Beglaubigte Kopien: Do it yourself.

Indien hat keinen guten Ruf, wenn es um Dokumente geht. Zu weit vorgedrungen sind Berichte von Fälschungen, gekauften Papieren und Do-it-Yourself-Dokumenten. Darum haben die Deutschen Vertretungen in Indien u.a. aufgehört, indische Papiere zu legalisieren. Im Fall Indien ist jedes Dokument schuldig, bis seine Unschuld bewiesen ist.

Kein Wunder also, dass die Universität Mumbais für die Immatrikulation eine ganze Batterie von Hürden aufgestellt hat, um jeden Kandidaten durch die Mühlen der Wahrheitsfindung zu schicken. So bedarf es beispielsweise zunächst eines sog. Eligibility Certificates, also einer Sicherstellung im Papierformat, dass der Kandidat auch alle Voraussetzungen erfüllt. Das heißt, alle vorausgegangenen und für das Studium notwendigen Abschlüsse müssen vorgelegt werden. Nicht ungwöhnlich, aber: Diese Papiere werden überprüft, die vorherige Uni wird kontaktiert und es wird gefragt, ob Kandidat XYZ tatsächlich dort den besagten Kurs belegt hat. In einem Land, in dem man sich einen Abschluss kaufen kann, ist das vermutlich keine so schlechte Idee. :yes:

Dieses Eligibility Certificate, für das ich heute sagenumwobene drei Stunden in der Schlange stand, |-| gibt es nur gegen Einreichen aller notwendigen Papiere in dreifacher Ausführung. Eine einfache Kopie genügt nicht. Jedes Dokument muss als beglaubigte Kopie abgegeben werden. Das war für mich nur so lange einleuchtend, bis ich sah, wie man in den Besitz einer solchen beglaubigten Kopie gelangt:

Man stelle sich ein kleines Häuschen vor, in dem ein Tisch steht. An dem Tisch sitzt ein Mann mit einem Stempelkissen und zwei/drei Stempeln (siehe Foto). Vor dem Tisch befindet sich, wie überhall in Indien, eine unendlich lange Schlange. Wichtig ist, was am Stempelkissen abgeht: man stempelt seine Dokumente nämlich selber ab. Das heißt, ich habe heute alle meine Kopien fröhlich abgestempelt, ohne dass irgendwer überprüft hätte, ob es sich wirklich um eine nicht-manipulierte Kopie handelte. Am Schluss gibt es noch ein Autogramm des Mannes am Tisch und fertig ist die beglaubigte Kopie. Manchmal trägt man sich noch in ein Registerbuch ein, aber ich bin auch schon ohne durchgekommen.

attested copy

Hmmmmm.

Der Service ist kostenlos, weswegen ich das alles gleich noch viel weniger verstehe. :??: Aber da mir noch mindestens zwei weitere Besuche an der Uni bevorstehen, werde ich vielleicht herausfinden, was das alles soll. Vielleicht auch nicht. :))

Indien lernt.

Schlaubi Schlumpf muss indischer Abstammung gewesen sein. Zu dieser Erkenntnis bin ich nach der heutigen Morgenlektüre gekommen, die sich hingebungsvoll dem Thema der kürzlich stattgefundenen ICSE-Examen widmeten. ICSE steht für Indian Certificate of Secondary Education (10. Klasse) und ist eine der wichtigsten Schnittstellen im Leben indischer Schüler. Gute Noten genügen schon lange nicht mehr, um einen Platz in den wenigen guten Universitäten zu bekommen. Sehr gute Noten müssen her. Das heißt im Klartext 95% und mehr.

students

Über 100.000 Schüler in Indien schrieben dieses Examen im März diesen Jahres, und ganze 98,04% haben bestanden. Sieben Prüfungen müssen abgelegt werden, wofür eine breite Auswahl von Fächern zur Verfügung steht. Dann wird den Stromausfällen und allen anderen Widrigkeiten der Welt getrotzt und gebüffelt, damit man, wie die 15jährige Janaki aus Thane, vielleicht an der Spitze aller Kandidaten stehen und in den folgenden Tagen Interviews für Tageszeitungen und Fernsehsender geben kann, um die übrigen, unglücklichen Schüler in den mentalen Ruin zu treiben, da sie keine 98,28% als Durchschnittsergebnis vorzuweisen haben.

Während man in Deutschland lediglich in einer kleinen Spalte auf der Seite mit den Lokalnachrichten etwas über Prüfungen liest, handelt es sich in Indien bei Prüfungen und Prüfungsergebnissen um große Neuigkeiten. Die Mittelklasse, die sich keine internationale Ausbildung für ihre Knirpse leisten kann, ist darauf angewiesen, dass die Sprösslinge sich mit ihren Prüfungen in die 90er Kategorie katapultiert, um überhaupt eine Chance auf einen Platz in einem guten College zu haben. Ein Numerus Clausus von 93% für naturwissenschaftliche Kurse, 89% für commerce und 85% für geisteswissenschaftliche Kurse – keine Seltenheit in Indien, wo einfach kein Platz für „guten Durchschnitt“ ist.
Folglich übersetzt sich die Quälerei mit den Lehrbüchern in eine nationale Obsession, die jedes Jahr im Februar beginnt und sich bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse (dieses Jahr am 20. Mai, 15Uhr) hinzieht. Die Fernsehwerbung steckt voller Kellogg’s Cornflakes mit Iron Shakti (Kraft), Getränkezusätze mit Multivitaminen und anderen Produkten, die mit Hilfe erfolgreicher, ewig lernender Kinder angepriesen werden.

Coaching Classes (Nachhilfe) sind derweile schon lange ein Bombengeschäft. Die meisten Schüler besuchen Nachhilfestunden. Auch Janaki aus Thane setzte sich in Mathe und Physik in die Nachhilfe, die häufig mehr kostet als die Schulgebühren.

Rund um die Prüfungszeiten baumeln dann wieder viele Schüler von den Deckenventilatoren ihrer Wohnungen oder schluchzen in die heiß laufenden Apparate der Seelsorge, um über den Schmerz einer Durchschnittsnote von 85% statt der erwarteten 92% hinwegzukommen und den Mut zu sammeln, diese Blamage ihren Eltern beizubringen.

Es ist nicht leicht, ein Schüler in Indien zu sein.

Von Fluchtversuchen und Wachpersonal

Obwohl es die Überschrift vermuten lässt, geht es heute trotzdem nicht um staatliche Einrichtungen zur Aufbewahrung krimineller Elemente. Eigentlich gehts nur mal wieder um mein College. Irgendwie hab ich am Entlüften peinlicher Fakten ein großes Gefallen gefunden. Ich ergötze mich an euren ungläubigen Gesichtern…

Tor zur Hölle
Das Tor zur Hölle

Dieses Foto zeigt das Eingangstor zum College. Ich schreibe bewusst Eingangstor, denn wenn man einmal drin ist, kommt man nimmer raus. So ein bisschen wie Hotel California. You can check out any time you like, but you can never leave.

Wenn man also morgens aufsteht, sollte man sich genau überlegen, ob man sich diesen Spuk antut, denn sobald sich die Tore hinter einem geschlossen haben, gibt es nur dreierlei Möglichkeiten, um diesem Zirkus zu entkommen.

1.
„Dear Sister Soundso, ach ist mir schlecht. Ich glaub, ich geh mal nach Hause um einen ordentlichen Kamillentee zu trinken.“

Für solche Fälle gibt es ein super Krankenbett, wo man sich dann hinhaun kann. Sollte die schauspielerische Leistung enorm gelungen sein, könnte es unter Umständen sein, dass man ein kleines Kärtchen von der Schwester ausgehändigt bekommt, auf dem das Datum, der Name der Studentin sowie eine Erlaubnis zum Verlassen des Geländes steht.
Diesen meist abgestempelten Wisch (manchmal auf der Rückseite von in kleine Kärtchen geschnittenen Kekspackungen geschrieben) händigt man dann dem Wächter aus, so dass dieser das Tor öffne.

2.
Mit ein paar Rupien kann man den Wächter selbstverfreilich auch gnädig stimmen, so dass dieser entgegen seiner Anweisungen das Tor ein Stück weit öffnet, bis du hindurch geschlüpft bist.

3.
Wenn hoher Besuch kommt, lässt der Geheimbund der Schwestern die Tore offen, denn es sieht nicht schön aus, wenn ein großer Schwarm Mädels sich in Horden vorm Tor versammeln und Freiheit durch die Gitterstäbe schnüffelt.

Als ich zum ersten Mal ahnungslos das Gelände betrat, gab es noch niedrige Tore, die man notfalls erklimmen konnte. Sollten dann mal für viele Kurse die Vorlesungen ausgefallen sein, versammelte sich immer ein großer Schwall vor diesem Tor. Sobald die Emotionen überschwappten, sobald der Freiheitsdrang übermächtig wurde, ergoss sich ein Schwall tollkühner Mädels über das Tor und sprang ins Freie.

Glaubt ihr mir wieder nicht, wie?