Indische Börse reagiert mit Rekordanstieg auf Wahlergebnisse

Der 18. Mai hat sich an der indischen Börse den Zusatz „Goldener Montag“ verdient, nachdem das Investitionsverhalten in Reaktion auf die Wahlergebnisse vom Sonntag zu einem Rekordanstieg von 10,73% (BSE sensex) bzw. 14,48% (NSE nifty) innerhalb der ersten 30 Sekunden nach Börsenbeginn geführt hat. Dieser Anstieg brach die Schallgrenze von 10% und führte daraufhin zu einer einstündigen Unterbrechung des Marktes, welche Diskussionen zwischen Bombay Stock Exchange und National Stock Exchange folgend auf zwei Stunden verlängert wurde. Der Handel sollte 11:55Uhr (Ortszeit) fortgeführt werden, doch innerhalb weniger Sekunden wurden sämtliche Geschäfte für den gesamten Tag ausgesetzt, nachdem der BSE sensex um 17,24% oder 2099 Punkte auf 14,272 angestiegen war. Der NSE nifty kletterte um 17,33% oder 636 Punkte auf 4308. Es ist das erste Mal, dass die indische Börse auf Grund eines schlagartigen Anstieges für einen gesamten Tag schließen musste.

Dieser Rekordanstieg ist auf die Ergebnisse der Parlamentswahlen zurückzuführen, welche nach über einem Monat Wahlmarathon am vergangenen Wochenende bekannt gegeben wurden. Die Congresspartei hatte einen überragenden Sieg eingefahren und verspricht Investoren eine stabilere Regierung als die der letzten fünf Jahre. Die Abwesenheit der Linken füttert zudem die Erwartung durchgreifender ökonomischer Reformen und hat generell zur fantastischen Aufbruchsstimmung beigetragen. Inwieweit sich der Siegeszug der Börse fortsetzen wird oder ob es sich um eine weitere zu berstende Blase handelt, hängt unter anderem davon ab, ob die neue Regierung unter Dr. Manmohan Singh den Erwartungen der Wählerschaft gerecht werden kann. Singh hatte u.a. ein straffes 100-Tage-Programm versprochen, welches vor allen Dingen die Infrastruktur ankurbeln sollte, um Indiens Wachstum nachhaltig stabil zu gestalten, sich rasant entwickelnde Wachstumsinseln zu verknüpfen und auch das ländliche Volk durch soziale Wachstumspakete anzuspornen, den Binnenmarkt mit gesunder Nachfrage zu stimulieren.

Dürrezustände bedrohen indische Tee-Ernte

Bisher verhieß 2009 für die Tee-Ernte Indiens nichts Gutes: Dürrezustände bedrohen unter anderem die großen Teeplantagen im nordostindischen Bundesstaat Assam sowie im ostindischen West Bengalen, aus welchen Gebieten rund 75% des gesamten Tee-Ertrags Indiens stammen. Indien gilt als zweitgrößter Teehersteller und -exporteur (980Mio kg im vergangenen Jahr). Die erste Ernte beginnt normalerweise im März, doch auf Grund der Hitzewelle rechnet man mit einem rund 50%igen Ernteeinbruch. Im gesamten Erntejahr schlägt sich dies mit ca. 5 bis 6% nieder, doch die Tragik im Verlust der ersten Ernte liegt darin begründet, dass sie für die qualitativ hochwertigsten Teeblätter bekannt ist.

Industrieinsider rechnen damit, dass sich der Verlust in absoluten Zahlen mit 25 bis 45 Millionen Kilogramm ausdrücken könnte, was innerhalb der nächsten sechs Monate zur Verhärtung der Teepreise führen wird. Bereits Anfang März waren die Teepreise gegenüber dem letzten Jahr um 21% gestiegen.

Weiter zum Artikel (Englisch)

Den Göttern zum Trotz

So kurz vor den indischen Parlamentswahlen im April/Mai diesen Jahres lohnt es sich, ein Buch wie Edward Luces „In Spite of the Gods – The Strange Rise of Modern India“ herauszukramen. Ein bisschen Politik, ein bisschen Wirtschaft, ein bisschen Gesellschaftskunde und ein guter Schuss (nicht immer erfolgreicher) Ironie machen den 362-Seiten-Wälzer (zzgl. Anhang) zum flüssigen Lesespaß, der eine ganze Menge interessanter Fakten über Indien beinhaltet.

Luce, der zwischen 2001 und 2005 für die Financial Times in Neu Delhi stationiert war und in dieser Zeit nicht auf der faulen Haut gelegen hat, deckt eine ganze Bandbreite von Themen ab – ordentlich in Kapitel unterteilt:
Der schizophrene Charakter der indischen Wirtschaft
Der Aufstieg der unteren Kasten
Hindu-Nationalismus
Südasiens geteilte Muslime
Neues Indien, Altes Indien
und einige mehr, wobei besonders das vorletzte Kapitel leider veraltet ist. So clever Luces Analysen im Erscheinungsjahr 2006 auch geklungen haben mögen, so sind seine Ausführungen und Prognosen hinsichtlich der Beziehungen zwischen China, Indien und den USA heute einfach nur eine Zusammenfassung der vorgestrigen Nachrichten. Doch trotz dieses lahmen Kapitels lohnt sich Luces kleine Ballade auf Indiens Widersprüche definitiv.

Es geht um soziale Ungerechntigkeit, um korrupte Politiker und Polizei, um seltsame/archaische/bizarre Gesetze und Regelungen, um sagenhaften Aufschwung und ein unglaublich zielgerichtetes Vorwärtsdrängen in Rahmenbedingungen, die dies eigentlich unmöglich machen sollten. In Spite of the Gods ist sowohl unterhaltsam als auch aufwühlend; voller lyrischer Betrachtungen, süffisanter Abrechnungen und energischer Sätze, die Ungereimtheiten beseitigen wollen.

Vollgestopft bis zur letzten Zeile mit höchst interessanten Interviews, einigen zündenden Ideen und Anekdoten sowie gut recherchierter Statistiken, steht In Spite of the Gods doch sehr solide im Regal „Bücher über Indien von ausländischen Autoren“. Erfrischend ist Luces kritischer und doch positiver Blick, der sich nicht davor scheut, unschöne Details beim Namen zu nennen, der gleichzeitig den Kopf aber nicht in den Sand steckt. Luce nennt Indiens Aufstieg im Buchtitel „sonderbar“, aber er nimmt ihn ernst. Das gehört sich auch so, denn bei all der Widersprüche, der Zwistigkeiten und absonderlichen Nachrichten, die aus Indiens weiten Landen herausfiltern, so steht das asiatische Jahrhundert – Klopf, Klopf – vor der Tür, und Edward Luce hat eine sehr angenehme Einleitung dafür geschaffen. :yes:

Inflationrate bei 11,5%

In Folge der kürzlichen Benzinpreiserhöhung im stark subventionierten indischen Markt, der einem solchen Schicksal bisher entgangen war, ist die Inflation auf 11,5% gestiegen und hat damit einen 13jährigen Höchststand erreicht.
Die Regierung hatte Preise für Benzin um 5 Rupien pro Liter, Diesel um 3 Rupien und Propangasflaschen um 50Rupien angehoben, wodurch auch die Folgepreise für Obst, Gemüse, etc. angestiegen sind. Am 31. Mai lag die Inflationsrate noch bei 8,75%.

Artikel: Petro prices fuel inflation (Live Mint)

Lebensmittelkrise: Ernteertrag pro Kopf auf dem Niveau der 70er

Indiens Lebensmittelkrise spitzt sich einem Report der Times of India zu Folge zu: Der Ernteertrag sei auf das Niveau der 70er Jahre zurückgegangen, heißt es dort. Ökonom der Planungskommission, Abhijit Sen, erläuterte das Problem: 2004/05 war die Getreideproduktion auf das Level der 1970er gefallen. In den acht Jahren zwischen 1996 und 2002 stagnierte die Getreideproduktion völlig, obwohl es ein allgemeines 2%iges Wachstum im Bereich der Landwirtschaft gegeben hatte.

Während der grünen Revolution 1979 lag die Verfügbarkeit von Getreide und Hülsenfrüchten pro Kopf bei 476,5g pro Tag; 2006 waren es 444,5g. Bei Hülsenfrüchte sank die Verfügbarkeit pro Kopf von 60,7g im Jahr 1951 auf 32,5g im Jahr 2006. Begründet werden kann dieser Schwund mit der Stagnierung der Ernten bei 415 Mio Tonnen/Jahr seit den 90ern.

Indien sei nun dazu gezwungen, zusätzlich zur Eigenproduktion Weizen zu importieren. Im vergangenen Jahr versuchte die indische Regierung 5 Mio Tonnen Weizen zu importieren, doch da es auch in anderen Ländern keinen Überschuss gab, konnten lediglich 3 Mio Tonnen importiert werden.

Die Lebensmittelkrise führte inzwischen zu einem politischen Seiltanz, da die Opposition die Regierung für die steigende Inflation (zur Zeit 6,7% – dem höchsten Stand in 13 Monaten) verantwortlich macht und der Getreidemangel zu weiterhin steigenden Preisen führt.

Lebensmittelkrise (Times of India, Englisch)

Inflationsrate auf Höchststand seit 13 Monaten (Gulf News, Englisch)

Politische Krise: Inflation bringt die UPA-Koalition ins Schlingern (CNN IBN, Englisch)

Indisches Wirtschaftswachstum gezügelt

Seit die Central Statistical Organization gestern die verblüffend niedrigen Wachstumsraten und die erschreckend hohe Inflationsrate veröffentlicht hat, ergehen sich Analytiker in Prognosen: Die indische Regierung beharrt auf einer Wachstumsrate von 8,8%. CMIE (Centre for Monitoring Indian Economy) rechnet mit 9,1%, während Morgan Stanley die Wachstumsrate auf 7,4% ansetzen. Verglichen mit 11,6% im Vorjahr ist das ein Schlag ins Gesicht und schlechte Nachrichten für Investoren, die seit dem Börsenrückgang im Februar widersprüchliche Prognosen hören.

Zum ersten Mal in zehn Monaten ist die Inflationsrate auf über 5% gestiegen, was wenig Hoffnung darauf zulässt, das Konsumverhalten könnte sich in nächster Zeit verbessern. Die Produktion von langlebigen Konsumgütern ist – verglichen mit Daten aus dem vergangenen Jahr – um 3,1% gefallen.

Artikel der Hindustan Times

Kommentar von Udayan Mukherjee, Executive Editor, CNBC TV18

2008 eine Million neue Arbeitsplätze in Indien

Kürzlich veröffentlichte Ma Foi Management Consultants eine neue Studien, nach der im Jahr 2008 circa eine Million neue Arbeitsplätze (Angestellte) in Indien erwartet werden. Die Studie würde in 22 Sektoren durchgeführt und beruht auf Daten von 206 Firmen.
In absoluten Zahlen gesehen wird Mumbai die meisten neuen Stellen generieren, gefolgt von Delhi, Chennai und Kolkata. Trotz des gebremsten Wirtschaftswachstums sieht man bei Ma Faoi dem Einstellungsverhalten weiterhin positiv entgegen.

Allerdings gehören Metropolen wie Mumbai nicht länger zu den Städten, die jährlich prozentual die meisten neuen Jobs schaffen. Demnach generieren kleinere Städte wie Pune, Hyderabad und Bhubaneshwar prozentual einen größeren Zuwachs in Angestelltenjobs als Metropolen wie Mumbai und Delhi. 2006-07 wurden in Hyderabad bspw. 46.605 neue Angestelltenjobs geschaffen. 2007-08 werden 60.427 neue Arbeitsplätze erwartet, ein Zuwachs also von 30%. Pune folgt auf dem zweiten Platz mit geschätzten 28% mehr neuen Stellen als im Finanzjahr 2006-07. Zum Vergleich, in Mumbai wird ein Arbeitsstellenzuwachs von 11,4% erwartet, während es in Delhi 17,4% sein sollen.

Englischer Artikel bei Rediff.com

Indien in der 2008 Forbes Liste der Reichsten Menschen

2008 hat Indien ganze vier Positionen in der Top10 der Reichsten Menschen der Welt eingebracht, und diese Tatsache wird seit der Bekanntgabe der aktuellen Forbes Liste gebührlich gefeiert.

Auf Platz 4 der Liste hinter Warren Buffett, Carlos Slim Helu und William Gates III sitzt der indischsstämmige, in London residierende Lakshmi Mittal (57), dessen teilweise geerbtes und selbst angesammeltes Vermögen sich auf 45Mrd. US$ beläuft.

Platz 5 gehört Mukesh Ambani (50), Kopf von Reliance Industries, dessen Vermögen (geerbt, angewirtschaftet) sich auf 43Mrd. US$ beziffert.

Bruder Anil Ambani (48) belegt Platz 6 mit 42Mrd. US$. Sein Vermögen (ebenfalls geerbt bzw. angewirtschaftet) hat sich im letzten Finanzjahr beinahe verdoppelt von 23,8Mrd. US$. Ihm gehört u.a. Reliance Communication (65%) und Reliance Power, dessen Börsengang (der bisher größte in der indischen Geschichte) im Februar für Wirbel sorgte, da die Aktien am Eröffnungstag ganze 17% fielen.

Der 8. und für Indien relevante Platz gehört KP Singh (76), dessen Immobiliengigant DLF seit seinem Börsengang 2007 ihn zum reichsten Mann seiner Liga gemacht hat. Sein Vermögen (geerbt, angewirtschaftet) beläuft sich auf 30Mrd. US$.

Arbeiterexodus in Nashik trifft die örtliche Industrie hart

Nach dem Exodus nordindischer Tagelöhner aus den Staaten Bihar und Uttar Pradesh hat besonders die Industriestadt Nashik den Verlust der Arbeitskräfte zu spüren bekommen. Circa 15.000 Nordinder* sind zurück in ihre Dörfer geflohen und haben ihre billige Arbeitskraft mitgenommen. Obwohl der Mindestlohn für Tagelöhner bei 125 Rupien aufwärts liegt, sind Arbeiter aus dem Norden des Landes zumeist bereit, für 80 Rupien aufwärts pro Tag zu arbeiten. Die Industriebesitzer (70% von ihnen Marathen) beklagen sich nun darüber, dass die wenigen verbleibenden Arbeiter bis zu 200 Rupien pro Tag verlangen. Inzwischen hat Nashik einen Verlust in Höhe von 400 crore Rupien eingefahren (circa 70 Mio Euro).

*Schätzung von Chhagan Bhujbal, Guardian Minister von Nashik. Andere Quellen setzen die Zahl zwischen 10.000 (NDTV) und 20.000 (DNA)

Zusammenfassung der Schäden im industriellen und landwirtschaftlichen Sektor

Mindestlöhne in Indien

Bildung ist alles

Quo vadis, India? C. Uday Bhaskar beobachtet, dass es nicht unbedingt nach oben geht, wie diverse Wirtschaftsprognosen, die stetig wachsende Sammlung von Millionären und andere ganz und gar nicht umfassende Indikatoren des plötzlichen „Booms“ in Indien uns weismachen wollen.

Uday Bhaskar schreibt in der aktuellen Kolumne gdp des Tehelka-Magazins das, was so selten den Weg in die poppigen Tageszeitungen und andere gute-Laune-Medien Indiens findet: die hässliche Wahrheit. Dass Indien 2007 im Human Development Index (HDI) vom 126. Platz auf den 128. Platz abgerutscht ist. Nur zwei Plätze. Das ist nicht viel. Aber es ist die falsche Richtung.

China sitzt im HDI auf Platz 81.
Brasilien auf Platz 70.

Nicht viel besser siehts im Education for All: Global Monitoring Report der UNESCO aus. Dort rutschte Indien vom 105. Platz auf den 100. Platz ab. Wieder nicht viel. Wieder nach unten.

Da sich die Berichterstattung über Indien neuerdings viel häufiger mit Themen wie diesen Randerscheinungen befasst, halte ich es für wichtig, dass dieses Thema aufgegriffen wird. Man sollte trotz lauter Indien-Praktikanten den Blick fürs Wesentliche nicht vergessen, doch genau das ist sowohl in Europa als auch in Indien leider viel zu oft der Fall.

Uday Bhaskars Artikel in voller Länge gibt es hier.

Human Development Report 2007