Morgen wird zwischen 5:28Uhr und 7:40Uhr in Indien eine Sonnenfinsternis zu beobachten sein. (Für die genaue Bahn der Sonnenfinsternis siehe Karte.) Solch ein Surya Grahan ist auch ein kulturelles Ereignis, welches einige Regelungen mit sich bringt.
Mehrere heilige Schriften Indiens erwähnen eine Sonnenfinsternis, darunter auch Rigveda (welche gemeinhin als älteste der vier Vedas angesehen wird). Neben einigen sehr detaillierten, gelehrten Erwähnungen der Sonnen- bzw. Mondfinsternis und wie Gelehrte darauf reagierten, gibt es auch den recht weit verbreiteten Mythos um den Dämon Rahu, der solche Finsternisse verursacht:
Auf Vishnus Anweisung hin hatten die Götter und Dämonen eine Allianz gebildet, um Nektar aus dem großen Milchozean zu gewinnen. Um den Ozean zu rühren (bzw. buttern), wurde der König der Schlangen Vasuki um den Berg Mandara gewickelt, um so einen Quirl zu formen. Die Götter unter der Leitung von Indra zogen am Schwanz der Schlange, während die Dämonen unter der Leitung von Vali am Kopf der Schlange zogen und so den Ozean in Bewegung setzten.
Wie Allianzen das an sich haben, zerbrechen sie im entscheidenden Moment. So auch diese: Als der Nektar gewonnen worden war, schnappten die Dämonen ihn sich und machten sich aus dem Staub. Daraufhin verwandelte sich Vishnu in die betörende Schönheit Mohini, um die Dämonen zu becircen. Das gelang: Mohini bekam den Nektar zurück und es wurde ihr überlassen, ihn nach ihrem Befinden auszuteilen. Manchmal sind Götter kaum weniger selbstsüchtig als Dämonen, und so teilte Mohini den Nektar ausschließlich an die Götter aus.
Der Dämone Rahu durchschaute diesen Trick, verkleidete sich als Gott und nahm zwischen Sonne und Mond Platz, um auch etwas vom süßen Nektar abzubekommen. Als er gerade die ersten Schlucke zu sich genommen hatte, erkannten Sonne und Mond ihn. Vishnu schlug Rahu zur Strafe den Kopf ab. Durch den rechtzeitigen Genuss des Nektars war Rahu allerdings unverwundbar geworden, so dass sein Kopf als Rahu und sein Körper als Ketu überlebte. Und da Rache fast so süß ist wie Nektar, revanchiert sich Rahu regelmäßig, indem er Sonne und Mond vorübergehend verdunkelt: Grahan oder Finsternisse sind die Folge.
Diese Geschichte findet sich im 35. Kapitel des Bhagavata Purana. Aus dieser Mythologie ergibt sich auch der Begriff grahanan: Greifen. An sich reißen. Rahu und Ketu fahren als unsichtbare Planeten über den Himmel und reißen hin und wieder Sonne und Mond an sich, um sie zu verdecken (Zeichnung, wie das in der vedischen Astronomie ausschaut).
(Übrigens ist dieser gemeine Nektardieb der Ursprung des Namens Rahul, und der hat auch einen süßen Zahn. ;))
Morgen hat Rahu wieder seinen großen Tag und wird die Sonne verdecken. Ein solches Ereignis bleibt für den gläubigen Hindu nicht ohne Folgen:
Rituale & Besonderheiten
Zwölf Stunden vor Beginn einer Sonnenfinsternis beginnt man zu fasten. Das liegt daran, dass Lebensmittel, die während dieser Zeit zubereitet werden, sowieso nicht zum Verzehr geeignet sind. Sie wären verunreinigt. Bei einer Mondfinsternis sind es neun Stunden. Kinder und alte Menschen fasten nur drei Stunden lang.
Man kann sich mittels Pujas (Gebeten) auf die Finsternis vorbereiten. Opfergaben an die Götter in Form von Lebensmitteln sollten vermieden werden. In dieser Vorbereitungsphase nimmt man außerdem ein Bad.
Während die Sonnenfinsternis im Gange ist, sollte auch kein Wasser getrunken werden. Stattdessen werden alle Arbeiten eingestellt, man sitzt an einem Ort und singt das Ashtakshara Mantra zu Ehren Krishnas, Shivas und Vishnus: Shri Krishna ha sharnam mama.
Tempel bleiben während einer Sonnen- oder Mondfinsternis geschlossen und öffnen erst am nächsten Tag nach einer Reihe reinigender Rituale.
Schwangere Frauen dürfen während einer Sonnenfinsternis nicht ins Freie treten, wo sie von den ungünstigen Strahlen der Finsternis getroffen werden können, da diese sonst Abnormalitäten im Kind hervorrufen können. Sie bleiben darum im Haus, welches zudem abgedunkelt sein muss, damit kein Licht durch Fenster und Türen hereintreten kann.
Manche glauben außerdem, dass es zu vermeiden ist, irgendetwas zu schneiden, während Rahu die Sonne verdeckt. Das liegt daran, dass man sich an scharfen Objekten selbst verletzten kann, und während einer Sonnenfinsternis sei der Blutfluss wohl sehr schwer zu stoppen. Aus diesem Grund sind auch Sarinadeln nicht erlaubt: Man soll sie während einer Sonnenfinsternis weder tragen noch zumachen. Für Schwangere gibt es außerdem ein besonderes Mantra: Das Santana Gopala Mantra.
Om Devaki Sudha Govinda Vasudeva Jagath Pathe
Dehimey Thanayam Krishna Thwameham Saranamgathe !
Kadhahaa Deva Deva Jagannatha Gothra Vridhi Karap Prabho
Dehimey Thanayam Sheegram Ayushmantham Yashashreenam !!
Wasser ist während der Finsternis in seiner fließenden Form ganz besonders rein & pur. Darum baden Gläubige in dieser Zeit in heiligen Flüssen, doch auch Wasserfälle sind eine gute Idee.
Ist die Sonnenfinsternis vorbei, nimmt man erneut ein Bad. Dabei behält man die Kleidung an, welche man während der Finsternis getragen hat. Nach dieser Reinigung ist es angebracht, gemäß dem eigenen Einkommen an Bedürftige zu spenden, um die Freilassung von Sonne bzw. Mond zu feiern.
Um die persönliche, rituelle Reinheit zu wahren, ist es verboten, während der Finsternis etwas zu berühren wie Lebensmittel, Kleidung oder andere Gegenstände. Tut man dies dennoch versehentlich, müssen diese Objekte gewaschen oder mit Wasser beträufelt werden.
Betroffen ist man von diesen Regelungen allerdings nur, wenn man in einem Gebiet wohnt, welches in die Bahn der Finsternis fällt. Ein Hindu also, der außerhalb der morgigen Bahn liegt, muss diese Rituale nicht befolgen.
In Mumbai beginnt die Sonnenfinsternis 5:55Uhr und läuft bis 7:20Uhr. Die genaue Zeit des Grahans ist 6:22Uhr.