Voller Titel: Der singende, klingende, dich in den Wahnsinn treibende Fahrstuhl
Ich habe wieder was zu Meckern gefunden!
Knausrigkeit war noch nie meine Staerke. Das wissen wir nicht erst seit diesem Tag: Mathe für Anfänger (Teil 8 der Sendung mit der Ratte, die uns wahrscheinlich noch heute beglücken würde, wenn sie nicht auf so grausame Art und Weise verschieden wäre).
Was bei mir nicht funktioniert, klappt bei Bauunternehmen prima, wie mir scheint. Echter Geiz in Reinform! Das sieht dann so aus, dass man an den Fahrstühlen spart, wenn man sie schon der vielen Stockwerke wegen einbauen muss. Man weigert sich also, diejenigen Teile an den Fahrstuhl zu montieren, die nicht unbedingt notwendig sind: Türen, zum Beispiel. Automatische Türen. Stattdessen gibt es diese furchtbaren Schiebegitter. Man kennt das aus Filmen, und zwar aus zweierlei Sorten: erstens aus alten Filmen oder solchen, die Fahrstühle in einer Zeit zeigen, in der die Türen noch nicht erfunden waren. Und zweitens aus Horrorfilmen. Den Billigen, meine ich.
Ich finde diese Fahrstühle unästhetisch. 🙄
Aber ich bin bereit, selbst der hässlichsten Realität ins Auge zu schauen. Hin und wieder schau ich drei Minuten indische Seifenopern. Wenns im linken Arm kribbelt, schalte ich dann aber gezwungenermaßen um.
Aber diese Gitterschiebetüren sind zudem unpraktisch, nervtötend und hundsgemein.
1 – Unpraktisch:
Nachdem du alle Plastiktüten mit den Lebensmitteln aus dem Kofferraum gefischt und sie mit viel Sorgsamkeit über sämtliche Finger verteilt hast, stehst du vor dem Lift und darfst die Tüten alle wieder fallen lassen, denn man muss diese Gitter selber aufschieben. Wo der Fahrstuhlmann ist, wenn man ihn braucht, möcht ich gern mal wissen! |-|
Und diese Türen sind gar nicht so leicht. Das heißt, man kann da versuchen, mit einem übrig gebliebenen Finger am Gitter herumzurütteln, weil man sich weigert, die Tüten abzustellen – kannst du vergessen. Das erfordert die Kraft eines ganzen Armes.
2 – Nervtötend:
Wenn etwas nicht automatisch geht, dann macht es keiner. Nicht umsonst hat meine Mutti immer gesagt, sie „macht mir gleich nen Haken an den A…Hintern“, wenn ich die Türen offen stehen lassen hab.
Außerdem muss man sich nicht fragen, wie viele Einkaufstrollies quer durch deutsche Landen geschoben und irgendwo im Gebüsch ausgesetzt worden sind, bevor jemand die gewiefte Idee hatte, diese neckische Münzvorrichtung an selbige zu basteln. Sieht man ja in Indien, wo es diese Münzvorrichtung (noch) nicht gibt: das Parkhaus ist ein Parcour aus Einkaufswagen. Große Supermärkte stellen extra Leute an, die den lieben langen Tag nichts machen, außer die verlassenen Trollys einzusammeln. 8|
Also mussten die Erfinder des Billigfahrstuhls sich etwas einfallen lassen. Die Idee meiner Mutti ist kaum umsetzbar, und das mit den Münzen… ich weiß nicht recht. Darum haben sie einen Melodiekasten in den Fahrstuhl gebaut, und so lange die Tür offen steht, dudelt es. Aus unerfindlichen Gründen scheint in ganz Mumbai diegleiche Melodie zu spielen, ganz egal, welcher Hersteller den Fahrstuhl gebastelt hat. Selten höre ich ein anderes Lied als das, welches ich in meinen Träumen – meinen Albträumen – spielen höre.
U-(
Diiiiiing Ding Ding Ding Ding, Ding Ding Ding Ding Diiiiiiing…. in der Endlosschleife. Oder zumindest so lange, bis die verdammte Tür wieder zu ist. Da… da ist sie wieder….
Manchmal lassen schwerhörige Leute die Tür offen. Was auch immer in deren Hirn nicht eingerastet hat! Aber so lange die Tür offen ist, dudelt es. Und der Fahrstuhl bewegt sich nicht. Das heißt, hin und wieder vernimmt man ein wutentbranntes, schnaufendes Stampfen im Treppenhaus (das bin dann ich), wenn ich da runter oder da hoch flitze, um das Brett zuzumachen. Mannomann! Hätte der Erfinder dieser Fahrstuhlmelodie ja wissen können, dass viele Inder freiwillige Taubheit entwickelt haben.
3 – Hundsgemein
Drittens und letztens ist so ein Fahrstuhl auch ein kleines Ferkel. Nicht im Sinne von lecker, sondern im Sinne von schmutzig! Denn so eine Gittertür muss gut geölt sein. „Gut schmieren“ ist in Indien so etwas wie Tradition, die sich von Ämtern über Polizeistationen hin zu Fahrstühlen erstreckt. Und dann sitzen sie dort und lauern – die Schmiere-Tropfen. Rahul hat es bereits erwischt. Plopp: ein fetter Tropfen dunkelbrauner Schmiere auf dem frisch gebügelten Oberhemd. Das macht Gaudi!
Sobald ich kraftvoll das Gitter zur Seite geschoben habe, schaue ich also prüfend nach oben, ob ein Tropfen groß und fett genug ist, um sich gleich auf ahnungslose Opfer abzuseilen, und dann erst hüpfe ich hinein – auch auf die Gefahr hin, dass ich bis dahin taub bin.
Manchmal hab ich echt Heimweh nach Bangalore. In meine schöne Gated Community. Mit drei Fahrstühlen, die alle automatisch auf und zu gingen und dabei die Klappe gehalten haben.