Rickshawmomente

Nach meinem letzten Bericht über eine kurze Rickshawfahrt durch Mumbai fiel mir im Nachhinein auf, dass man sich als Leser schon mal fragen könnte, warum Daniela denn überhaupt immer noch mit der Rickshaw fährt. Fahr doch selber. Oder nimm ein Taxi. :??:

Aber das macht ja keinen Spaß. Wenn ich schnurrstraks von A nach B möchte, fahre ich natürlich Taxi. Das allerdings ist nicht immer angenehm, denn so ein klimatisiertes Taxi muss man vorher telefonisch oder per Internet bestellen. Man ist damit nicht so ungebunden, wie ich das gerne hätte. Zudem bin ich ein Taxischläfer, ich gestehe. Völlig egal, wie sehr ich mir vornehme, es nicht zu tun: ich tus trotzdem. Ungeniert. Nach fünf Minuten bin ich weg. Meistens ist das kein Problem, aber es kam auch vor, dass ich just in dem Moment aufwachte, in dem meine Ausfahrt an mir vorbei rauschte und ich mir dachte: Das kann jetzt aber nicht richtig sein. ;D

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Für kurze Strecken bevorzuge ich aber da, wo es erlaubt ist, eine Rickshaw. In Mumbai Stadt (südlich Bandra) dürfen sie ja leider nicht fahren. Rickshaws sind so eine Art fahrendes Schlüsselloch, durch das man illert und dabei die Stadt mit ganz anderen Augen sieht. Ich finds prima. Klar, du kannst dich vor den mannigfachen Gerüchen dieser Stadt nicht verstecken, außer vielleicht in deine mitgebrachte Dupatta (Schultertuch), und die Bettler stecken dir ihre diversen Unannehmlichkeiten ins Gesicht, während Händler dich mit ihrer Ware belästigen. Andererseits aber ist man immer live dabei. Und – großer Pluspunkt – ich schlaf nicht ein, wobei mir das auch einmal passiert ist. Ich kann das nicht empfehlen: ich wachte in einer Kurve auf, als ich dabei war, das Gefährt kopfüber zu verlassen. 8| Aber hey, I live, I learn.

Klar, bei den Trommelfellvernichtermotoren kann man selbstverständlich kein anständiges Gespräch führen.
Klar, Stau macht in der Rickshaw auch keinen Spaß. Nicht mit den ganzen Auspuffen gleich neben dir.
Klar, Hitze ist auch doof, das prickelt unangenehm auf der Haut.
Klar, der Monsoon wirkt sich im Prinzip auch nicht sonderlich positiv auf eine Rickshawfahrt aus.
Klar, jammern kann ich immer…. :))

Aber: Es ist eins der Vergnügen, die ich mir in Indien hemmungslos gönne. :wave: Ich erinnere mich an meine allererste Fahrt z.B. durch Chapel Road in Bandra. Herrlich. Die engen Gassen, die scharfen, Kurven, viel zu gucken, viel zu riechen, viel zu staunen.

Rickshawfahren ist für mich aber auch ortsgebunden. In Delhi bedarf es mindestens zwei ausgewachsener Männer oder alternativ eine zwei Tafeln Schokolade, um mich in eine Rickshaw zu bekommen. In Mumbai hingegen finde ich die Pflastersteine toll, und die Bodenwellen kann man auch nur in einer Rickshaw bandscheibentauglich erfahren. :yes:
Was hingegen meine Lunge zu der ganzen Verschmutzung zu sagen hat? – Nichts. Sie kann ja nicht reden, die arme Sau.

Und darum fahr ich bis heute lieber Rickshaw. :yes:

Idiotische Passagiere?

Als ich letztens seit langer, langer Zeit mal wieder in einer Rickshaw saß, knatterte ein anderes solches Gefährt vor mir herum, auf dessen Rückseite ich folgende Information lesen konnte:

Kapazität: 3 Idioten

:)) :)) :))

Dabei handelt es sich nicht etwa um eine scheußliche Beleidigung der Insassen, sondern um Promo für den neuen Film „3 Idiots“, der seit Freitag in den indischen Kinos läuft. Es ist eine Verfilmung des Romans „Five Point Someone“ von Chetan Bhagat.

Leider vergaß ich beim Aussteigen nachzuschauen, ob auch meine Rickshaw mit einem solchen Schriftzug versehen war. Vielleicht auch besser so. 😉

Musik in meinen Ohren – Mumbais Rickshaws

Immer wieder pirscht sich der stampfende, dumpfe Rhythmus lauter Musik aus der Ferne an, und wenn man sich den Hals verrenkt, um die Quelle der voll aufgedrehten Stereoanlage zu erspaeen, zeigt sich kein kleiner Maruti Zen mit abgedunkelten Scheiben und Spruechen auf der Heckscheibe oder gar ein aufgemotzter Hyundai Accent, sondern eine Rickshaw.

Die sind in Mumbai melodische Spitzenreiter und gern mit monstroesen Lautsprechern hinter der kleinen Rueckbank ausgestattet, aus denen wuchtige Klaenge in die Welt geschleudert werden, waehrend sie gut gelaunt Passanten durch loechrige, holprige Strassen chauffieren. Und mein lieber Scholli – sind die Strassen hier schlecht! :no:

Autorickshaws sind in Mumbai eine ganz neue Erfahrung und ich bin froh, dass ich vier Jahre lang taeglich mit den muerrischen Gefaehrten in Bangalore streiten musste und auch die verrueckten Kumpanen in Delhi und deren teuflisches Aequivalent in Chennai fluechtig kenne, um die Rickshawfahrer in Mumbai als Geschenk des Himmels ausmachen zu koennen. Einer der vielen Goetter im indischen Pantheon muss sich ueberlegt haben, dass Autorickshawfahrer nicht zur langen Liste der Probleme gehoeren, mit denen sich Mumbai herumschlagen muss.

Und da sind sie nun, die Helden des oeffentlichen Transports. Dem Anschein nach gibt es keine bindende Regulierung hinsichtlich der Farbe der Plane (in Bangalore und Delhi war es jeweils gelb), so dass man rote, rosa, gruene, blaue, lila und gar weisse Abdeckungen ausmachen kann.

Aber am besten gefaellt mir die Innenausstattung. In Hoehe der Schlaefe der Passagiere auf der Rueckbank guckt naemlich keine boesartige Schraube aus der Innenverkleidung, wie das in Bangalore und Delhi der Fall ist; sondern es wurde eine Art kleines Kissen unter den Plastikstoff gearbeitet, mit welchem der Innenraum bespannt ist. Da ich besonders waehrend der Wohnungssuche so viel, lang und oftmals total uebermuedet in Rickshaws gesessen hatte, weiss ich bereits, wie praktisch diese kleinen Kissen sind. Gross und weich genug fuer meinen haltlos in der Luft herum kugelnden Kopf faengt mich dieses Polster auf und ermoeglicht etwas Schlaf. :yes:

Man lernt in Indien ob katastrophalen Zeitmangels in jeder Situation, in jeder Position und in jeder Umgebung schlafen zu koennen.

Unpraktisch ist hierbei, dass viele Rickshaws keine Absperrung auf der rechten Seite haben, so dass Passagiere auf beiden Seiten bequem einsteigen koennen. Oder beim Schlafen herauspurtzeln koennen. Je nachdem.

Meine Lobhudelei ist noch nicht zu Ende: Die Rickshawfahrer Mumbais sind die Ehrlichsten, gut Gelauntesten, die mir je untergekommen sind. Sie fahren hin, wohin man will, ohne sich zu beschweren, dass die gewuenschte Gegend doof, die dahin fuehrenden Strassen schlecht sind. Versinkt eins der drei kleinen Raeder in einem Schlagloch, fluchen sie nicht und verlangen auch keinen Aufpreis. Manchmal setzen wir uns in eine Rickshaw, der Faherer duest los, und erst 100m weiter erwaehnen wir, wohin wir ueberhaupt wollen.

Waehrend die Taxometer in Bangalore fast alle manipuliert sind und die in Delhi zufaellig gerade eben nicht funktionieren, klicken die meisten Mumbai-Meters im Takt:
Das Meter beginnt bei 1 Rupie und zaehlt jeweils 10 Paisa. Am Ende der Fahrt wird der angezeigt Betrag mit 10 multipliziert und dann werden eine oder zwei Rupien abgezogen. Das ist dann der Fahrpreis. Keiner der Fahrer konnte uns erklaeren, was genau ein km nun kostet, aber das scheint sie auch wenig zu interessieren. Sie fahren halt.

Und sie kassieren genau ab. Betraegt der Fahrpreis 9 Rupien (der Mindestpreis), geben sie wortlos und ungefragt eine Rupie zurueck. Ein Fahrer entschuldigte sich sogar bei mir, als er mir nur 2 anstatt 3 Rupien rausgeben konnte. Ich musste ihn tatsaechlich beschwichtigen und fluechtete dann peinlich beruehrt.
So etwas bin ich nicht gewohnt. Aus Bangalore kenne ich es so, dass der Fahrer einen Fahrpreis von 16 nonchalant auf 20 Rupien aufrundet und nie, nie Wechselgeld hat. Ich glaube, ich werde hier oefters mit der Rickshaw fahren. Macht Spass, denn ich muss mir keinen Kopf machen, ob ich gerade beschissen werde. Das kommt so selten vor (hatten wir bisher nur zwei Mal), dass ich das wohlwollend uebersehen kann. Ich darf auch zugeben, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wo es lang geht, denn in Mumbai hat niemand Zeit, mich ueber Buxtehude zu fahren.

Und Zeit ist etwas, ueber das ich das naechste Mal schreibe.

In eigener Sache:
Telefon Schraegstrich Internetanschluss beantragt. Dauert noch.