Mahabaleshwar (6) – Krokodilstränen am Krishna River

Unser letzter Tag in Panchgani/Mahabaleshwar ist angebrochen, und um der bisherigen Erholung noch die Krone aufzusetzten, hatten wir uns dazu entschieden, direkt an den Krishna River zu fahren.

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Nachdem wir die Kleinstadt Wai am Fuße der Berge durchquert hatten, fuhren wir schnurrstraks in die Vergangenheit: Ins Jahr 2001. Damals, auf dem Weg von Bangalore nach Mysore, waren wir ebenfalls durch die sonnige Landschaft gebrettert vorbei an einem Zuckerrohrfeld und dachten uns: Halt! Darauf hätten wir jetzt aber mal sofort Appetit!

Wir begegneten einem Mann (s. Bild), den wir fragten, ob wir uns denn nicht mal so ein kleines bisschen… 😛 Er marschierte ratzfatz ins Feld und knackte uns ein Rohr ab. Daraufhin wurde mit den Zähnen gewetzt, geschmatzt und gespuckt. Zuckerrohr – für die, die es noch nicht in seiner Naturform gekostet haben – ist eine saftige, zuckersüße, chaotische Sache. Man schält das Rohr ab und rammt die Beißerchen in die saftigen Fasern, um davon etwas abzubrechen. Wenn das hier ein Zahnarzt liest, lacht der sich kringelig. 😳 Macht ja nix. Dann kaut man eine Weile auf den Fasern herum, bis man den letzten Tropfen rausgeschlürft hat, und spuckt den „Müll“ im hohen Bogen elegant aus. Und so weiter. Verdammt lecker. Nachher sieht man dementsprechend aus. Kinn mit Zuckersaft verschmiert. Mund voller Fasern. Finger verklebt.

Das heißt nur eins: Weiter zum Krishna River!

Es war unbeschreiblich. Wir hatten zwei Tage auf den Bergen im Hintergrund verbracht und hatten ins Tal geschaut. Und jetzt standen wir da unten. Einfach nur göttlich. Hinzu kamen die fotogenen Wolken, die dank der gestrigen Regenschauer in weißer, flockiger Pracht glänzten und zu schnell für mein Panoramafoto über den Himmel jagten. Und die Stille. Diese unglaubliche, herrliche Stille. Fantastisch!

Natürlich wäre das hier nicht Indien, wenn nicht ein fuchsiger Unternehmer einen Bootsstand eröffnet hätte. Und wir wären keine Touristen, hätten wir nicht für 40 Rupien pro Kopf eine Runde mit dem Speedboat auf dem Wasser gedreht; B) in Rahuls Fall sogar zwei, denn er konnte gar nicht genug bekommen. Ich wollte keine zweite Runde. So viel Schönheit kann ja kein Mensch vertragen.

Zumindest nicht – und das ist meine größte Beschwerde gegenüber Indien – wenn man sein Leben in einem der indischen Moloche verbringt, die sich Großstadt nennen, ob es nun Bangalore oder Delhi oder Mumbai ist, und in denen alles Grüne, alles Schöne an den Rand gedrängt wird. In denen der Bogen aufs Äußerste gespannt ist. Da kann man schon mal vergessen, wie leise und ruhig und langsam fließend alles um einen herum sein kann.
Wir rauschten auf dem Wasser dahin: keine Menschenmenge vor uns. Kein Schubsen. Keine Wand. Keine Schilder. Dreck. Müll. Rinnsale. Straßenhunde. Motoröl.

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360° Panoramablick, Krishna River

Aus Gründen, die einmal mehr meinen Horizont übersteigen die ich aus Zeitmangel jetzt leider, leider nicht darlegen kann, öffnet sich das Pop-up nicht in O-Größe. Das ist schlecht. Um das Panorama in voller Pracht zu sehen, folge man bitte diesem Link und benutze die Lupe.

Die Zeit, die wir in diesem Tal verbrachten, war einzigartig schön. Das Wasser war warm und ich hätte alles für ein altes, knarriges Ruderboot gegeben, mit dem wir Stunden auf dem See verbracht hätten.
Natürlich war das ganz gut so, dass es keins gab. Immerhin hatte ich in einem Anfall von Intelligenz nur kurzärmelige Sachen eingepackt und verbrannte mir nun schon den dritten Tag in Folge die Arme.

Für uns ging es zurück nach Mumbai, aber obwohl diese Reise bereits zwei Wochen zurückliegt, naschen wir immer noch von den Erinnerungen an diese landschaftliche Pracht. Momente wie der am Krishna River – ein seltener fastvorlauterGlückinTränenzerberst-Moment – ist nur außerhalb des Monsuns möglich, und auch unsere Erdbeermelange (zu diesem Zeitpunkt fuhren 2kg der süßen Frucht im Kofferraum mit uns herum) klappt nur während der Saison; doch davon mal abgesehen kann man die Landschaft das ganze Jahr über genießen.

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Noch ausstehendes Thema:

(7) Touristen – Das Dreckige Dutzend Tausend

Bereits abgehakt:

(1) Maha Strawberry Country
(2) Berg- und Talfahrt
(3) Natur Pur
(4) Pratabgadh & Der Punkt des Todes
(5) Gola, indisches Eis

Mahabaleshwar (5) – Gola, indisches Eis

Gola beschreibt Eis in Indien. Man kennt das Prinzip bereits aus Memoirs of a Geisha: Von einem Eisblock werden ein paar Schichten abgehobelt, und diese „Späne“ werden anschließend mit Syrup übergossen.

In Maharashtra ist Gola sehr beliebt, und auch in Mumbai gibt es überall kleine Stände am Straßenrand, die Gola verkaufen. Beim Syrup beschränkt man sich dabei nicht nur auf Fruchtgeschmack, sondern es gibt richtig extravagante Variationen mit allen möglichen, glitschigen Säften, von Schokolade über Butterscotch hin zu mir unbekannten Cremesorten, die nacheinander über die Eisspäne gegossen werden. Manchmal gibt es Streuseln, Nüsse und andere Trockenfrüchte dazu. Es gibt Gola am Stiel und Gola-Teller.

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Natürlich handelt es sich dabei wieder einmal um einen Genuss, der westlichen Touristen strengstens untersagt ist. )-o

In Panchgani saßen wir am Parsi Point, als uns furchtbar, furchtbar heiß wurde. Und da stand er, der Gola-Wallah. Die berühmtesten Sorten Gola sind Limette, Khus-Khus, Rose und sämtliche Fruchtsorten. Wir entschieden uns für Rosenwasser, eine klebrig-süße, purpurne Geschmacksrichtung.

Es gibt keine grazile Schleck-und-Schlürfart, um so ein Becherchen bröckeligen, klebrigen Eises zu verputzen. Aber das macht nichts. Es war lecker, sehr erfrischend, zuckersüß und Spaß gemacht hats auch. ;D

Ich darf doch abschließend noch erwähnen, dass ich keine Langzeitschäden davongetragen habe. Und wenn ich nicht so zimperlich wäre, würde ich das viel, viel öfters genießen. Es schmeckt lecker und – mal ehrlich – Ben&Jerry ist zwar toll, aber ein Becher Gola hat einen größeren Glücks-Effekt.

Wer den (empfehlenswerten) Film Taare Zameen Par gesehen hat, wird sich eventuell noch an eine Szene im Film erinnern, in der Ishaan einen Mann beobachtet, der seinen jungen Sohn auf den Schultern trägt und am Marine Drive Gola kauft. Ja, ich hab wieder genau hingeschaut.
Die Szene aus Taare Zameen Par gibt es in diesem YouTube-Video
(Gola-Szene 2:20 bis 3:05Min inklusive komplettem „Zubereitungsprozess“, Gesamtlänge 6:06Minuten).

Übrigens noch etwas gyan (Wissen) zum Video: Die außerirdisch anmutende Gerätschaft, die zwischen 4:50 und 5:01Min im Bild erscheint und die ein Geräusch von sich gibt, dass irgendwie an den australischen Busch erinnert, dient dazu um flach gelegene Baumwollmatratzen wieder flockig zu machen. Die Matratze wird geöffnet, die Baumwolle herausgezogen, mittels des schwingenden Fadens in einen flockig-weichen Zustand versetzt und wieder in die Matratze gefüllt.

Manchmal kommt der Matratzen-Wallah bei uns vorbei. Vielleicht bitten wir ihn bei Gelegenheit mal, unsere Baumwollmatratze wieder aufzumöbeln. Aus rein dokumentarischen Gründen natürlich :yes:

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Noch ausstehende Themen:

(6) Krokodilstränen am Krishna River
(7) Touristen – Das Dreckige Dutzend Tausend

Bereits abgehakt:

(1) Maha Strawberry Country
(2) Berg- und Talfahrt
(3) Natur Pur
(4) Pratabgadh & Der Punkt des Todes

Mahabaleshwar (3) – Natur pur.

Es war Freitag Morgen, unser zweiter Urlaubstag, und wir erwachten 6:30Uhr, da jemand vergessen hatte, den Wecker im Handy auszuschalten. |-|:)) Tür auf, Morgenchai in Empfang nehmen und den Blick auf den Krishna River genießen – schon waren wir versöhnt. Von unserem Hotel aus hatten wir einen etwas anderen Blickwinkel, aber in der Essenz begrüßte uns in Etwa dieses Bild:

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Krishna River vom Parsi Point aus gesehen. (Wie immer: Fotos in O-Größe im Pop-up.)

Wir schnallten uns die Wanderschuhe an und düsten ab zum Table Land, „Asiens größtem Hochplateau“. Oder so. Es war zu früh für andere Besucher mit Ausnahme eines kaum zwanzigjährigen Handlesers (von welcher Sorte es in Panchgani und Mahabaleshwar übrigens eine ganze Menge gibt), also genossen wir einen Spaziergang auf der struppig-braunen Grasnarbe des Table Lands, durchsetzt von kleinen Steinen, die ich in einem lyrischen Anfall mit Ziegenkacke verglich (wobei ich mir mächtig kreativ vorkam) – und wenig später durch echte Ziegenkacke. Nur farblich zu unterschieden. Bröckliges Lawagestein: rotbraun. Ziegenkacke…. nicht.

Hmmmm es war ein fantastischer Morgen! Ganz ohne Ironie, denn wir hatten einen 360°-Blick auf Panchgani und für einen kurzen Moment nur Ruhe. Eine leichte Prise. Und den Wunsch, ein Häuschen in Panchgani zu besitzen.

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Normalerweise ein Teich.

Wir fragten herum, was man außer Paragliding in Panchgani/Mahabaleshwar und Umgebung noch unternehmen könnte: Points angucken. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Rahul genug von Points. Points. Und noch mehr Points. Wir entschlossen uns daher, uns einfach ins Auto zu setzen und die rund 50km zur Pratabgadh-Festung zurückzulegen. (Dazu wird es einen gesonderten Bericht geben. Nur so viel: wir waren dort und es war toll.)

Dann taten wir etwas, das wir schon lange, lange nicht mehr getan hatten: wir hielten in einem Dorf am Fuße der Berge an und begaben uns in eine Dhaba (Roadside Restaurant) und aßen Dal Fry (gelbe Linsen) und Roti (Fladenbrot). Es war einfach nur lecker. Vor uns die Berge. Hinter uns die (leise) blärrende Blechmusik, für die Dhabas nun mal bekannt sind. Neben uns großäugige indische Touristen. Und ein Erdbeerverkaufsstand. War ja klar. 😉

Auf dem Rückweg wurde Rahuls muffeliges Monsungemecker doch noch erhört: Wahr ist, dass Mahabaleshwar und Panchgani während des Monsuns am schönsten sind. Wahr ist auch, dass gerade kein Monsun herrscht. Wahr ist ebenfalls, dass es trotzdem geregnet hat. Und wie!

Zunächst bahnte sich allerdings nur ein dumpfes Grollen und eine schwarze Wolkenwand an. Wir positionierten uns strategisch am Straßenrand und schauten ins Tal in Richtung Pratabgadh – woher wir gerade kamen, und ließen das Lichterspiel auf uns wirken. Wolken sind ja so fotogen. 😉

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Der Rückweg nach Panchgani wurde vom lauten Tropfentrommeln aufs Auto begleitet. Es durftete nach nasser Erde; die Luft wurde vom Staub gewaschen und die bisher mit einer rotbraunen Schicht belegten Blätter der Bäume waren wieder blitzblank. In Mahabaleshwar hielten wir noch einmal an und besuchten einen allerletzten Point. Den Sunrise Point. Nur intelligenterweise Abends.
Der Sunrise Point nennt sich auch Wilson Point und war nichts als ein gemauerter Podest mit Blick in Richtung Osten und, dem Regen sei Dank, einer Unterrichtsstunde zum Thema „Verblauung“.

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Wir wurden unser Auto los und spazierten durchs Gestrüpp entlang verwinkelter Straßen, die gerade breit genug für ein Auto waren und uns genügend Anlass boten, die Präzision sich entgegen kommender Fahrer zu beobachten. Dann bogen wir auf einen Seitenpfad ab, der mit Frühlingslaub bedeckt war. (In Indien fällt das Laub im Frühling.) Es war still. Es war feucht und glitschig. Es war weit weg von dem Leben, das wir sonst in Indien führen. Also genossen wir jede Minute, bevor wir zurück nach Panchgani fuhren und dort das schlimmste Abendessen einnahmen, dass wir – so entschieden wir später – jemals hatten. XX( Aber das macht nichts, denn selbst das überlebten wir ohne verdauungstechnische Störungen, so dass ich inzwischen überzeugt bin, eine Sonderanfertigung als Magen erhalten zu haben. Meiner ist aus Kuhleder. :yes: Ich könnte mich natürlich expliziter dazu äußern, dass die Hühnerschenkel in unserem „authentischen Mughlai-curry“ mit halber Kralle dran serviert wurden, aber vielleicht esst ihr ja gerade? :wave:

Noch ausstehende Themen:

(4) Pratabgadh Festung & der Punkt des Todes
(5) Gola – Ice Ice Baby
(6) Krokodilstränen am Krishna River
(7) Touristen – Das Dreckige Dutzend Tausend

Bereits abgehakt:

(1) Maha Strawberry Country
(2) Berg- und Talfahrt

Reizüberflutung

Unser Kurzurlaub über Ostern führte uns nach Mahabaleshwar und Panchgani im westindischen Bundesstaat Maharashtra, circa 285km von Mumbai (Bombay). Das Ganze ist jetzt zwei Tage her, und trotzdem kullert in meinem Hirn ein monströses Bündel verworrener Gedanken herum, denn dieser Urlaub war wieder einmal alles:

Er war Erholung.
Er war Stress.
Er hat mir die Schönheit der Landschaft mit solcher Wucht vor Augen geführt, dass es zu peinlichen beinahe-Schluchzanfällen kam.
Er hat mich so derart frustriert, dass ich am liebsten mal ordentlich „lathicharge“ ausgeteilt hätte; so nennt sich das nämlich, wenn die Polizei ihre Bambus-Schlagstöcke zückt und Blutergüsse austeilt.
Er hat mir meine eigene schlimmste Seite offenbart.
Er hat mich furchtbar, furchtbar glücklich gemacht, so dass alle Probleme plötzlich wie weggeblasen waren.
Er hat die hässlich-grässliche Seite des Tourismus nach außen gekehrt und bei mir wieder Weltuntergangsstimmung einsetzen lassen.

Der reine Wahnsinn.

Es hat uns sehr gut gefallen, keine Frage, aber dieses klischeehafte Wechselbad der Gefühle war sehr anstrengend. Und trotzdem setzten wir uns nur widerwillig zurück ins Auto und fuhren nach Mumbai.
In den nächsten Tagen werde ich das Projekt „Mahabaleshwar & Panchgani“ in Angriff nehmen.
Bis dahin ein bildlicher Einstieg:

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Elephant Point heißt so, da der Berg
http://www.blog.de/script/tinymce_v3241b/tiny_mce/themes/blogPost/langs/de.js
von der Seite aus wie der Kopf eines Elefanten aussieht.

(1) Maha Strawberry Country
(2) Berg- und Talfahrt
(3) Natur Pur
(4) Pratabgadh & Der Punkt des Todes
(5) Gola, indisches Eis