Fotostrecke Chail

Des korumpierten Laptops wegen hatte ich an dieser Stelle ganz vergessen, den grandiosen Abschluss unserer Bergtour, nämlich Chail, mit einem Eintrag zu würdigen. Aus diesem Grund gibts hier jetzt einfach ein paar Fotos zur letzten Etappe unseres Ausflugs.

In Chail hatte Maharaja sich Maharaja Bhupinder Singh von Patiala ein kleines Lustschlösschen gebaut, nachdem er seines freizügigen Verhaltens englischer Damen gegenüber wegen aus Shimla verbannt worden war. Dieser Sommerpalast wurde leider gerade renoviert, weswegen wir keins der herrlichen Zimmer mieten konnten. Wir gaben uns mit einem Bungalow im dichten Wald zufrieden, was sich als richtig schön romantisch herausstellte.

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Weniger romantisch dann der Regen, der in der Nacht einsetzte und auch am nächsten Morgen nicht aussetzen wollte. Somit brachen wir den Urlaub kurzerhand ab und verließen Chail, ohne wirklich etwas davon gesehen zu haben. Die sensationelle Überraschung war allerdings die Heimfahrt, denn das Tal war in dichten Nebel getaucht, der wie große, fette Eidechsen durch die Schluchten kroch.

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Die Strecke nach Dharampur, wo man den Highway nach Chandigarh erreicht, war nicht sonderlich lang, doch die Straße war eng und komplett verlassen. Durch den Regen perlten überall die Tropfen von den Blättern und es war absolut still. Die Luft war klar und duftete nach nasser Erde.

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Und es gab Kirschbäume. Zu Hause hatten wir einen alten Sauerkirschbaum im Garten, doch den hab ich schon seit Jahren nicht mehr blühen sehen. Um so schöner war es, die zarten Blüten in dieser Stille sehen zu können.

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Abschließend kann ich sagen, dass wir sehr froh waren, dass es geregnet hat. Somit haben wir in nur vier Tagen die Berge im Sonnenlicht leuchten sehen. Die Wolken haben interessante Schatten geworfen. Plötzlich waren wir von Schnee und Matsch umgeben und ritten auf Stöckelschuh-Ponys durch die Gegend, und am Ende tauchten wir in den Nebel des Tals ein. Somit haben wir den Reisekatalog im Schnelldurchgang durchgeblättert. Schön.

Kufri – Nach dem Fegefeuer links abbiegen

Nachdem wir uns heimlich, still und leise aus der Flitterhölle verabschiedet hatten, schlitterten wir durch die schönste Natur in die nächste Falle. Denn wenn der Samtbezüge wegen das große Augenzucken anfängt, reisen auch die Hochzeitspärchen weiter. Nach Kufri. Wie wir.

Kufri

Dabei handelt es sich um ein kleines Dorf, welches nur deshalb nennenswert ist, weil ich dort war. :yes: Es liegt 2510 Meter hoch oben im Himmel und bot uns etwas, dass ich schon seit Jahren nicht mehr in Echt und Wirklichkeit gesehen hatte: nämlich Schnee.

Eines Gendefektes wegen, wonach Männer Schmutz mit Abenteuer assoziieren, schwangen wir uns auf zwei kleine Ponys und folgten der schunkelnden Karawane den Hügel hinauf, um zum viel gepriesenen Aussichtspunkt zu gelangen. Um der fehlerhaften Vorstellung, dass dies irgendwas mit Romantik zu tun haben könnte, gleich mal den Garaus zu machen, skizziere ich im Folgenden, wie das Ganze wirklich aussah.

Kufri 02

Zunächst waren wir nicht allein. Umringt von Millioooonen Flitterpärchen :wave: auf zotteligen Ponyrücken staksten wir durch den Mysterymix aus Schneematsch, Schlamm und Ponyäpfeln. Mein armes Reittierchen lief, als hätte ihm ein Scherzkeks Stöckelschuh angeschnallt. Im Mysterymix schwammen Milliarden großer Steine herum, über die mein Stilettopony stolperte. Ich klammerte mich an den Sattel und stellte mir bei jedem neuen Schlitterschritt vor, wie ich den erstebesten Menschen, den ich erwische, im Matsch ersäufte, nachdem ich in selbigen gefallen sein würde. Auf einer grünen, mit Blumen gewachsenen Koppel einen anderthalben Meter tief zu fallen tut mir nicht weh. Doch nachdem Rahuls Pony, das vor mir lief (ohne Pfennigabsätze) dem Mysterymix noch zwei Äpfelchen zufügte, welches mein Pony dann fröhlich umrührte, entstand in meinen vor Angst zitternden Hirnwindungen die Gier nach Rache.

Da ihr in letzter Zeit nicht von einer Ponykacke-überzogenen Massenmörderin in der Zeitung gelesen habt, wisst ihr: ich fiel nicht runter.

Einziger Lacher während dieser Schaukeltortur: Rahuls Pony furzte mich an und erinnerte mich an längst vergangene Zeiten.

Kufri 03

Oben angekommen gab es a) einen wunderbaren Ausblick und b) Yaks zum Reiten. Und Flitterpärchen. Wir waren nicht sicher. Ich erkannte sogar ein Paar wieder, das ich wenige Stunden zuvor in The Mall in Shimla vorbeischweben gesehen hatte. Die Welt ist klein. Der Weg von Shimla nach Kufri nur 14km lang.

Auch am folgenden Tag in Chail konnten wir die Ehefrischlinge nicht abschütteln… Doch ich gelobe, sie nicht mehr zu erwähnen :yes:

Kufri

Shimla, die Flitterhölle

Viel wurde über Sardinenbüchsen geschrieben. Wie eng es dort drin angeblich ist und wie unbequem es infolgedessen für die vielen kleinen in Öl gebetteten Fische sein muss.

Doch nichts davon konnte uns auf Shimla vorbereiten. Shimla war während der Kolonialherrschaft der Menschen mit dem trockensten Humor der Welt Teilzeithauptstadt. Während der heißen Sommermonate verbrennt man sich anderswo in Indien das Fell, also liegt es doch nahe, sich in die luftigen Berge zurück zu ziehen. Dass ich mir dort dann dennoch eine solche unschöne Rötung der Haut zuzog, ist pure Ironie.

Inzwischen wurde Shimla eine Vollzeitposition als Hauptstadt des Bundesstaates Himachal Pradesh angeboten. Dieser Umstand in Verbindung mit dem unnachlässigen Tourismus hat diese Stadt zu dem gemacht, was sie heute ist: Ein Abbild eines beliebigen Slums an einem beliebigen Hang in einer beliebigen Stadt da, wo der Finger auf dem Globus hängen bleibt. Nur eben bunter.

Shimla - Bogota

Ich warte darauf, dass sich eine enorme Lawine aus Ziegelsteinen, Affen, ächzenden Autos, Mörtelstaub, frischen Eheleuten und verwunderter Menschen den Hang hinab gießt. Verwundert darüber, dass sich der Berg selbst von dieser Menge hässlichen Bauschutts nicht ärgern lässt, egal wie eng sich die Hütten ans Gestein schmiegen.

Wir erreichten das Mekka der Delhi-Touristen nach Einbruch der Dunkelheit und wichen dutzenden Schleppern aus, die sich mit Hotelpamphleten vor unser Auto warfen. Sie klopften an unsere Autoscheiben, rannten neben uns her und riefen uns allerlei Dinge hinterher, die wir des lauten Hupens wegen leider nicht verstehen konnten. Schade. Schade. Der Verkehr war dickflüssig. Die Straßen eng.

Wenn man eine Stadt an einen Hang klatscht, tut sich ein ganz normales Platzproblem auf. Dieses verhärtet sich in einer Zeit, in der jeder seinen fahrbaren Untersatz aber keinen Platz zum Parken hat. In ganz Shimla sind Parkplätze Mangelware. Einige große Häuser, die auf Stelzen an die Berghänge gepresst hoffen, dass es keine Gerölllawine geben würde, hatten neben den normalen drei bis vier Etagen zum Wohnen/Arbeiten oben drauf noch zwei oder drei Etagen zum Parken gebastelt. Die Parketagen sind nicht miteinander verbunden. Um von einem Level ins andere zu kommen, fährt man auf der Straße ein Ringel, bis man einen Stock tiefer angelangt ist. Und das ganze als Tourist! Ohne Ahnung, ohne Einsicht, aber mit stetig wachsendem Wutlevel, weil draußen die Hotelschlepper an die Scheibe klopfen und uns langsam, Klopf für Klopf für Klopf, in den Wahnsinn treiben, dem wir entkommen wollten.

Wahrlich, Shimla war ein Reinfall.

Shimla - Abstieg

Nachdem wir unser Auto losgeworden waren, begann der Aufstieg. Wisst ihr, wie man als Kind kaum der Versuchung widerstehen kann, sämtliche Stufen zu zählen, die man betritt?
Wir kletterten wie die Affen, die wir am Morgen noch seelenruhig an diversen Bäumen in Kasauli haben herumhängen sehen, Stufe um Stufe nach oben. Die engen Gassen platzten aus allen Nähten. Überall Händler, Schlepper, Touristen, Spazierkletterer und Schlepper und Händler und Schlepper. Aus den Nahrungsgeschäften strangulierten uns unappetitliche Gerüche, während wir Blut und Wasser schwitzten, bis wir oben angekommen waren.

Shimla - The Mall

Oben, ganz oben in Shimla, da läuft The Mall entlang. Oben auf dem Berg über dem Dreck der engen Gassen, dem Uringestank, dem heißen Fett und der Anstrengung unzähliger Stufen prangt die schöne Fußgängerzone. Wir kraxeln aus einer Gasse, die direkt vor dem Rathaus in The Mall mündet. Es ist wunderschön. Grüne Scheinwerfer lassen den Bau mysteriös leuchten. Ausgelassene Fußgänger schlendern durch die Einkaufspassage vorbei an Domino’s Pizza, Baskin 31 Robbins und Barista. Hätt ich auch in Delhi bleiben können.

Für Sarkasmus bleibt keine Zeit. An unseren schweißnassen Hosenbeinen hingen schon die Schlepper. Am Ende einer Hetzjagd durch The Mall und die angrenzenden, sich um die Häuser schlängelnden Gassen kamen wir im Hotel Doegar an. Laut Lonely Planet gab es dort gemütliche Zimmer. Da es so spät, wir so hungrig und schlecht gelaunt sind, nehmen wir einfach eins der gemütlichen Zimmer.

Inzwischen habe ich den Lonely Planet nach ganz hinten in unserem Bücherregal verfrachtet. Und ich hege eine tiefe Abneigung gegen die ganzen Billigtouristen, die Hotels wie Doegar als „gemütlich“ bezeichnen, nur weil sie nicht von Kakerlaken angeknabbert oder von quietschenden Ratten ganz aufgefressen worden sind. Rahul und ich haben auf unseren Reisen durch Indien viele Situationen überlebt, die zunächst wie ein Fall für diese lustige Notrufsendung auf RTL aussahen. Solche Fälle allerdings im Nachhinein als gemütlich zu bezeichnen ist dann doch zu viel des positiven Denkens.

Shimla

Shimla ist ein Ort für Flitterwochen. Die Hochzeitssaison ist nach wie vor im Gange, so dass es an frisch vermählten Paaren keinen Mangel gibt. Jeder Treppenabsatz, jeder Aussichtspunkt und jedes Restaurant Shimlas werden von jungen Pärchen bevölkert. Man kann sie ganz leicht an den Churdas der Frauen erkennen. Einige sind sogar so frisch gebackene Paare, dass noch ein Hauch der Mehendimotive auf ihren Armen zu erkennen sind. Und sie alle hängen in Shimla herum, wo die Luft so schön klar ist und die Hotels folglich für wenig Geld Zimmer anbieten, die aussehen wie ein billiger Puff. Blutroter und Königsblauer Samt umspannen unsere Wände. Mit Ausnahme der Farbe war nichts majestätisches zu finden. Spiegel neben dem Bett, hinter dem Bett und über dem Bett, damit man sich von jeder Seite betrachten kann. Kurz gesagt: gemütlich. :yes:

Wir lenkten uns mit der Oscarverleihung von der Tatsache ab, dass man diese Zimmer gut und gerne stündlich vermieten könnte. Aber für die frischen Eheleute reicht sowas. Liebe macht bekanntlich blind. Samtwände vorrübergehend auch.

Auch bei Tageslicht kann uns Shimla nicht bieten, wonach wir suchen. Wir wandern die Fußgängerzone auf und ab, die mich irgendwie an die Innenstadt von Mainz erinnert. An jeder Ecke turtelt es. Mit einer guten Portion Boshaftigkeit beobachten wir ein Pärchen, dass sich gestritten hatte und nicht mehr miteinander spricht. Was sind wir doch für Luder. Doch so richtige Stimmung will trotz aller Schadenfreude nicht aufkommen. Komisch.

So kommt es, dass wir sofort nach dem Frühstück den Abstieg ins schmutzige Gewühl der Cart Road wagen, um dieser Flitterhölle zu entkommen. Unser Ausriss ist wahrlich keine Heldentat, doch wie so mancher Akt des Hosenscheißens würde auch dieser reichlich belohnt werden… Harre dem, was da kommet.

Unterwegs nach Shimla

Am Sonntag kehrten wir der Ruhe Kasaulis den Rücken und machten uns auf den Weg nach Shimla, der Hauptstadt von Himachal Pradesh.

Wir bevorzugen mit dem Auto durch Indien zu reisen, so weit das möglich ist, damit wir nach Lust und Laune anhalten und Fotos schießen können. Die Straße von Kasauli über Dharampur, Shogi und Shimla bot dafür viele Möglichkeiten.

Unterwegs - Kaktus

Vor zwei Wochen war Shimla komplett unter eine dicken Schneedecke versteckt. Zu dieser Zeit kam es auch zu zahlreichen Erdrutschen, von denen noch einige Überreste zu sehen waren.

Unterwegs - Erdrutsch

Das Lichter- und Farbenspiel war mal wieder hinreißend: Die folgenden zwei Fotos entstanden beispielsweise im Abstand von 30 Sekunden am selben Fleck zwischen Kandaghat und Shimla (siehe Karte). Ich musste mich nur umdrehen, und schon sah alles ganz anders aus:

Unterwegs - Shogi
Unterwegs - Daemmerung
(Alle Fotos öffnen sich als Pop-Up)

Himachal Map

Auszeit in Kasauli (Himachal Pradesh)

Letzten Freitag war es so weit: Delhi war uns so sehr zu Kopf gestiegen, dass wir kurzerhand einen Freund zur Sockenbewachung abkommandierten, uns ins Auto setzten und losfuhren: in den Bundesstaat Himachal Pradesh. :yes:

Wir haben wie der Rest der Menschheit (allen voran Rentnern) natürlich keine Zeit, weswegen wir in nur 4 Tagen 4 Orte ansteuern wollten.

Unser erster Stop war das knapp 2000 Meter hoch gelegene Dorf Kasauli. Gibt man das bei Google ein, findet man keinerlei brauchbare Informationen. Das ist so, weil es in Kasauli nichts zu tun gibt. Gar nichts.

Kasauli - Church of EnglandKasauli - Upper Mall

Es handelt sich um ein Dorf, das vor vielen, vielen Jahren aufhörte mit der Zeit mitzugehen. Die engen Kopfsteinpflastergassen schlängeln sich verträumt durch den Ort, an dem es keinen Lärm und keine Hektik gibt. Die Menschen sitzen gelassen auf ihren Bänken oder schnattern. Die Händler öffnen in aller Ruhe ihre Geschäfte und sitzen teetrinkend zusammen, während sie ganz ohne marktschreierische Aktivitäten auf Kundschaft warten.

Die einzigen Bewohner dieser winzigen Stadt, die Halligalli machen, sind die unzähligen Affen, die sich auf den Bäumen um den besten Aussichtsplatz streiten.

Kasauli - Baum mit AusblickKasauli - Der beste PlatzKasauli - Affen aufm heissen Blechdach

Anders als erwartet waren sie nicht so angriffslustig, wie man das von anderen Orten her kennt. Wir beobachteten zwar, wie ein besonders fettes Exemplar zwei Mädchen mit einer Kekspackung verfolgte, bis die Zwei das Objekt der Begierde fallen ließen und kreischend davon rannten, doch davon mal abgesehen lümmelten sie nur gelangweilt herum, anstatt sich um Menschen zu scheren. Das Füttern der Affen ist in Kasauli mit einer Strafe von 250 Rupien belegt.

Kasauli war für uns ein Volltreffer. Es war kühl und sonnig und – sauber. Meinen groben Einschätzungen nach muss es sich um die einzige Hill Station in Indien handeln, die so sauber ist, dass wir uns die Augen reiben mussten. Vielleicht liegt es an der ruhigen Atmosphäre. Vielleicht liegt es an der starken militärischen Präsens. Ganz sicher liegt es aber auch daran, dass Kasauli kein Durchfahrtsort ist. Es ist eine Sackgasse, so dass es nur wenige Touristen gibt. Dementsprechend findet man lediglich auf den Wanderpfaden genau die Produkte herumliegen, die ein Tourist so schätzt: seine Limo. Seine Chipspackung. Seine Plastikbecherchen.

Die Aussicht war fantastisch. Von der „Upper Mall“ aus blickte man ins westliche und nördliche Tal. Die Briten hatten die Upper Mall für sich reserviert, so dass Inder nicht nur nicht dort wohnen sondern auch nicht dort laufen durften. Für sie war die „Lower Mall“ gedacht. Von dort aus genießt man den Blick gen Osten und Süden. Und nach drei Stunden Wandern auch einen fetzigen halb-seitigen Gesichtssonnenbrand. Merke: Seitenscheitel sind doof.

Kasauli - Upper Mall AussichtKasauli - Lower Mall