Ganesh Chaturthi 2010- Das Ende (Teil 2)

Am Morgen nach dem großen Abschiedsfest ist der Spuk vorbei. Zunächst ist die Stadt ganz besonders leise. Müde noch, nimmt man an. Im Laufe des Tages werden die Festzelte, die Bühnen, Plakatwände und Aufsichtstürme wieder abgebaut: geschickte Kletterer fusseln die Konstruktionen aus Bambusrohren und Kokosfaserseilen wieder auseinander.

Auf den Straßen befindet sich hier und da ein dicker, rosaroter Belag aus Farbpulver, das beim Feiern Verwendung gefunden hat.

Doch am Strand zeigt sich, dass der Kreislauf doch nicht ganz ohne Stolpersteine geschlossen werden kann. Dass die Idole nicht wieder zu Lehm und Wasser zerflossen sind, aus dem sie modelliert worden waren, sondern zu Gipskadavern mit Kokosfaserfüllung und abgeblätterter Farbe.

Es ist Ebbe. Der breite Streifen Strand ist flach und eben, der Sand feinkörnig und von einer sehr befriedigenden Goldnuance. Krähen entspannen sich in der angenehmen Sonne, die sich daran macht, das Meer am Horizont zu küssen. Hunde joggen eine Runde. Ein paar Menschen lümmeln fotografierend und spazieren gehend herum. Und dann ist da ein Trupp junger Männer, die die verendeten Idole vom Strand zusammensammeln und ins tiefere Wasser werfen, damit die nächste Flut sie fortschaffe. Um den Kreislauf doch noch zu schließen. Sie sagen, sie seien nur zu Besuch in Mumbai und hätten den Strand sehen wollen. Was sie sahen, hatte ihnen nicht gefallen, also hatten sie spontan beschlossen Abhilfe zu schaffen.

Der Boden ist an einer Stelle übersät von kleinen goldenen Flecken: Blütenblätter in bezauberndem Orange. Ein Stück weiter tieflila Blumen. Nie war ein Elefantenfriedhof so beruhigend. So friedlich.
Ein Hund hat sich im Schatten eines Idols schlafen gelegt. Der Trupp freiwilliger Aufräumer lacht, zerrt das nächste Idol ins bereits wieder steigende Wasser. Zwei, drei Fluten später wird man vermutlich nichts mehr davon sehen. Alles wird weg sein. Einfach weg.

Das war Ganesh Chaturthi 2010

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Eine Frage der Perspektive.

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Freiwilliger Aufräumer.

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Auf dass die Flut euch davon trage.

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Zum zweiten Mal versenkt.

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Ganesh Chathurti 2010 – Das Ende

Ganesh Chathurti 2010 war vorbei. Das Ende der Elefanten war gekommen. Es war Zeit, die Idole des Elefantengottes Ganesha zu ersäufen. Feiernde, lachende, Musik spielende, tanzende und Feuerwerke zündende Menschenmassen bewegten sich aus diesem Grund auf die designierten Versenkungsorte Mumbais zu: diverse Strandabschnitte, Flussufer und Seen. Dort sollte das zehntägige Spektakel ein symbolisches Ende finden. Dort sollten die Idole mit dem Wasser verschmelzen, sich auflösen, wieder eins werden mit dem Alles & Nichts, aus dem sie geformt worden waren.

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Teil 1

Die große Party stieg beispielsweise entlang Gorai Road in den nördlichen Vororten Mumbais, wo bereits im Vorfeld Bühnen und Partyzelte aufgebaut worden waren. Diese Bühnen waren für Politiker gedacht, die diesen Feiern beiwohnen würden, denn Festivals sind immer auch ein exzellenter Zeitpunkt für Wahlstimmenfang. Sie stehen dann da oben, angestrahlt von tausendundeinem Scheinwerfer, und winken auf das Fußvolk/ihre Wähler. Ihre überlegensgroßen Pappbilder stehen dabei schon seit Taaagen am Straßenrand und grinsen auf uns herab.

Inmitten tanzender oder beobachtender Menschenmengen bewegten sich Fahrzeuge mit den Ganeshaidolen auf das Wasser zu: manche wurden auf Lkws transportiert, oder auf Handkarren, oder im Pkw, etc. Stets begleitet von Musik. Von Trommeln. Von Leierkästen. Von Gesängen. Und dem passionierten Ausruf: Ganpati Bappa Morya.

Wie so viele Feste repräsentiert auch dieses Großzügigkeit: am Straßenrand wurden kostenlose Vada Pao an die Armen verteilt. Das Fest vereint. Jeder darf mitmachen. Jeder ist willkommen. Präsenter als Ganesha selbst ist an diesem Tag nur das Lächeln. Ein Lachen sogar. Es verbindet.

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Schaulustige

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Ältere Ganesh Chathurti Beiträge.

Fotoessay: Ganesh Chaturthi in Pune

Durch puren Zufall landeten wir dieses Jahr genau während der letzten beiden Tage des Ganesha Festivals in Pune. Glück gehabt, denn auf diese Weise bekamen wir sowohl etwas für die Augen als auch die Ohren.
(Alle Fotos öffnen sich als Pop-up.)

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Obwohl der letzte Tag und Höhepunkt des Ganesha Festivals für seine lauten, farbenfrohen Umzüge bekannt ist, stiefeln viele Familien ohne musikalische Begleitung durch die Stadt zum nächsten „Immersion Point“, wo sie ihre Ganeshaidole, die sie tagelang zu Hause umhegt und angebetet haben, im Wasser versenken.
(Die genaue Abfolge der Rituale um Ganesh Chaturthi gibts hier .)

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Schon am Vorabend wurden Vorkehrungen für die riesigen Umzugswagen getroffen: Vorstehende Äste der Bäume mussten dran glauben, Straßen wurden abgesperrt, „Immersion Points“ wurden festgelegt und nach den Bombenanschlägen in Delhi durch viel Polizei abgesichert.

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Wir hatten Glück: Dieser geniale Umzugswagen versperrte eine Kreuzung, und so kamen wir zehn Minuten lang in den Genuss von Trommelwirbeln, Tanz und Kostümen, die nicht wirklich was mit Ganesha zu tun hatten.
Sehr positiv überrascht waren wir von der Art und Weise, wie Teilnehmer der Umzüge auf den Verkehr aufpassten. Natürlich versperrt so ein Wagen plus Tänzer plus Musikanten plus Schaulustiger eine Menge Straße, so dass es sich schlecht fährt. 😉 Doch ein paar der Teilnehmer übernahmen jedes Mal die Aufgabe, den Verkehr zu regeln, Autos vorbei zu lotsen, Tänzer im Zaum zu halten. Trotz der vielen auf der Straße herumlaufenden Menschen kam es zu verdächtig wenig Stau.

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Ganesh Chaturthi ist auch eine Gelegenheit für Gulal (Farbpulver), vorzugsweise in Rot in Pink. In diesem bunten Wagen sitzt übrigens Ganesha. Während eine riesige Kolonne von Trommlern in strahlend gelben T-Shirts an uns vorbei marschierte und den Boden zum Vibrieren brachte, landete eine ordentliche Portion Gulal im und auf dem Auto. Wir haben soszusagen mitgefeiert. :yes:

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Wir besuchten einen der Immersion Points. Dort herrscht reges Treiben. Die Trupps kommen und gehen, es wird nicht lang verweilt. Zuschauer verziehen sich auf die Brücke (s.u.), damit es zu keinem unnötigen Stau beim Versenken kommt.

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Bevor Ganesha versenkt wird, findet noch eine letzte Puja vor Ort statt. Dafür wurden extra Bänke/Tische aufgestellt. „Werkzeug“ (also alles, das für die Puja notwendig ist) muss man sich selbst mitbringen.

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Dann geht es ans Versenken, und das läuft weitaus schneller und ohne große Zeremonie ab, als ich mir das vorgestellt hatte. Nach der Puja auf dem Trockenen läuft man ins Wasser, taucht das Idol kurz unter, hebt es wieder hoch, und dann wird es auf Nimmerwiedersehen fallen gelassen.

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Um die großen Idole zu versenken, müssen Ganeshas Jünger natürlich weiter in den Fluß (oder See, oder das Meer…) vordringen, so dass sich wenigstens einer von ihnen mit einem Seil anbinden lässt, damit er später retten kann, wer Rettung bedarf. Dass Ganesh Chaturthi ernsthafte Umweltschäden anrichtet und man in den Folgetagen auf sämtlichen betroffenen Wasserflächen tote Fische schwimmen sieht, die auf Grund der aufgeweichten Gipsidole und der sich in den Farben befindlichen Schwermetalle verendet sind, brauch ich nicht extra erwähnen. :no:

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Schaulustige.

Ganesh Chaturthi

Das 10-tägige Festival Ganesh Chaturthi gehört zum Bundesstaat Maharashtra wie das Oktoberfest nach München, und zelebriert den Geburtstag Ganeshas.

Interessant ist die Geschichte um Ganeshas Geburt: Er ist der Sohn des Gottes Shiva und der Göttin Parvati. Als Parvati eines Tages ein Bad nehmen wollte, zog sie es vor, außerhalb des Badebereiches einen Aufpasser zu haben, der eventuelle Eindringle draußen halten sollte. Sie erschuf einen kleinen Jungen aus Lehm.
Als Shiva zurückkam und nicht in den Badebereich gelassen wurde, schlug er dem Jungen den Kopf ab. Parvati war darüber so bestürzt, dass sie Shiva dazu anhielt, den Jungen zurück ins Leben zu holen. Er sandte daher eine Truppe aus, die jemanden finden sollte, der mit dem Kopf gen Norden gerichtet schlief. Sie fanden einen Babyelefanten, und platzierten dessen Kopf an Stelle der des Jungen. Fertig: Ganesha.

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Die Festlichkeiten beginnen damit, dass jede Menge große und kleine Idole Ganeshas in die Stadt gebracht und in Tempeln, Gemeinschaftszentren und Häusern installiert werden. Meist gibt es dazu jede Menge kultureller Aktivitäten.

Zwei Mal täglich soll ein Pooja (Ritual) zu Ehren Ganeshas stattfinden, welches aus 16 Schritten besteht.

Aavahanam – Ganesha-Idole werden in die Häuser/Tempel/etc. gebracht, um mit den Festlichkeiten zu beginnen.

Aasanaam – Das Idol wird in einer Ecke des Hauses platziert, die zuvor gereinigt worden ist. Getrocknete Früchte wie Datteln und Blumen werden als Dekoration genutzt.

Paadyam – Die Füße des Idols werden mit Rosenwasser gewaschen und getrocknet.

Arghyaam – Dem Idol wird kühles, parfümiertes Wasser zum Trinken gereicht.

Aachamaneeyam – Der Priester trinkt Wasser aus der Handfläche, welches als Zeichen der Reinigung der Seele gesehen wird, bevor er mit der Zeremonie beginnt.

Snaanaam – Das Ganesha-Idol erhält ein Bad mit einer Mischung (Paanchamrit) aus Milch, Joghurt, Ghee, Honig und Zucker, gefolgt von Wasser.

Vastram – Ganesha wird danach in farbenfrohe Kleidung aus Seide gehüllt.

Yagyopaveetam – Der heilige Faden (Janoi) wird um seine Schulter gelegt.

Gandham – Parfüm (ittar) wird auf das Idol gesprüht.

Aksataam – Ihm wird eine Schale Getreide geboten.

Pushpam – Blumengirlanden werden um den Hals des Idols gehangen. Ihm werden außerdem Hibiscusblüten geboten. Die Luft um das Idol wird mit Räucherstäbchen (dhoopam) gereinigt.

Deepam – Kleine Öllampen (diyas) werden um das Idol herum angezündet.

Naivedyam – Ganesha mag Süßigkeiten. Demzufolge werden ihm davon jede Menge geboten, ganz besonders Modaka und Laddoo. Modaka eine mit Lebensmittelfarben grün, rot bzw. gelb gefärbte kleine Süßigkeit, die wie eine Zipfelmütze geformt ist. Sie besteht aus einer Füllung aus geriebener Kokosnuss und Butter in einer Hülle aus Reismehl. Das ganze wird gedämpft.

Tamboolam – Man bietet Ganesha Paan: Ein Betelblatt mit Minze und Betelnussfüllung, in Rosenwasser getunkt und mit geriebener Kokosnuss bestreut.

Dakshanaam – Dem Priester wird als Dank für das Ritual eine Münze gegeben.

Es gibt allerdings wie immer regionale Unterschiede bei den Ritualen.

Am Ende des Festivals wird das Idol in Wasser versenkt; das kann ein Fluss, ein Teich, See oder das Meer sein. Dazu schreitet die ganze Prozession in Begleitung von Musik und Tanz durch die Stadt auf dem Weg zum Wasser. Und selbstverständlich resultiert dieses Ritual alle Jahre wieder in extremer Verseuchung sämtlicher Gewässer, weswegen seit einigen Jahren künstliche Wasserbecken aufgestellt werden. Aufklärungskampagnen sollen die Bevölkerung dazu anhalten, die Idole in diesen Becken zu versenken, statt dazu natürliche Wasserquellen zu Rate zu ziehen.

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Glücklicher Nebeneffekt einer Wohnung im christlichen Viertel: Ganesh Chaturthi ist für uns ein sehr angenehmes Fest. Ab und zu (bisher vielleicht drei oder vier Mal) zieht eine Karawane tanzender Ganesha-Anhänger begleitet von ohrenbetäubender Musik an uns vorbei. Das dauert 15 Minuten, gibt uns kurze Unterhaltung einschließlich gewagter akrobatischer Leistungen wie Überschläge, Radschläge, etc., und ist dann vorbei. In der glücklichen Abwesenheit eines Tempels in Hörweite sind wir von Musik rund um die Uhr befreit, und auch sonst ist alles schön ruhig. Wenn die Zeitungen nicht voller Berichte über das Fest übergequollen wären, hätten wir eventuell nicht mal bemerkt, dass am Samstag überhaupt der Auftakt des Festes stattgefunden hatte. Wir wunderten uns nur, dass wir in der Mall so leicht einen Sitzplatz zum Essen bekamen und fragten uns dann, ob gerade ein wichtiges Cricketspiel stattfand, welches die Abwesenheit anderer hungriger, sich um Tische kloppender Menschen erklären würde. Tja, wir sind halt doch keine religiösen Menschen. :yes: