Das Dhobi Ghat neben dem Bahnhof in Mahalaxmi ist eine der berühmtesten 5-Minuten-Seheneswürdigkeiten in Mumbai. Touristen kommen, schauen von der Brücke nach unten, klicken ein Foto, stellen sich die eine oder andere hygienisch motivierte Frage und gehen dann wieder.
Wir nutzten einen herrlichen Samstag Nachmittag und begaben uns in die Höhle des Weißen Riesen.
Die gemauerten Waschbecken werden von Wäschern (Dhobis) für 300 Rupien monatlich gemietet, damit sie ihrer (geerbten) Tätigkeit nachgehen können. 10.000 Arbeiter gehen in den sieben zusammenhängenden Sektoren des Dhobi Ghats in Mahalaxmi täglich ihrer Arbeit nach und nehmen 10lakh Kleidungsstücke (1 Million) in die Mangel.
Pro Kleidungskombination (jeweils 2 Stk, bspw. Oberhemd und Hose) werden durchschnittlich 10 bis 15 Rupien berechnet.
Der Waschprozess ist in 7 Schritte unterteilt:
1. Abholung der Kleidung vom Auftragsgeber. Das können Privatpersonen sein oder auch Hotels wie das Taj.
2. Die Kleidungsstücke werden mit Anhängern markiert, um sie später identifizieren zu können.
3. Für mehrere Stunden weicht man sie ein.
4. Waschen. Das berühmte „Ausklopfen“ auf einen im Waschbecken eingemauerten Stein mit schiefer Ebene.
5. Spülen.
6. Trocknen.
7. Ausliefern.
Sieben Schritte täglich für eine Million Kleidungsstücke.
Während des Monsuns fällt das Trocknen logischerweise weg. Die Kleidung wird im nassen Zustand ausgeliefert und der Kunde muss sich selbst drum kümmern, wie er die Kleidung schranktrocken bekommt.
Für Aufträge vom chor bazaar (Diebesmarkt) gibt es eine Sonderrate von 3 Rupien pro Sari. Die Herkunft der vom chor bazaar in Auftrag gegebenen Kleidungsstücke ist zweifelhaft, doch einen Waschgang später werden sie frisch verpackt und verkauft. Wir schauen zu, wie Männer in trockenen Waschbecken sitzen und aus dem Kauderwelsch eines bunten Stoffberges Saris ziehen, diese auf Materialfehler, Löcher und Flecken untersuchen, zusammenbinden und fürs Waschen startklar machen. Die Saris werden nicht als offene Stoffbahn gewaschen, sondern wie eine Zieharmonika zusammengefaltet, an einem Ende zusammengebunden und so bearbeitet.
Durch das gesamte Ghat schlängeln sich dünne Wasserrohre. Einige 2cm dick, andere stolze 5cm im Durchmesser. Es handelt sich um legale und illegale Wasserleitungen. Von der Stadtverwaltung (BMC) erhält das Dhobi Ghat nämlich nur eine Stunde pro Tag Wasser. Die restlichen 23 Stunden fließt Wasser durch die illegalen Leitungen und beschert einer vermutlich beachtlichen Menge Beamten eine beachtliche Summe Schummelgelder.
Hier und da riecht es nach Bleichmittel. Wir beobachten ein privates Unternehmen, dessen „Fabrikhalle“ im Dhobi Ghat angesiedelt ist, dabei, wie sie weiße Hemden von Flecken befreien, indem sie großzügig mit Bleichmittel arbeiten. Die Hemden mit hübschen schwarzen Borten aus Samt wurden in Indien genäht. Nach einer Runde im Schwimmbecken erhalten sie neue Etiketten und stammen dann beispielsweise aus der EU. Die Mitarbeiter des „Unternehmens“ führen uns stolz vor, wie sie einen bräunlichen Fleck von einem Hemd bleichen und es dann zum Einweichen in ein naheliegendes Waschbecken werfen. Auf dem Wellblechdach über ihrem Geschäft hängen unendliche Leinen voller weißer Oberhemden mit hübschen schwarzen Samtborten und flattern im Wind. Fertig für den Export.
Mit diesen (lizensierten) Karren und auf diese Weise in Bündel gewickelt werden die Kleidungsstücke abgeholt und wieder ausgeliefert. (Hier im Chor Bazaar)
Auch Krankenhäuser lassen ihre Laken im Dhobi Ghat waschen. Um für Hygiene zu sorgen, werden diese Laken allerdings zwei Stunden lang gekocht. Wir arbeiten uns unter die Wellblechdächer vor und schauen uns die enormen Kessel an, in denen Handtücher, Laken, etc. schwimmen, während Holz in den Ofen geladen wird, um das Feuer zu halten.
Im Ghat wird nicht nur gearbeitet sondern auch gelebt. Um die Waschbecken herum stehen kleine Blechhütten mit zwei Etagen und wenig Licht. Bis zu 20 Menschen teilen sich so eine Hütte und zahlen dafür Miete, wenn es nicht ihre eigene ist. In einem Nebenraum, der fürs Kochen und Essen gedacht ist, stehen lauter Blechdosen herum. Darin bewahren die Dhobis ihr Hab und Gut auf.
Wenn nicht gewaschen wird, dann wird gegessen und geschlafen. Auf Bänken, in leeren Waschbecken, neben den heißen Kesseln und überall da, wo gerade Platz ist, sieht man Männer schlafen. Andere duschen, waschen sich die Haare in und neben den Waschbecken. Ein Chaiwala (Teeverkäufer) kommt durchs Ghat gelaufen und teilt Teegläser an die Wäscher aus, die sofort eine Pause einlegen – die Füße noch in der Lauge, ihre selbstgebastelte Plastikschürze noch um die Hüfte, der Schweiß noch auf der Stirn. Unter einem Wellblechdach sehe ich zwei rote Zahnbürsten, die dort zur Aufbewahrung hingesteckt worden sind. Überall Zeichen eines Wohnraumes.
Das Ghat ist den Umständen entsprechend sauber. Hier und da liegen Reis und Dal in der Nähe eines Abflusses, und im Mitteltrog zwischen den Waschbecken steht das Wasser, so dass sich ein suspekter, dunkelgrüner Belag darauf gebildet hat. Aber außer dem Geruch von Bleichmittel rieche ich nichts.
Unsere Gegenwart im Ghat erweckt wenig Interesse. Man geht stoisch seiner Arbeit nach. 120 Rupien werden dafür pro Tag ausgezahlt. Unentwegt kommen frische Ballen voller Kleidungsstücke an. Wird Wäsche gewaschen. Aufgehangen. Gebügelt. Gefaltet. Ausgeliefert.
Hier und da stehen Schleudermaschinen herum. Es sind top-loader Trommeln, in die die nasse Kleidung vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl eingestapelt wird, bevor sich die Trommel in Gang setzt. Wir beobachten einen Mann dabei, wie er kleinere Kleidungsstücke in ein großes Laken wickelt und diese Stoffwurst in die Trommel quetscht. Er schlägt mit der Flachen Hand von oben auf die Wurst, drückt dann, quetscht hier und da, schlägt wieder darauf, und hat am Ende eine enorme Kleiderschlange in die Trommel gewürgt, die zuvor nicht den Anschein erweckt hatte, als ob sie jemals dahineinpassen würde.
Während wir uns durch das Ghat führen lassen (100Rupien pro Ticket), werden ohne Unterlass Touristen an das Geländer der Treppen gespült und schauen hinunter auf die Wäscher. Von oben sah alles schmutziger aus, als es im Endeffekt war. Trotz der Einschränkungen wie der inadequaten Unterbringung der Wäscher und ihrer Familien, der schlechten Wasserversorgung et al, läuft das Geschäft im Dhobi Ghat unaufhaltsam weiter.
Ein Fotoessay mit weiteren Fotos vor Ort im Ghat gibt es in Kürze.