Kein Mensch braucht Reiseführer

Wir haben es gewagt: Wir waren zurück in Indien. Und wie es sich für deutsche Touristen gehört, die mit Kleinkindern reisen, hatten wir sogar Desinfektionsmittel dabei. Man will sich in den schmuddeligen Ländern ja nichts einfangen, gelle.

Ich greife mal ganz euphorisch vorweg: Das Klebeband, das ich um die Desinfektionsmittel (eins für Oberflächen und eins für die Hände) geklebt hatte, um einem Flugzeug-Koffer-Booboo präventiv entgegen zu treten, entfernte ich erst nach dem Urlaub wieder. Solches Zeug braucht man einfach nicht. Weder in Indien noch sonstwo*.

Jeder Reiseführer, der jemals über Indien geschrieben wurde, erwähnt irgendwann Die Zustände. Die hygienischen Zustände. Da hat sich auch in unserer Abwesenheit nichts getan. Nichts. Auch nicht, wenn es inzwischen solche Aktionen gibt. Echt. Es ist alles wie immer. Deshalb packen Touristen ja auch Desinfektionsmittel ein.

Nun haben wir ja den uns gegebenen, evolutionären Auftrag erfüllt und uns quotengerecht fortgepflanzt. Das Bienchen war zum Reisezeitpunkt 14 Monate alt. Es war noch nie in Indien. Und wie es sich für 14monatige Kleinkinder gehört, schleckern sie alles ab (außer Lebensmittel, logisch). Auch in Indien.

Kaum hatten wir den Flughafen verlassen und – depperte Touristen, die wir waren – ein Black & Yellow Government Taxi** gebucht, begann das Drama: Das Bienchen leckte und saugte jede Oberfläche ab, die sich ihr bot. Jede. Tür, Griffe, Fensterscheibe und Polster im Taxi. In der halben Stunde, die wir im nach Beedi-riechenden Monstrum gefangen waren, besiedelten Millionen neue Bakterien das Kind.

Es kam natürlich, wie es kommen musste. Jeder Reiseführer warnt davor. Wäscht, kocht und schält man es nicht, sollte man es nicht konsumieren. Das gilt auch für die flohigen Polster eines Maruti Vans. Wie also verbrachten wir unseren Urlaub in Indien mit einem lutschenden Kleinkind? Die Antwort liegt auf der Hand: Schwitzend, aber gesund.

Obwohl das Bienchen jede Gelegenheit nutzte, um für Touristen-in-Indien suizidale Verhaltensweisen an den Tag zu legen, passierte nichts. Nicht mal Durchfall. Das gibt uns zu denken. Hat das Bienchen irgendeine Pro-Version der Abwehrkräfte vorinstalliert? Ist sie ein Mutant, der in 17 Jahren zusammen mit den X-Men die Welt retten wird? Sind die Abwehrkräfte längst vergangener Keime auch 5 Jahre später in der Muttermilch übertragbar? Oder ist das Papas Beitrag zum Kind? Oder ist das mit dem tödlichen Indien einfach alles ein Mega-Schmarrn?

Können die in Nordindien jetzt dazu übergehen, Reiseführer – diese obsoleten Textwerke eines paranoiden Zeitalters – für die Befeuerung ihrer Herde zu nehmen und auf Kuhfladen verzichten?

Können Touristen gar aufhören, ihre Nahrungsmittel in Jodlösung zu ersäufen? Ja, bestimmt. Bienchen hat alles überlebt: Auch dass sie jeden Tag ihre und anderer Leute Straßenschuh abgelutscht hat. Nur um sicher zu gehen, dass sie keinen Keim übersehen hat. Wäre ja schade. So ein Urlaub geht schließlich nicht ewig.

Schön aber giftig: Schuhe in Indien 🙂

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*Für die Erbsenzähler mache ich diverse Ausnahmen: Im OP kann das schon ganz nützlich sein. Und wenn man einen Ausflug zur Göttin nach Vaishno Devi macht und der Hubschrauber mal wieder nicht fliegt: dann braucht man definitiv Desinfektionsmittel. Aber sowas von!

**Wir hatten einfach irgendwie vergessen, dass es Radio-Cabs gibt. Und Uber. Kann ja mal passieren.

Indien. Frei von Polio?

Momentan entfleucht Indien die Nachricht, das Land hätte Polio (Kinderlähmung) besiegt. Es soll offiziell keine Neuansteckungen gegeben haben. Im Jahr 2010 waren es noch 42 Fälle.
Im Jahr 2009 waren es 741.
Im Jahr 1999 waren es schockierende 50.000 Fälle.
Und nun soll das Wunder geschafft sein: keine Neuansteckungen mehr. Damit schafft es Indien runter von der WHO-Liste der Länder, in denen Polio endemisch ist. (Zum Vergleich: Pakistan, Afghanistan und Nigeria stehen noch drauf.)

Grund zur Freude.

Irgendwie. Mein persönlicher Pessimismus hinsichtlich offizieller Statistiken in Indien verbietet mir derweil solcherlei Glückseligkeit. Dabei unterstelle ich weder Fälschung noch böse Absicht. Es ist nur einfach so, dass Indien unglaublich groß ist. Unglaublich weitflächig. Dass viele Menschen in schlecht verwalteten Gebieten einfach unter den Tisch fallen. Und dass es jede Menge schlecht verwalteter Gebiete gibt. Ich kann dem nicht trauen, auch wenn Berichten zu Folge das letzte offizielle Polio-Opfer ein kleines zweijähriges Mädchen in Kolkata war. Das war im März 2011. Bereits seit Ende 2010 soll kein Poliovirus mehr in Abwasserproben festgestellt worden sein. Es klingt zu gut, um wahr zu sein.

Ich gönne es Indien. Und ich hoffe, dass – trotz noch einiger ausstehender Wasserproben – das poliofreie Indien Realität ist. Aber ich bin skeptisch. Hochoffiziell jedoch ist es wahr: Indien. Frei von Polio!

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Meines Wissens wird diese Skepsis von den populären Medien nicht geteilt. Ein gutes Zeichen.

Indischer O-Ton über Öffentliche Toiletten

Nachdem mein selbstironischer, aber durchaus positiver Beitrag über das objektive Vorhandensein einiger weniger durchaus akzeptabler öffentlicher Toiletten auf beherzte Gegenwehr gestoßen ist von Menschen, die ein weniger glückliches Händchen bei der Wahl eines Aborts zu haben scheinen, warf sich mir kürzlich ein Text in den Weg, in welchem es genau um dieses Thema geht: Um das Nicht-Vorhandensein akzeptabler Toiletten besonders für Frauen in Indien.

„…Gingerly she steps in, pushing the dirty latchless door shut with her foot. Noting that as usual there are no hooks she hangs her bag around her neck. Then lifting her clothes awkwardly around its bulk she squats, carefully ensuring that no part of her body touches the sides of the wall. As she relieves her bursting bladder, she reminds herself to be grateful that there is a loo at all, whatever its state…“

„…If we had to pick one tangible symbol of male privilege in the city, the winner hands-down would be the Public Toilet. And woman who has lived in Mumbai will testify that the number of public toilets in the city is grossly inadequate. On many streets one comes across little white-tiled box-like structures that are men’s urinals without any sign of similar arrangements for women….“

Zwei kleine Auszüge aus dem Buch „Why Loiter“ (ISBN 978-0-143-41595-4). Rezension in Kürze.

Die Autorinnen bieten außerdem noch ein bisschen kulturelles Know-How an, um den Stand der Dinge zu erklären. Wie folgt:

„…the lack of public toilets for women cannot be seen in isolation as just a matter of oversight by town planners or a simple lack of attention to their rising numbers in public. It reflects underlying notions of purity and pollution, particularly those connected to the female body. In India, a hierarchical Hindu social order structured around stringent rules of cleanliness and dirt – exemplified in the caste system – permeates society at large. Excretory functions of the body are high in this order of pollution and until recently, in some parts of the country, having a toilet inside the house was considered sacrilegious. (…)
Since both women and toilets are seen as contaminating in relation to public space, a language of shame pervades any discussion of toilets for women. This adversely affects the actual provision of toilets for them. Any discussion of women’s bodily functions is immediately seen as linked to their sexuality and hence to be silenced. Women’s bodies are associated with bodily secretions – menstruation, ovulation, lactation – seen as sources of ritual contamination at particular times of the month or year. These notions of contamination are so much part of women’s conditioning that women reported during our workshops that they were usually too embarrassed to even ask for directions to a toilet. …“

„This mindset is a reflection of larger cultural attitudes where toilets are objects of shame, mockery and sometimes, revulsion. This aversion to the essential ‚toiletness‘ of toilets is so high that great efforts and monies are spent on disguising public toilets to look like anything but toilets. So the public toilet at the Gateway of India was made to look like a miniature, ill-proportioned Gateway, and the public facility near Churchgate railway station is so camouflaged by plants that many daily commuters are unaware that it is a toilet, defeating the very purpose of its existence.“

(Auszüge aus dem Kapitel „Peeing“ aus Why Loiter?)

Ich denke, das gibt dem ganzen Thema noch einen anderen Dreh. Was die Beispiele der Autorinnen anbelangt: da stimme ich zu. Ich habe es selbst immer vermieden, nach Toiletten zu fragen – außer andere Frauen. Sich erleichtern zu müssen erinnert im indischen Kontext unweigerlich an Sexualität, und um keine grafischen Bilder diverser Organe in den Köpfen des männlichen Gegenübers aufblitzen zu lassen, vermeidet man es eben, die Herren überhaupt anzusprechen.

Des weiteren versuche ich mich an das Gateway of India zu erinnern, aber ich habe dort nie wirklich eine Toilette gesehen. Sie war wohl zu gut versteckt? Andererseits würde ich nicht am Gateway nach einer Toilette suchen, sondern schnurstracks ins gegenüberliegende Taj einmarschieren und mich dort in äußerst ansprechendem Ambiente erleichtern, sogar mit klassischer Musik im Hintergrund. :yes:

Dass es öffentliche Toiletten am Churchgate Terminal gibt, weiß ich unterdessen. Man muss sie nicht sehen. Man kann sie riechen. Ich nehme aus diesem Grund an, dass die Autorinnen von anderen Toiletten sprechen, und von deren Existenz weiß ich ebenfalls nichts.

Ein interessantes Thema, über welches man offenbar Studien betreiben kann.

Übersetzung der Auszüge: „Indischer O-Ton über Öffentliche Toiletten“ weiterlesen

Es gibt keine Toiletten in Indien

Es ist wahr. :yes: Es gibt keine Toiletten in Indien. Wenn es denn mal eine Toilette gibt, dann ist das ein unzumutbares, Syphilis verbreitendes, Herpesbläschen-explodieren-lassendes, olfaktorisch anstößiges Konstrukt indischen Bau-Unvermögens. Also keine richtige Toilette.
In solch dem Westeuropäer süß-säuerlich aufstoßenden Verhältnissen müssen kreative Lösungen her: Die Oberklasse Indiens hat sich Katheter legen lassen. Ganz chic, gibts jetzt auch von Markenherstellern. Und da die Unterklassen noch nie durch Intelligenz oder Kreativität, wohl aber durch stoische Unvernunft aufgefallen sind, kacken und pinkeln sie halt da, wo Platz ist. Platz gibts in urbanen Regionen nicht viel, aber man tut halt, was man kann.
Es sei dem Reisenden also stärkstens ans Herz gelegt, sich gleich am ersten Tag in Indien im Zuge des Medizintourismus‘ in eine hübsche Klinik einweisen zu lassen, um einen modischen Katheter gelegt zu bekommen (dringend Versiegelung testen. Könnte schließlich ein im Slum um die Ecke ausgewaschener Kühlschlauch eines prähistorischen Ambassador-Automodells sein).
Wahlweise braucht man ja auch nix trinken. Ist eh alles giftig.

Nein wirklich, manche Aussagen/Eindrücke zum Thema Indien sind einfach so bizarr.

Liebe(r) Indienreisende(r).
Ich weiß, du hast Angst. Es kursieren schließlich die seltsamsten Gerüchte über Indien. Schmarren sozusagen, wie das Gefasel da oben. Und der ist nur auf dem Teller lecker. Wahlweise mit Honig, Apfelmus, Nutella oder karamellisierten Bananen. Die Überlebensberichte bereits in Indien gewesener Menschen sind ja auch gar schrecklich. Was die alles erdulden mussten. Kein Klo auf dem ganzen verruchten Subkontinent. Nichts. Kein Wunder, dass die Null in Indien erfunden wurde!
Aber ich weiß dich zu beruhigen. Es gibt in Indien Toiletten. Es gibt in Indien öffentliche Toiletten. Es gibt in Indien völlig anständige, saubere öffentliche Toiletten. Es gibt aber zwei Probleme:
1. Es gibt nicht viele davon.
2. Es gibt noch keinen Kloreiseführer. (Vielleicht wäre das mal eine sehr humanitäre Aufgabe für mich. Wer weiß.) Man riecht ja nur die schmutzigen Klos von Weitem. Für die sauberen muss man die Gucklöcher aufmachen. 😉

Wer in Indien unterwegs ist, darf auch unterwegs mal pinkeln. Das laute Rumsen, das man manchmal hört, ist vielleicht ein kleiner Verkehrsunfall, aber selten eine geborstene Blase. Wirklich. Ich schwörs.
In ganz Indien gibt es saubere sog. Sulabh Toiletten. Die meisten (aber leider nicht alle) riechen angenehm nach Phenyl. Nicht nach Ausscheidungsprodukten oder Körpersekreten. Sie kosten zwischen einer und vier Rupien pro Nutzung.
Leider gibt es nicht sehr viele davon, und manchmal muss man anstehen.
Manchmal mag man auch nicht hingehen, weil die „Attendants“ männlich sind. Verständlich.
Dann kann man sich in ein Kaufhaus begeben. Jede Mall hat eine Toilette. Die meisten Toiletten in den Malls großer Städte sind sauber und werden von einer Resident-Klofrau geputzt. Den ganzen Tag lang. Es gibt in den indischen Städten unglaublich viele Malls und daher auch sehr viele Toiletten, und man kann sich während einer Besichtigungstour von einem Klo zum anderen hangeln. Die angenehme Klimatisierung der Malls führt auch zu angenehm klimatisierten Aborts. Such das mal in Deutschland. :yes:
Auch gut situierte Restaurants und größere Geschäfte haben annehmbare Toiletten. Cafés ebenfalls.

Ich jedenfalls musste noch nie an den Straßenrand pullern.
Zumindest nicht in Indien.

Warum tun das dann die Inder? – – Das ist ein anderes Thema. Eins, über das ich schon vor Jahren und dann immer mal wieder schrieb. Aber es hat relativ wenig mit der objektiven Präsens von Toiletten in Indien zu tun. Es gibt sie wirklich. Hygiene ist ein Armutsproblem. Die reichen Inder pissen ja auch nicht an die Ecke. Die gehen zu Hause, im Restuarant, im Büro, in der Mall, etc pp. Und sein wir doch mal nicht so sensationsgeil: In so eine Blase passt gut und gern ein Liter. So viele Klos kann man pro Tag also gar nicht brauchen.

Aber nur wenige Indienreisende werden euch das erzählen. Woran man nicht glaubt. Das kann man auch nicht sehen. :no:

Das Hygiene-Duett

Nach einer unfreiwilligen Blogpause gehts nun weiter mit Indiens Top-Thema: Hygiene.

Das erste Foto entstand in Andheri East, Mumbai. Es zeigt das, was allgemein hin mit einem zynischen Zucken der Mundwinkel von Indien erwartet wird:

Die Öffentliche Toilette.

Das alte Thema der öffentliche Toilette in Indien, die es nicht – oder je nach Betrachtungsweise – überall gibt. An jedem Ort. Open Air.

Doch wie ich das bereits vor etwas längerer Zeit beschrieben hatte, ist das öffentliche Pinkeln nicht immer ein Akt freiwilligen Vandalismus. Jut, es passiert. Auch auf Dächern. Auch direkt vor meinen Augen im Nachbarhaus.
Aber ich bin einfach unverbesserlich in meinem Glauben an das Gute im Menschen: Ich glaube fest daran – vielleicht auch aus einer Laune des Selbsterhaltungstriebs heraus – dass die fürchterlichen hygienischen Zustände schlichtweg auf einen akuten Mangel zurückzuführen ist. Mangel an Aufklärung. Mangel an sanitären Einrichtungen. Mangel an Geld. Mangel an einem Stolzgefühl für öffentliches Eigentum.

Und Indien macht es mir einfach, weiterhin an das Gute in ihm zu glauben. :yes: Guckst du hier:

Die Öffentliche Toilette.

Das ist eine Schlange Männer. Es tut mir ja leid, dass ich sie nicht in ihrer ganzen Länge knipsen konnte. Ich war einfach zu langsam. 😳 Nun, das ist eine Schlange Männer, die ansteht. Vor einem öffentlichen Klo. Im Regen!!!

Nicht nur warten sie also, bis sie sich erleichtern dürfen. :yes:
Nicht nur sind sie dafür bereit eine Rupie zu zahlen. :yes:
Nein. Sie tun das im Regen. :yes:

Ich finde, das muss auch mal raus als Botschaft. :yes:

Die Sulabh-Komposttoilette

Nachdem ich die Hygieneprobleme indischer Großstädte angesprochen habe, lohnt es sich m.E., etwas zu der genialen Erfindung der Sulabh-Toilette zu sagen. Sulabh ist inzwischen ein Synonym für die öffentliche Toilette in Indien, und dahinter verbirgt sich eine sehr einfache, denkbar günstige, unweltschonende Alternative zum stinkenden Kloproblem.

Unter diesem Link wird das Prinzip der Sulabh-Komposttoilette sehr ausführlich mit allen technischen Details erklärt (Englisch). Kurz und knackig zusammengefasst klappt das System so: Eine herkömmliche Toilette wird mit zwei Auffangkammern verbunden, deren Größe von der Anzahl der Nutzer abhängig ist. Normalerweise wird eine solche Auffangkammer für eine 3jährige Nutzung konzipiert. Ist die erste Kammer voll, wird diese versiegelt: Die Endprodukte verwandeln sich ohne den Zusatz von Chemikalien et al binnen zweier Jahre in direkt nutzbaren Dünger. In der Zwischenzeit nutzt man die zweite Kammer.
Die Sulabhtoilette ist so gebaut, dass man nur anderthalb bis zwei Liter Wasser pro Spülung verbraucht. Nichts stinkt; nichts müffelt.

Inzwischen hat die Sulabhorganisation eine Million solcher Kompostklos für individuelle Haushalte in Indien gebaut.

Es gibt allerdings auch öffentliche Toiletten (E) von Sulabh. Deren Tanks sind natürlich größer, aber diese Einrichtungen funktionieren auch gleich viel extravaganter. Licht und Ventilatoren werden mit dem aus den Tankern stammendem Biogas (E) betrieben. Wasser stammt aus der hauseigenen Kläranlage. In diesem Sinne sind öffentliche Sulabhtoiletten kleine, unabhängige Inseln im oft unzuverlässigen Netz der beinahe-kollabierten, urbanen Infrastruktur. Da frage ich mich doch, warum die Stadtverwaltung immer noch herkömmliche Klos baut – ganz besonders in Slums, wo es doch kein Wasser zum Spülen gibt, und wo 80% der Toiletten vollkommen nutzlose, bestialisch stinkende Ruinen sind? Wer ein paar Mal die öffentlichen Toiletten zum Beispiel an Bus-/Bahnhöfen in Indiens Klein- und Großstädten aufgesucht hat, der kann sich den Geruch in Etwa vorstellen.

Dr. Bindeshwar Pathak (E), der diese ganze Klobewegung ins Leben gerufen und zehntausenden von traditionellen Scheißewegräumern Safaikaramcharis geholfen hat, ist ein internationaler Held. Aber in Indien feiert man ihn nicht. Nicht genug.

Diese kleine Erfindung passt so hervorragend ins indische Klima mit all seinen Nachteilen (also Wassermangel, Platzmangel, Elektrizitätsmangel etc pp), dass ich es für eine anständige Idee halte, wenn die zukünftige öffentliche Toilette Indiens generell von Sulabh stammen würde. Auch im Bereich Slum-Redevelopment: Ich habe bereits ausführlich beschrieben, wie das Redevelopmentprogramm für Slums in Mumbai ausschaut, und ich habe mich dabei immer gefragt, woher die Resourcen für die ganzen Toiletten stammen sollen? Wäre es nicht gut, wenn die neuen Häuser für rehabilitierte Slumbewohner anstatt mit einem normalen Klo mit einer Sulabhtoilette ausstaffiert wären?