Seife. Zahnpasta. Spülmittel. Haarwäsche Shampoo. Mundspülung. Gesichtsreiniger. Waschmittel. Gülle Toilettenspülung. Desinfektionsmittel. Bleiche. Weichspüler. Duschgel. Haarspülung. Haarfarbe. Pflegespülung. All das und noch viel meer mehr rinnt jetzt durch die Abwasserrohre. Rein in die Kanalisation/Gräben. Dreimal links und fünfmal rechts abbiegen. Rein in die Sturmwasserkanäle. Und dann ab… ins Meer. Ins weite, weite Meer.
Indien hat nicht genug Abwasserkläranlagen für den Dreck, den wir produzieren. Nur 35% des Abwassers werden behandelt. Der Rest fließt so, wie Haushalte und Industrie ihn geschaffen haben, unbehandelt ins weite, weite Meer.
Das weite, weite Meer vor Carter Road, Bandra (Mumbai/Bombay)
Gänsehaut. Aufgestelltes Nackenhaar. Migräne. Ekel. All das und noch viel mehr.
Ich halte eine Probepackung Cif in Händen. Das ist so ein Mädchen für alles. Alles, das sauber sein soll. Drei Tropfen auf den Herd. Rubbel-rubbel. Strahlender Glanz. Lappen auswaschen. Cif im Meer. Im weiten, weiten Meer. Was wohl die Fische dazu sagen? Zwei Fischfilet im Gefrierfach. Lecker.
Cif und all die anderen Produkte, die Indien heute – werbeinduziert – benutzt, stets auf der Suche nach dem weißesten Weiß, 99,9% toten Bakterien und streifenfreien Glanz: All das fließt ins Meer. Ein Primetime-Werbeblock auf einschlägigen Unterhaltungskanälen befördert ein äußerst bedrückendes Bild zu Tage: Indien bekommt die Angst vor Killerbakterien und Schmutz eingehämmert, auf das in Zukunft noch mehr Desinfektionsmittel benutzt werden. Das ist toll. Für die Fische. Die haben schließlich auch ein Hygienebewusstsein.
Das heißt nun also, dass man bei jedem Tropfen Spülmittel ein seltsames Ziehen verspürt. Und es stellt sich die Frage: Lass ich die Mundspülung heute mal weg? Brauch ich wirklich eine Pflegespülung? Nehm ich einfach „273 in 1“-Shampoo. Oder? Oder? Oder?
Biologisch abbaubare Produkte gibt es hier nicht. Die Waschnuss vielleicht, doch so etwas benutzt in den Städten niemand. Was tun? Wie verklickere ich das meinem Gewissen? Wie viele Giftstoffe habe ich heute schon ins weite, weite Meer gejagt? Und gestern? Und letzte Woche? Und in den vergangenenn acht Jahren?
Und dann… ah ja dann fällt mir ein, dass ich ja noch ganz viele Videos zu bearbeiten habe. Dass mein Artikel noch nicht fertig geschrieben ist. Dass ich noch unbeantwortete Emails habe. Dass das Leben weitergeht. Hoffentlich auch im weiten, weiten Meer. – Die Kunst der Verdrängung ist eine Notwendigkeit. Wie der Bau von Kläranlagen.
Die Wut
Außerdem ist Indien beschäftigt. Wir feiern Ganesh Chaturthi. Ich gebe mir Mühe, die religiösen Bedürfnisse meiner Mitmenschen zu respektieren. Aber ich kann nicht. Es kotzt mich an, dass die Idole des Elefantengottes Ganesha am Ende dieses zehntägigen Festivals ins Meer geworfen werden. Zum Cif, sozusagen. Traditionell waren das vielleicht mal Lehmidole, die man mit natürlichen Farben angemalt hatte. Heute ist das stinknormaler industrieller Gips (PoP) mit bleihaltigen Farben. Es kotzt mich an.
Muss Indien so tun, als müssten sie erst noch Erfahrung machen? Wieso kann man nicht mal zur Abwechslung anderer Leute Erfahrung nutzen? Die der westlichen Welt zum Beispiel, die während der Industrialisierung dann schon bemerkte, dass den Fischen das Wasser nicht mehr schmeckt. Ich komme aus einer ehemaligen Textilstadt. Das Flusswasser hatte während der Besatzungszeit durch unsere Kammeraden jeden Tag eine andere Farbe. Nur Fische hatte es keine. Dann fiel das mal jemandem auf, und heute kann man wieder auf den Grund des Flusses blicken – es sei denn, ein Fisch schwimmt im Weg herum.
Muss Indien das erst lernen? Dann schlage ich vor, die „Verantwortlichen“ nehmen sich ihre Lieblingstasse aus dem Küchenschrank, gehen mal zum nächsten Fluss und nehmen einen Schluck der Plörre.
Aber wie gesagt, ich hab Videos zu bearbeiten und eigentlich gar keine Zeit. :lalala:
Wens interessiert:
Status of water supply and wastewater generation and treatment in Class-I cities and Class-II towns in India
A report by Central Pollution Control Board (2009)