime in Fernsehkameras geschleudert hatte und kurz darauf verhaftet wurde, konnte sich die BJP nicht mehr von ihrem „Divide-and-Rule„-Image trennen. Die Kongresspartei setzte in Antwort darauf stärker auf ihren säkulären Charakter und fing damit offenbar die Stimmung der 714 Millionen Wahlberechtigten auf. Ganz besonders urbane Zentren wählten anti-BJP. Sowohl Delhi als auch Mumbai werden nach der Wahl 2009 von der Kongresspartei dominiert.

Der herbe Niederschlag für die Linke, die nicht nur ihren Regierungsposten sondern auch die traditionellen Schwerpunktstaaten Kerala und West Bengalen verloren hat, hat inzwischen zu einen internen Machtkampf losgetreten, dessen Folgen vermutlich ein Führungswechsel sein wird. Die Abwesenheit der Linken von der Regierung erfüllt die Wirtschaft mit Zuversicht.

Bisher hat sich die Kongresspartei mit mehr oder weniger erfolgreichen Sozialprogrammen wacker geschlagen, unter anderem dem sehr kostenintensiven Schuldenerlass für Bauern, ein (eher kontroverses) Arbeitsbeschaffungsprogramm und diverse Subventionsprogramme für Reis, etc. Ob die Kongresspartei nun an diesen Faden anknüpft oder nicht, Indien steht in jedem Fall eine Phase politischer Stabilität bevor.

Detaillierte Ergebnisse von der indischen Wahlkommission
Zusammenfassung der Ergebnisse