Indiens Obsession mit Cricket ist längst kein Geheimnis mehr. Und endlich gibt es die Indian Premier League, so eine Art Cricket-Bundesliga für alle die, denen die in kurzen Abständen stattfindenden Testspiele, Worldcups, Freundschaftsspiele usw. nicht genügen. Die Teams wurden für viele Rupien ersteigert von den Schönen und Reichen (wie Preity Zinta und Shah Rukh Khan) und den Reichen (wie Mukesh Ambani und Ness Wadia) und den Lebemännern (wie Dr. Vijay Mallya) Indiens. Auch die Spieler (darunter zum ersten Mal auch internationale Spieler) wurden für jede Menge Zaster und unter einigen kritischen Kommentaren („Sklavenmarkt“) verhökert und rennen seit dem 18. April über den Rasen, um Ball zu spielen.
Stolze acht Teams lümmeln also in ihren bunten Trikots in den Cricketstadien Indiens herum und sind dabei, eine ganze neue Industrie aufzubauen. Einige Teams tragen solch inspirative Namen wie „Mumbai Indians“ (Vermutlich eine Anspielung auf die kürzliche Migrantendebatte in Maharashtra, wonach sich Marathen gegen indische Zuwanderer aus anderen indischen Städten wehrten.)
Das Kolkata-Team (früher Kalkutta) gehört Shah Rukh Khan und schimpft sich „Kolkata Knight Riders“. B)
Die „Rajasthan Royals“ (vertreten Jaipur) widerum sind nicht in aller Munde, da sie keinem populären Miedenbubi gehören, sondern Emerging Media Group. Wem??? Eben! 😉
Das Bangaloreteam hingegen trägt den aussagekräftige Namen „Royal Challengers Bangalore“, eine überdeutliche Ersatzwerbung für Royal Challenge (populäre Whiskeymarke). Alkoholwerbung ist in Indien verboten (Blogartikel zum Thema; aktuelles Dossier zum Thema). Das Bangalore-Team trägt nicht nur den Namen des Whiskeys, sondern im Großen und Ganzen auch dessen Logo auf dem Trikot spazieren und wird – logisch – vom Kingfisher-Bier-Mogul Dr. Vijay Mallya am Rupientropf genährt. Ich mag Mallya. Er ist reich, schämt sich dafür nicht und bringt jede Menge Spaß nach Indien. Cheerleader zum Beispiel.
Cheerleader sind, so haben kürzlich diverse Politiker, gelangweilte Hausfrauen, angetrocknete Moralisten und gar einige Vertreter der freien Wirtschaft (wie Werbeguru Santosh Desai) festgestellt, ein unausgezogenes Übel des Westens, das die indische Kultur ruiniere, Frauen degradiere und den Gentleman’s Sport Cricket durch den Dreck ziehe. Die Damen haben sich nun in Städten wie Mumbai etwas übergezogen (nämlich lange Hosen). Und nachdem sich die bösen Buben des indischen Cricket (Harbhajan Singh und Sreesanth) auf dem Rasen geboxt haben, fällt auch der Gentleman-Kommentar flach. Gentleman benützen für sowas ihren Handschuh! 🙄
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Nun, IPL hat geschafft, worauf die Organisatoren gehofft hatten: Es macht Schlagzeilen. Ganz Indien schaute die folgenden Tage den weinenden Sreesanth (der die Ohrfeige eingesteckt hatte) in der Endlosschleife. Später beteuerte Harbhajan Singh (der die Ohrfeige ausgeteilt hatte), Sreesanth sei sein jüngerer Bruder. Sreesanth beteuerte wiederum, Harbhajan sei sein älterer Bruder. Und dann wurde auch das langweilig. Zurück zu den Cheerleadern:
Die wurden jüngst mit leeren Plastikflaschen beworfen. Was die Politiker und Moralisten nicht schafften, brachten Fans fertig: sie jagten die Damen vom Feld.
Doch das Allerschönste an der Indian Premier League sind die kleinen Werbefilme. Im Folgenden die Geschichte von Manos und Ranjans Vater, der ihr ganzes Leben lang mit Abwesenheit glänzt:
Der Spot ist eine Verulkung der in Indien so beliebten Saas-Bahu-Seifenopern (Schwiegermutter/-tochter) und ist darum absichtlich melodramatisch gestaltet. Ihr ganzes Leben lang warten Zwillinge Mano und Ranjan auf ihren Vater, von dessen Rückkehr sie – anders als die Bewohner ihres Dorfes – fest überzeugt sind. Jeder zieht sowohl die Zwillinge als auch ihre Mutter deswegen auf: Der Dorfpriester hält sie zu einer zweiten Ehe an. Der Dorfgoonda (Bully) macht Anspielungen. Und alle fragen immer wieder: Wo ist denn Manos und Ranjans Vater? Während die Jungs immer saftig zurück geben, er wird garantiert zurückkommen.
Besonders schön: die angebrochene Selbstmordszene. Manos und Ranjans Mutter möchte sich à la Saas-Bahu-Tradition in den Brunnen stürtzen.
Doch dann: die Wendung. Manoranjan ka Baap ist da! Mano und Ranjan haben es ja immer gewusst! 😉 Manoranjan heißt „Unterhaltung“. Der Vater (baap) aller Unterhaltungen. Schlechter Scherz, aber sehr gut umgesetzt und im Vorfeld der IPL ein Dauerbrenner auf so ziemlich jedem Sender.
Es steht fest: Cricket ist unverwüstlich! Und macht irgendwie auch Spaß.