Das Comeback der Religion

So. Die erste Probeausgabe der Zeit liegt vor mir und was veranstaltet das Blatt mit mir, anstatt sich ordentlich zwecks Verlängerung des Abos bei mir einzuschmeicheln? Bluthochdruck auf dem Titelblatt. U-(

Es geht um den Artikel „Hilfe, die glauben!“, den ich nicht online finden konnte – mit Ausnahme des bezahlbaren Audio-Abos. Darin wird eindeutig für mehr – nennen wir es euphemistisch – Einfühlungsvermögen gegenüber unserer religiösen Mitmenschen plädiert (was an sich schon komisch ist, wenn man bedenkt, dass die Mehrheit der Deutschen durchaus religiös und somit mitnichten eine Minderheit ist).
Instigiert wurde der Artikel durch das momentan debattierte Gesetz, welches in seiner objektiven Interpretation darauf hinausläuft, dass Beschneidungen in Deutschland ohne zünftigen medizinischen Grund nicht erlaubt sind. Der Einfachheit halber sprechen die meisten leider Gottes (kleines Wortspiel in Ehren) von einem „Verbot“ der Beschneidung.

Der Artikel nun versuchte angestrengt, sich nicht vordergründig mit diesem Thema zu befassen, sondern uns hinterrücks zu überzeugen, dass jedwedes Verbot der freien Religionsausübung ziemlich mies von „uns“ sei, und zwar auf einer moralischen Ebene, weil wir dem Gläubigen etwas, das ihm wichtig ist, wegnehmen.

„…für sie geht es um Gewissensfragen, um etwas Kostbares und vielleicht Unersetzliches, um den Kern ihrer Person“ heißt es da.

Aha.

Ich betrachte diese Entwicklung mit Besorgnis. Meinetwegen darf jeder glauben, was er möchte. Er darf seinen Glauben meinetwegen auch in vollen Zügen ausleben – sofern er sich damit im Rahmen der gegebenen rechtlichen Möglichkeiten befindet. Dieser Rahmen darf bis zum letzten Millimeter ausgeschöpft werden. Wo die rechtlichen Möglichkeiten aber aufhören, da hört auch die religiöse Freiheit auf.

Ich betrachte es mit Besorgnis, dass die öffentliche Meinung heute medial in Deutschland in eine Richtung gesteuert wird, in der mehr sichtbare Religion zwingend akzeptabel gemacht werden soll, und wo aktiv darum gebeten wird, die religiösen Bedürfnisse, welche sich außerhalb des rechtlichen Rahmens befinden, zu ermöglichen, indem beispielsweise die Gesetze geändert werden. So steht es auch deutlich im Artikel der Zeit.

Wo kommt sie her? Diese Angst davor, dem religiösen Menschen dieselben Gesetze abzuverlangen, weil diese Gesetze seine Freiheiten einschränken könnten? Was ist das für eine Entwicklung, wonach Religion per se mit Samthandschuhen anzufassen ist, weil man Gefühle verletzen könnte; wonach zwanghaft nach Wegen gesucht werden muss, um alle wie auch immer gearteten Wünsche und Lebensstile unterzubringen, wenn sie religiöser Natur sind?

Ich betrachte das mit Besorgnis, weil ich lange genug in einer Gesellschaft gelebt habe, in der Religion gern mal als Schlupfwinkel genutzt wird; in der Religion offen und öffentlich zelebriert wird. Wenn mir jemand sagt, dass es keinen Zwist unter den Menschen verursacht, wenn jeder seinen Glauben auf dem Hemdsärmel trägt (Jawohl, Anspielung!), dann muss ich leider sagen: ich weiß es besser. Wenn Religion derart karamellisiert wird, dass wir nicht mehr darüber reden können aus Angst, jemandes „Kern seiner Person“ zu verletzen, befinden wir uns ganz schnell in einer Gesellschaft, in der nicht Inklusion und Offenheit zelebriert wird, wie die Medien so gern tagträumen, sondern Aus- und Abgrenzung.

Indien lebt es vor: Die seit Jahrhunderten bestehende Religionsfreiheit hat nicht zu einer friedlichen, heterogenen Gesellschaftsstruktur geführt. Wie kommen die Menschen darauf, dass das in Deutschland anders sein würde? Weil wir cleverer sind? Wohl kaum.
Das Gesetz ist es, das uns alle gleich macht. Das ist gut so. Das ist richtig so. Das darf sich nicht ändern. Es ist falsch, eine solche Entwicklung anzustreben.

Wohin soll das führen?
Ein Beispiel aus Indien: Für jede Glaubensrichtung gibt es verschiedene Gesetze zur Eheschließung, Scheidung und Adoption. Die Menschen sind nicht mehr gleich. Anerkannte Gründe für eine Scheidung oder die Art und Weise der Scheidung variieren, wenn man beispielsweise Hindu, Christin oder Muslima ist. Ist das richtig? Darf das sein?

Wollen wir das in Deutschland etwa auch? Ich will das nicht.

Ich bin besorgt.

Religionsvielfalt

Supreme Court bestätigt Strafurteil im Mordfall Staines

Der oberste Gerichtshof Indiens hat das Strafurteil für Dara Singh sowie dessen Komplizen Mahendra Hembram im Mordfall Staines bestätigt. Demnach werden beide lebenslange Haftstrafen absitzen. Singh und Hembram hatten 1999 den australischen Missionar Graham Staines sowie dessen beide Söhne Philip, 10, und Timothy, 6, getötet, indem sie den Transporter anzündeten, in welchem die Opfer schliefen. In der ursprünglichen Verhandlung wurden sowohl Sing als auch Hembram zum Tode verurteilt, doch dieses Urteil wurde am 19. Mai 2005 vom Orissa High Court in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Zwölf weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Diese Richtersprüche wurden nun vom Supreme Court bestätigt, nachdem Dara Singh und Hembram erneut in Revision gegangen waren.

Richter P. Sathasivam und B.S. Chauhan erklärten weiterhin, dass die Untersuchungen bestätigt haben, Staines habe die lokale Bevölkerung konvertiert. Es soll auch erzwungene Konvertierungen gegeben haben. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Missionaren auf der einen Seite und hinduistisch geprägten Parteien und Organisationen auf der anderen Seite.

Zuletzt war es 2008 im Bundesstaat Orissa zu anti-christlichen Auseinandersetzungen gekommen, die besonders den Distrikt Khandamal betrafen. Insgesamt starben 43-59* Menschen, während 18.000 verletzt wurden. 4.400-6.000* Häuser wurden niedergebrannt und 50.000 Menschen wurden obdachlos.

*je nach Quelle: Financial Express, Wikipedia und OneIndia News

Weiter zum Artikel (CNN IBN): target=“_blank““SC upholds life term for Aus missionary killers“

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Zuerst war da die Moschee. Dann fiel jemandem ein, dort eine Straße zu bauen. Was tun, wenn sich beide im Weg stehen?

Mosque

Das in Indien gängige Prinzip in solchen Momenten besteht ganz einfach darin, die Straße um die heilige Stätte ringsrum zu bauen. Das gilt auch für Tempel und Kirchen, und manchmal reicht auch einfach ein Baum mit Götteridolen oder ein winziger Altar am Straßenrand. Diese Relikte können niemals wieder entfernt werden. :no:

Zäune, Hinweisschilder, Leitplanken oder gar Fahrbahnmarkierungen sind nicht notwendig. Man wird ja wohl sehen, dass da ein Gebäude steht, auf welches zuzusteuern sich ungünstig auf die eigene Gesundheit bzw. den Zustand des Fahrzeuges auswirken könnte. 😉

Einen solchen Ort des Glaubens dennoch infrastrukturellen Überlegungen zum Opfer fallen zu lassen, könnte schlimme Krawalle verursachen, weswegen die Stadtväter meist die Finger davon lassen und sprichwörtlich den Schwanz einziehen.

Neue Dalit-Unruhen in Maharashtra

Der untote Fluch Indiens, das Kastensystem, brodelt schon wieder so stark, daß es zu offenen Ausschreitungen in Maharashtra gekommen ist. Dalits protestieren und randalieren, Busse und Geschäfte werden mit Steinen beworfen, zwei Züge wurden in Brand gesteckt.

Es läßt sich kaum nachvollziehen, wie es dieses Mal begann; wo der Auslöser der neuen Unruhen zu suchen ist. Auch wenn diese Konflikte nicht jedes Mal ihren Weg ins Fernsehen oder die Tageszeitung finden, heißt das nicht, daß es meistens ruhig ist. Diskrimminierungen sind an der Tagesordnung. Ein weiterer Mord an einem Dalit oder eine weitere Vergewaltigung einer Dalit-Frau ist kaum noch die Tinte wert, mit der darüber berichtet werden könnte.

Fotolink

Dieses Mal ist es anders. Am Dienstag wurde in Kanpur eine Statue von Dr. Ambedkar übel zugerichtet. Ambedkar wird unter Dalits als Held gehandelt, da er u.a. dafür sorgte, daß Diskrimminierung auf Grund der Kaste einer Person als gesetzeswidrig gilt. Außerdem ist er der Vater der „Reservierungen„. Die meisten Dalits hängen ein Bild von Ambedkar in ihrer Wohnung auf oder in den Geschäften. Schuster z.B. sitzen am Straßenrand in ihrer kleinen Bretterbude und warten auf Kundschaft – an der Wand ein Bild von Ambedkar geschmückt mit einer Blumengirlande.

Den Angriff auf diese Statue Ambedkars nahmen die Dalits also persönlich. Hinzu kommt noch der Meuchelmord an einem Dalit-Junge. Die Gewaltausbrüche, die daraus resultierten, haben zu zwei weiteren Todesopfern geführt, als die Polizei in die protestierende Menge schoß.

Laut BBC wurden bisher über 1.000 Menschen in Sicherheitsgewahrsam genommen. Laut CNNibn sind es über 1.500. Ausgangssperren wurden in den betroffenen Städten verhängt, und das Polizeiaufgebot in den Straßen soll weitere Gewalt verhindern.

Dalit-Protest in Bangalore vor 2 Jahren

Fortschritt in den Metropolen. Diversifikation am Arbeitsplatz: Hindus, Muslime, Christen, etc. Immer mehr Hochzeiten zwischen verschiedenen Kasten. – Diese Unruhen haben damit nichts zu tun. In kleinen Städten und ländlichen Gebieten, wo nicht jeder damit beschäftigt ist auf Orkut Freunde zu sammeln wie früher Pilze, werden die Handlungen der Menschen von denselben Gedankengängen beeinflußt wie eh und je. Kastengrenzen sind nach wie vor stark ausgeprägt. Dalits sind immer noch „unten durch“. Die Ausweitung der Reservierungspolitik auf die sog. OBC (Other Backward Classes) hat außerdem dazu geführt, dass sich Nichtzugehörige der von Reservierungen begünstigten Kasten bedroht fühlen, da nun knapp 50% aller Studienplätze bspw. unter die Reservierung fallen. Das heißt, die Konkurrenz wird immer größer und damit auch der Druck. Zu den historischen Gründen für Kastenunterdrückung kommt nun also noch ein sehr moderner Groll, der nichts mit religiöser Reinheit zu tun hat, sondern mit dem Druck einer Gesellschaft, in der es nicht genug Jobs und Ausbildungsplätze für alle gibt. Die Dalits taugen in diesem Zusammenhang prima als Sündenböcke.

Gute Informationen (in Englisch) zum Thema Kaste, die über die üblichen seichten Gewässer hinausgehen, findet ihr hier.

Lotus-Tempel, Delhi

Und wieder was gelernt!
Ich weiß, auf welcher Seite in der Tageszeitung das Fernsehprogramm abgedruckt ist.
Ich weiß, wo ich tolle Schuhe kaufen und einen guten Haarschnitt bekommen kann.
Aber von Baha’í hatte ich noch nie was gehört.

Diese Wissenslücke ist jetzt auch endlich gefüllt, denn wir besichtigten den Lotustempel. Normalerweise ist mein Entzücken bei religiösen Institutionen eher beschränkt, und die ersten paar Schritte erinnerten doch stark an die sektenmäßige Wichtigtuerei der Truppe in Auroville. Ach, diese Vorurteile!

Lotus Tempel 3

Schweigend, wie das verlangt wurde, bewegten wir uns im Gänsemarsch in die eigentliche Gebetshalle des Lotustempels und setzten uns hin. Fotos waren nicht erlaubt, also stellt euch einfach eine riesige, ruhige, cremefarbene Halle mit hellen Holzbänken vor. Diese waren im Halbkreis um eine Art Podium angeordnet. Davon mal abgesehen war die Halle leer. Hier und da saßen Grüppchen von Besuchern, die im Großen und Ganzen recht leise und für indische Verhältnisse mucksmäuschenstill waren.
(Video vom ORF)

Es war herrlich. Diese Ruhe. Ich rutschte ein bißchen auf meiner Bank hin und her und versank in besinnliche Träumerei. So leise wars schon lange nicht mehr um mich herum. W.z.e.w. habe ich auch hier was zu meckern, denn viele der Besucher kamen wohl, weil der Eintritt kostenlos war. Jedenfalls gackerten und tuschelten sie. Und jedes Kleinkind brabbelte, schrie oder gluckste. Ich mag keine Kinder. Die machen sowieso bloß, was sie wollen. :))

Das Ruhigstellerschwadron fegte in der Halle herum und ermahnte die Regelbrecher, indem sie den Zeigefinger vor die Lippen hielten. Rand halten! Hier wird gebetet.

Herrlich. Wir erlebten noch eine Gebetsrunde eben dieses Ruhigstellerschwadrons mit und verließen dann die Halle, um im Museum noch ein bißchen die Geschichte zu erforschen. Peinliches Nichtwissen wurde ansatzweise beseitigt, und wenn ich das mal so sagen darf: Es ist doch traurig, daß solch schlaue Ausdeutungen des Begriffes Religion der Mehrheit gänzlich unbekannt sind. Gerade jetzt, wo jeder sein Fachwissen zum Thema Burqa & Co überall kundtut, finde ich, die Gemeinde der Baha’í sollte ein bißchen mehr…. missionieren.

The independent search after truth, unfettered by superstition or tradition; the oneness of the entire human race, the pivotal principle and fundamental doctrine of the Faith; the basic unity of all religions; the condemnation of all forms of prejudice, whether religious, racial, class or national; the harmony which must exist between religion and science; the equality of men and women, the two wings on which the bird of human kind is able to soar; the introduction of compulsory education; the adoption of a universal auxiliary language; the abolition of the extremes of wealth and poverty; the institution of a world tribunal for the adjudication of disputes between nations; the exaltation of work, performed in the spirit of service, to the rank of worship; the glorification of justice as the ruling principle in human society, and of religion as a bulwark for the protection of all peoples and nations; and the establishment of a permanent and universal peace as the supreme goal of all mankind—these stand out as the essential elements [which Bahá’u’lláh proclaimed].

Nicht schlecht, oder?

Ich hoffe, daß ich immer dann, wenn der Lärmpegel in Delhi für mich zu hoch wird, dem Verkehr und der ewig langen Strecke bis zum Lotustempel trotzen und mich dort ein bißchen in die ruhigen Hallen setzen kann. Das ist es wirklich wert.

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Heilige Handtasche gefällig?

Auch wenn man nicht weiß, wo genau Indien liegt und was genau sich da für Leute herumtreiben, gibt es Fakten, die jeder über Indien weiß:
1. Indisches Essen ist scharf.
2. Indien ist groß und trotzdem voll.
3. Indien ist bunt.
4. Indische Kühe sind heilig.

Stimmt ja gar nicht!

Indische Kühe sind gar nicht so heilig, wie wir alle dachten. Ja, es gibt ein Gesetz in Indien, welches ein Verbot für die Schlachtung milchgebender Kühe und Kälber vorsieht. Hintergrund: Religion. NICHT der Tierschutz oder ähnliche seltsame Gründe.

Gerade bin ich auf ein Video von peta aufmerksam geworden.

Nun, ich bin kein Fan von peta. Wahrscheinlich war ich heute zum ersten mal auf deren Homepage, nein, sogar mit absoluter Sicherheit war ich da heute zum allerersten Mal.
Am meisten rege ich mich immer darüber auf in der Zeitung lesen zu müssen, dass PETA mal wieder Stunk mit diversen Fast-Food-Ketten sucht, weil die ihre Hühnchen in Indien vergasen, bevor sie zwischen die Semmeln kommen. Dann denke ich immer an die innovative wie perverse Hühnchentransportmethode in Indien: Die Hühner werden an den Beinen zusammen gebunden und verkehrt herum an Mopeds oder Fahrräder gebunden. So werden sie lebend kreuz und quer durch Bangalore transportiert. Manchmal fällt so ein Hühnchen runter und wird überfahren, manchmal wird es wieder aufgesammelt und wieder am Moped befestigt. Irgendwann, nach 26.037 Schlaglöchern und tonnenweise Abgasen (die Hühner baumeln in Auspuffhöhe) kommen die Curry-Zutaten beim Fleischer an: kleine Garagengeschäfte an den Hauptstraßen. In Abwesenheit von Kühlräumen wird alles frisch geschlachtet. Gewartet wird in kleinen Käfigen, gerade hoch genug, so dass die Tiere darin sitzen können. Es gibt weder Wasser noch Futter, und am Ende eines heißen Tages liegen schon einige Tiere tot im Käfig.

Leider sind die schnellen-Happen-Restaurants als MNC aber ein viel einfacheres Ziel als der unorganisierte Sektor privater indischer Kleintiertransporter. Wer ein Moped oder ein Fahrrad hat, der kann auch Hühner transportieren. Was spricht schließlich auch dagegen?

Doch heute sah ich besagtes Video von PETA, das endlich mit dem romantischen Bild indischer Kühe aufräumt. Und ich möchte, dass ihr es euch alle anschaut und den Link per Video versendet. An alle, die ihr kennt, ganz besonders an eure vegetarischen Freunde, die gern GAP, Hush Puppies oder Florsheim tragen aber immer einen „Nein, Tiere ess ich nicht“-Spruch auf den Lippen haben.

PETA: Skin Trade

Was mich beim Anschauen des Videos am meisten geärgert hat, war vielleicht nicht mal die Tatsache, dass diese Tier so gequält werden, sondern dass sie von Indern so gequält werden, die sich (wenn es um Kühe gibt, die lebensspendende Mata) die ganze Zeit in ihrer kulturellen und moralischen Überlegenheit suhlen.

Hier in Indien bricht andauernd eine neue Debatte über Religion aus, besonders über die Hauptreligion Hinduismus. Bis heute versucht die Partei BJP (eine der zwei größten, überregionalen Parteien Indiens) ein panindisches Schlachtungsverbot für Kühe durchzusetzen, obwohl sich weite Teile besonders der ärmeren Bevölkerungsschichten (darunter auch Naturstämme, etc.) traditionell von Rindfleisch ernähren, da es viel günstiger ist als Hühnchen oder Lamm. Sollte dieses Gesetz beschlossen werden, so ist nicht nur die Schlachtung milchgebender Kühe verboten (wie dies bereits der Fall ist), sondern aller Rinder. Das heißt, aus einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung werden vollkommen grundlos Kriminelle gemacht, deren Lebensmittel plötzlich illegal sind.

Das Schlimme an Gesetzen wie diesem ist, dass sie einen ganzen Handel in den Untergrund treiben und direkt für die Quälerei verantwortlich sind, die das PETA-Video vorgeführt hat. Nur durch das Schlachtungsverbot besteht schließlich die Notwendigkeit, die Kühe über die Grenze z.B. nach Bangladesh zu treiben, wo sie dann bestialisch geschlachtet werden. Das Fleisch wird wieder zurück importiert und liegt dann in indischen Tiefkühltruhen der Kaufhalle. Diese Gesetzgebung ist Augenwischerei.
Wäre es nicht viel besser, wenn die Tiere direkt vor Ort geschlachtet werden? Denn geschlachtet werden sie.

Doch in Indien dürfen nur Büffel und solche Rinder geschlachtet werden, die keine Milch geben. Die Kuh ist schließlich heilig, da sie als milchgebende Mutter und somit als lebensspendende Quelle angesehen wird. Dieses romantische Kuhbild überträgt sich nicht in grenzenlose Tierliebe im Alltag, wo in den Straßen der Großstädte herumstreunende Kühe regelmäßig an- und überfahren werden oder jämmerlich am Verzehr von Plastiktüten zu Grunde gehen. Doch diese Zustände, die viel mehr Kühe betreffen als die, die dem Schlachtermesser zum Opfer fallen würden, führen leider nicht zu Diskussionen oder gar Gesetzensänderungen. Aus diesem Grund finde ich das Video auch so gut:
Es klärt 1. darüber auf, dass die als heilig verklärte Kuh auch auf indischem Boden nicht sicher ist.
2. werden immer Mittel und Wege gefunden, um die bestehenden Gesetze zum Schutze der milchgebenden Kühe zu umgehen,
und
3. sind viel mehr Inder indirekt der Tierquälerei schuldig, als man vermuten würde – und sicherlich sind sie sich dieser Tatsache auch nicht bewusst, wenn sie sich mit Lederprodukten eindecken, deren Herkunft ihnen unbekannt ist.
(Es gibt streng-gläubige Hindus, die gänzlich auf Lederprodukte verzichten, aber dies ist ein relativ kleiner Teil verglichen mit denen, für die reiner Vegetarismus ausreicht.)