Hochzeitsmarathon (5)

Der Hochzeitsmarathon geht weiter: Frisch aus Bhopal erreichten wir gegen 11Uhr Delhi. Drei Stunden Schlaf. Drei davon in arktischer Kälte. Wir fuhren in der sengenden Hitze mit der Rickshaw nach Ostdelhi und tauchten sofort in die letzten Vorbereitungen für Priyas Hochzeit ein. Im Haus herrschte verdächtige Stille, denn die männlichen Verwandten waren alle samt zur Festhallte verschwunden, um die dortigen Arbeiten zu überschauen: Es mussten Lebensmittel zum Kochen vorrätig sein. Die Köche musste da sein. Gasflaschen mussten organisiert werden. Der Tentwallah (das ist der, der das Festzelt aufbaut) musste beaufsichtigt werden. Es gab so viel zu tun!

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Daheim mussten wir derweil die Logistik planen, was sich in Anbetracht der Tatsache, dass besonders dieses Thema gern als Nebensächlichkeit betrachtet wird, äußerst schwierig gestaltete. Die Braut musste irgendwie zum Parlour gelangen, wo man sie ordentlich ankleiden und frisieren würde. Der lag günstigerweise am anderen Ende der Stadt. ;D Wir mussten widerum ebenfalls pünktlich auf der Festwiese stehen, hatten aber noch so viel zu tun, und wie es bei indischen Hochzeiten üblich ist, trudelten selbst im Laufe dieses chaotischen Tages noch besonders schamlose Gäste auf einen Tee ein. :wave:
Es war plötzlich schon 15Uhr. Ich kippte um. Und erwachte erst 18Uhr, was insofern unpraktisch war, als dass unser Taxi bereits vor der Tür stand, Rahul noch unterwegs war, mein Sari noch nicht gebügelt war, usw. Für den Bügelwallah war es zu spät. Mein Haarschopf widersetzte sich dem Kamm. Schmuck anlegen. Sari irgendwie fix drapieren. Schnell, schnell, wir sind spät dran. Inzwischen war auch Rahul eingetrudelt. Die Taxe wartete bereits seit über einer Stunde (diese Rechnung!) und irgendwann 20:30Uhr fuhren wir los, sammelten unterwegs den Priester auf und kutschierten durch Delhi. „Hochzeitsmarathon (5)“ weiterlesen

Hochzeitsmarathon (4)

Wir erinnern uns: Ein Rudel aufgebretzelter Leute sitzt in einem ganz und gar nicht klimatisierten Bus auf dem Weg zu einer Hochzeit. Aber wo ist sie nur?
Unser Bus röchelte rund zwei Stunden durch den Verkehr; wir verfuhren uns zwei Mal :yes: und kamen erst nach 21:30Uhr im Hotel an. Wir kletterten in unseren bunten, zu diesem Zeitpunkt freilich saftig durchgeschwitzten Saris aus dem Bus, der nicht behindertengerecht war und dessen Bodenbrett einen gefühlten halben Meter vom Boden entfernt war. Eine wunderbare Gelegenheit also für filmreife In-die-Arme-des-Gatten-werf-Momente. 😳

Hatten wir uns erst einmal von diesem freien Fall erholt und unsere Saris und Frisuren zurechtgezupft, bekamen wir gesagt: Falsches Hotel. Zurück in den Bus!

Wartet mal kurz. Ich muss erst mal kurz :)):)):))

Meine deutsche Augenbraue begann zu zucken. Aber das machte nichts. Mich schockt man dieser Tage selten. Zurück in den Bus also, noch eine Runde durch die Stadt eiern und nachdem unser Bus einen gefährlichen Berg hochgeschnieft, dann wieder hinabgerollt und schließlich einen noch viel gefährlicher anmutenden Berg hinaufgehustet war, stiegen wir am richtigen Hotel aus. Geschafft! :wave:
S kletterte nun in seine Pferdekutsche. Die Barat begann und sollte für 45 lange, qualvoll laute Minuten nicht enden. Es wurde getanzt. Ein paar der Mamas zogen eine beachtliche Fahne hinter sich her. Eine alkoholische, meine ich. Mamas sind übrigens die Brüder der Mutter, also Onkel mütterlicherseits. Sie feigsten und lachten und tanzten, während sich die dröhnende, grelle Kolonne langsaaaaam vorwärts bewegte. Wir genossen in der Zwischenzeit die hübsche Landschaft und erkundeten das Hotel.

Die Träger der Lichter, die so einen Festumzug begleiten, waren an diesem Abend Frauen. Eine von ihnen war hochschwanger. Eine andere hatte ihren jungen Fratz auf dem Arm und den Kronleuchter auf dem Kopf. Sie waren alle zusammengekettet durch die Kabel der Lichter auf ihren Köpfen und beobachteten die tanzenden Frauen in ihrer festlichen Kleidung. Ich verfolgte diese Gedanken lieber nicht weiter.

Bevor S die Festwiese betreten konnte, fand eine Willkommenszeremonie statt, die von der ranghöchsten Frau der Brautfamilie durchgeführt wurde. Dazu äußere ich mich später noch genauer, denn (was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste) ich würde diese Zeremonie nur 24Stunden später selbst durchführen. Jawoll!
Wir warteten eher ungeduldig, denn nach einer inzwischen dreistündigen Odysee krochen wir auf dem Zahnfleisch: Wasser!

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Echter, weicher, grüner Rasen!

Die Fete selbst war angenehm. Es war natürlich bereits nach 22:30Uhr und die Festwiese verdächtig leer, denn viele der Gäste waren bereits gegangen. Eintausend Gäste sollen es gewesen sein. 8| Die Braut hielt sich wacker. Für das Paar hieß es für die nächsten Stunden, fröhlich lachend auf dem Podest auszuharren, Geschenke einzusammeln und Fotos von sich machen zu lassen, während wir erst einmal das leckere Buffet plünderten. Der alte, lüsterne Herr aus dem Wohnzimmer stellte mir immer noch nach und tauchte ständig sehr dicht neben mir auf. Wie unangenehm! Ich rannte im wahrsten Sinne jedes Mal davon, schließlich werde ich mich hüten, auf anderer Leute Hochzeit eine Szene zu machen, und gab mich einer Sünde nach der anderen hin: Jalebis mit Rabri zum Beispiel. Also frittierte, in Zuckersirup eingelegte Süßigkeiten mit Sahne. Umm!! 😳

Mit meinen güldenen Hacken versank ich derweil öfters im Rasen der Festwiese, so dass ich ständig meinen Schuh ausgraben musste, bis wir (die Clique um S) uns einfach barfuß auf die Wiese setzten und die schöne Nachtluft genossen, grüne Limo (schon wieder) tranken und überlegten, ob wir doch noch Nachschlag holen sollten. :yes: Ja, bitte! ;D

Doch die Zeit schritt unaufhörlich voran. Es wurde kühl auf dem Berg in Bhopal, von dem aus man die erleuchtete Stadt und den See sehen konnte. Die Kapelle hatte bereits um Mitternacht ihre Sachen gepackt. Und wir würden bald folgen, denn 2:15Uhr ging unser Zug zurück nach Delhi. Wir verabschiedeten uns 1:30Uhr (bevor die eigentliche Hochzeit stattgefunden hatte), zogen uns fix im Hotel um und hechteten zum Bahnhof, der mit Ratten, Kakerlaken, Kothaufen und etlichen auf dem Boden ausharrenden Reisenden zugepflastert war, wovon einer später beschloss, sich in meine Richtung zu werfen, so dass ich nur heiser „Rahul! Rahul!“ flüstern konnte. Der Bentley kümmerte sich dann um das unaufhaltsam auf mich zu stolpernde Problem. 😳

Unser Zug hatte Verspätung. 30 Minuten. Unsere Augen zogen sich zu. :yawn: Wir waren müde. :yawn: Es stank. Es war recht kühl geworden. Rahul legte sich auf eine Bank, stellte einen Alarm im Handy und schlief. :zz:
Ich konnte und wollte nicht schlafen aus Angst, nicht mehr aufstehen zu können. Wenn ich einmal schlafe, dann weckt mich nichts mehr auf. :lalala: Also lief ich auf dem Bahnsteig auf und ab, bis ich so müde war, dass ich mehrmals fast umkippte und mich dafür entschied, mich auf die Bank zu setzen, wo ich fortan mit wild auf dem Hals herumkullernden Kopf ausharrte.
Aus 30 Minuten war eine Stunde geworden und ich lauschte nervös den Durchsagen, ob es noch mehr werden würde, denn die große Zahl gestrandet aussehender Menschen ist darauf zurückzuführen, dass einige Züge satte 12 Stunden XX( Verspätung hatten!

3:20Uhr trudelte endlich der Rajdhani Express aus Chennai ein, lud uns auf und fuhr mit uns nach Delhi. Morgen das alles noch einmal! Und zwar in Teil 5.

Schon abgehakt:
Teil 1 „Verlobungsfeier ohne Braut“
Teil 2 „Mehendi & Ladies‘ Sangeet“
Teil 3 „Bhopal Express – Der Shaadi-Marathon“

Hochzeitsmarathon (3)

Zwei Hochzeiten innerhalb von 48 Stunden an 744km entfernt gelegenen Orten in Indien. Das bedarf etwas Planung.

Wir entschieden uns dazu, am Morgen des 18. Aprils von Delhi nach Bhopal zu fahren. Mit dem Zug. Wir suchten uns den Shatabdi Express aus, der als exzellenter Zug mit neuen Waggons berühmt und berüchtigt ist und eine Spitzengeschwindigkeit von 145km/h aufweist. Somit sollten wir innerhalb von acht Stunden in Bhopal sein, wo Herr S Frau A ehelichen sollte. Eine gemischte Ehe, denn S ist Bengali und A nicht. Eine „Liebeshochzeit“ also, die in Indien so oft verpönt werden. Unter anderem von Bollywoodpaar Ajay Devgan und Kajol, die „Liebeshochzeiten“ doof finden. Außer ihre eigene, vermute ich.

Schwamm drüber. Wir verließen pünktlich 5:05Uhr das Haus und suchten eine Rickshaw, hüpften 10 Minuten später in einen Bus, wechselten dann in eine Rickshaw über, als wir eine fanden, und erreichten so pünktlich 6Uhr den Bahnhof, von dem 6:12Uhr unser Zug nach Bhopal losfuhr. Der neue, hübsche, glänzende Shatabdi Express. Nur hatten wir nicht bedacht, dass Delhi-Bhopal keine Premiumstrecke ist und in diesem Sektor darum die alten Züge fahren, während die neuen Prachtexemplare zwischen Delhi und Lucknow und Delhi und Amritsar (u.a.) pendeln. Hmmm. Macht nichts.

Acht Stunden im Halbschlaf. Es war verdammt kalt im Zug. So kalt, dass der Bentley und ich uns zunächst um meine Dupatta (Schultertuch) stritten, bis sich Bentley dafür entschied, sich lieber mit einem der Zugboys zu streiten, damit jemand die Klimaanlage zurückdreht. 😉 Irgendwann wurde es entweder besser oder wir bekamen das nicht mehr mit, denn wir dösten und wachten nur zu den Mahlzeiten auf. Oh, und einmal an der Bahnstation in Jhansi, wo ich einen Touristen mit Sack und Pack über den Bahnsteig hechten sah, während er vergnügt rauchte, was an indischen Bahnhöfen strengstenssss verboten ist. :yes:

14:25Uhr in Bhopal. Die Sonne brannte. 42Grad herrschten dort und nachdem ich acht Stunden in arktischer Kälte verbracht habe, kribbelte mir die Haut im Gesicht, als wir eine Stunde lang im offenen Jeep durch Bhopal kurvten und endlich, endlich das Haus des Bräutigams S erreichten, das zu diesem Zeitpunkt bereits mit rund 50 Verwandten gefüllt war, die sich in Vorbereitungen ergingen, Poojas durchführten, Mittag aßen oder der Hitze in einer dunklen Ecke schlafend trotzten.
Wir schlichen uns zu S ins Zimmer, schafften es gerade noch aufs Bett und verfielen dort in ein durch Temperatur und Erschöpfung bedingtes Wachkoma, das nur durch das ständige Eintreten von Verwandten unterbrochen wurde, die in Schränken herumwühlten und dann wieder gingen.

Irgendwann war es 17Uhr und Zeit zum Aufputzen. 50 Verwandte verbarrikadierten sich in Zimmern und zogen sich um. Erstaunlicherweise nahm niemand die Dienste eines Schönheitssalons in Anspruch. Das war sowohl schön weil familiär als auch stressig, denn wenn man sich zu fünft, sechst, siebt in einem Zimmer umzieht, dann fliegen die Stofffetzen, die Lippenstifte, Kämme und Bürsten, Schnürrsenkel und dergleichen nur so herum. Es war das bunteste Chaos, das ich bisher erleben durfte. Überall wuselten Frauen in dicken Saris halb oder ganz fertig durch die Gegend, während das Bügeleisen im oberen Stockwerk heiß lief 😉 und sich vor dem Bügelbrett eine Schlange bildete, in der ich mich ebenfalls einreihte, um meinen Sari zu bügeln. Gegenstände für die Hochzeiten wurden zusammen gesammelt. Es roch nach Deo, nach Ghee (also Butterschmalz von den Öllämpchen) und nach Vorfreude. Ein Stimmengewirr hallte durch die Zimmer. Türen flogen auf und zu. Es wurde hinter Vorhängen hervor geäugt. Sicherheitsnadeln und Klemmen wurden herumgereicht. Kinder rannten schreiend durchs Haus und ich beging einen großen Fehler:
Ich stand etwas verloren im Foyer und starrte in Richtung Wohnzimmer, wo eine mittelgroße Menschenmeute saß und zurück gaffte. Ich war nach einer Woche Familientreff in Delhi bereits längst über den Punkt hinaus, an dem ich mir neue Gesichter merken konnte, und da ich mich nicht erinnerte, wen ich bereits getroffen hatte und wen nicht, und da ich niemanden unabsichtlich schneiden wollte, lächlte ich einfach in die Runde. Schon sprang ein älterer Mann auf, kommandierte zwei Kinder ab, die er mir vorstellte, und drängte sich mir dann höchst unangenehm auf. Iiieeh, dachte ich mir, und verschwand in einem der Damenankleidezimmer, wo ich sicher war.

Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir alle damit, wild durchs Haus zu flitzen. Bei meinem ersten Anprobeversuch im Bad, wo fünf Minuten vorher jemand geduscht hatte, fiel mir meine Bluse runter und war klitschnass. |-| Tief durchatmen. Rauf ins erste Stockwerk: noch eine Bügelrunde einlegen. Wieder runter. Gucken obs Bad frei ist. Zweiter Anprobeversuch. Dieses Mal erfolgreich.
Die jungen Hüpfer teilten sich alle einen Raum. Sie beäugten sich gegenseitig neugierig. Wir teilten alle höfliche Komplimente aus, bewunderten unsere Garderobe, bestätigten uns gegenseitig, dass wir alle ganz prima aussahen, wühlten in unseren Schminktaschen herum, stolptern über unsere Sarifalten, mussten alles noch einmal wickeln und waren irgendwann fertig. Fix und fertig.

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Es war Zeit, den Bräutigam zu verabschieden. Eine kleine Pooja (Segnung) fand im Foyer statt. Wir waren zwei Stunden zu spät dran. S’s Mutter segnete ihn. Eine Tante bließ in eine Muschel. S verließ das Haus. Draußen wartete schon der mit Blumen aufgemotzte Wagen. Es gab noch mehr Poojas. Die Frauen der Familie segneten S noch einmal und warfen bunten Reis in alle vier Himmelsrichtungen. Ein paar gerührte Tränen flossen. Dann füllte sich der Wagen, und die anderen 50 Verwandten krabbelten in einen gemieteten Bus, der bereits wartete. Wir machten uns alle auf den Weg ins Hotel, das den Pataudis gehörte. Das ist ein altes, muslimisches Adelsgeschlecht, zu dem u.a. Saif Ali Khan gehört.

Leider hatte es niemand geschafft, vorher mal den Weg zu erfragen. Und so geschah, was geschehen musste. Aber erst im vierten Teil! :wave:

Der Hochzeitsmarathon:
Teil 1 „Verlobungsfeier – Ohne Braut aber mit grüner Limo“
Teil 2 „Mehendi und Ladies‘ Sangeet“

Teil 4: „Wo ist meine Hochzeit?“
Teil 5: Das bittere Ende

Ladies‘ Sangeet (2)

Hochzeiten eignen sich wie kein anderer Festakt dazu, der eigenen Eitelkeit zu frönen und sich mal so richtig-wichtig gehen zu lassen. Um die Braut und alle anderen weiblichen Gäste ordentlich aufzubrezeln, findet hierfür die Mehendi-Zeremonie statt, die oft aber nicht immer in Verbindung mit dem Ladies‘ Sangeet gehalten wird.
Hierzu finden sich die Damen der Familie ein, um einen Nachmittag bei Gesang, Tanz, Geschmatze und Henna/Mehendi zu verbringen, das von extra geladenen Mehendiwallahs auf die Hände und Füße aufgetragen wird. Im Vordergrund steht dabei natürlich die Braut: ihr Mehendi soll besonders prächtig aussehen und erstreckt sich darum beinahe bis über die Ellenbogen hinaus und bis an die Knie.

Beim Mehendiwallah in Delhi am Hanuman Tempel, Nähe Connaught Place (CP)

Da ich ein Spielverderber bin, habe ich nicht mit den üppigen, geröstete Nüsse tilgenden Damen im Wohnzimmer gesessen und mich auch standhaft geweigert, Tabla zu spielen. Wusste doch schon meine Musiklehrerein, dass ich zu sowas nicht tauge. :no: Ich wartete, bis es nicht mehr unhöflich war, aufzustehen und ins Nebenzimmer zu flüchten, wo Priyas Gliedmaßen sich zu diesem Zeitpunkt bereits bleiern anfühlen mussten (ihren Beschwerden nach zu urteilen), während die Mehendiwallahs fleißig pinselten.
So ein Brautmehendi für Arme und Beine kostet verhältnismäßig viel: 1.000 Rupien (1Euro = derzeit 62 Rupien) hat die Show gekostet. Wer mehr Geld verschwenden möchte, der kann das natürlich tun und sich in sog. Parlours (also Schönheitssalons) bearbeiten lassen.
Zum Vergleich: Am Hanuman Tempel Nähe CP (siehe Video) bekommt man Mehendi pro Hand für 25 Rupien. Aber wenn man in Indien das Wort Hochzeit erwähnt („shaadi“), dann riechen halt alle Geld.

bridal mehendi

Um das Mehendi lange Feucht zu halten und Hitze zu erzeugen (beides Grundvorraussetzungen, um die Farbe richtig dunkel werden zu lassen), tupen viele Mehendikünstler Zuckerwasser mit Zitrone auf die angetrocknete Paste. Der Zucker legt sich als klebrige Hülle um die Farbe. Später ist es aber sehr schwer, das getrocknete Hennapulver wieder abzurubbeln, denn um wirklich kräftige Rotbrauntöne zu erhalten, ist Wasser in den ersten 24 Stunden tabu. Zuckerwasser ohne Wasser abzurubbeln ist leider kein Spaß.
Ich habe dieses Brimborium darum weggelassen, die Hennapaste 2 Stunden ohne Zucker et al trocknen lassen und dann abgerubbelt. Wird trotzdem dunkel und man kann weiter werkeln.

Die Hände sehen dann für 3 bis 4 Tage schön aus, dann fängt das Muster besonders auf dem Handrücken an abzurubbeln, während es auf den Handinnenflächen langsam ins Orangene verblasst. Unschön an der Sache ist, dass die Hände mehrere Tage nach kompostierten Pilzen riechen. Schön ist, dass ich Rahul damit ärgern konnte. :>

Eine indische Verlobungsfeier (1)

Indische Hochzeiten erstrecken sich in ihrer Fülle über mehrere bedeutungsvolle, separate Feste, einschließlich der Ring-Zeremonie, die vom Brautvater gehalten wird und während der das Paar seinen ersten öffentlichen Auftritt hat. Es werden Ringe ausgetauscht. :yes: Der Ring für die Frau wurde von der Familie des Mannes gekauft und umgedreht, so dass man den jeweiligen Ring vorher nicht nur nicht gesehen hat, sondern die beiden Exemplare auch nicht unbedingt zusammenpassen müssen.

Später findet die Verlobungsfeier statt. Diese wird von der Familie des Bräutigams abgehalten und findet in Abwesenheit der Braut statt. Wir düsten also alle von Delhi nach Faridabad, woher mein nagelneuer Schwager stammt. 16Uhr sollte es losgehen. Pünktlich 18 Uhr fuhren wir ab und kamen dennoch eine Stunde zu zeitig an. Die Festhalle war noch nicht einmal fertig dekoriert. Von der Familie des Bräutigams fehlte jede Spur. ;D

engagement party

Im Laufe des rasant verpuffenden Abends trudelte die Familie des Bräutigams langsam ein. Gegen 21Uhr ließ sich dann auch der Bräutigam blicken. Von da an war Weihnachten. Über Mitgift habe ich kürzlich erst geschrieben, und heute erzähle ich, wie das dann aussieht: die Brautfamilie war mit Wagenladungen von Geschenken angerückt für jeden aus der Familie des Bräutigams. Die Eltern erhielten Haushaltselektronik wie Mikrowelle &Co. Der Bräutigam erhielt Goldschmuck. Weiterhin gab es ein Teeservice aus Silber (wunderschön!) und anderen Klimbim in dieser Richtung. Ein Korb voll Früchte. Teller voller Trockenfrüchte, die ich zuvor zusammen mit Priya (der Braut) zu Hause mit Hilfe von bunter Folie und buntem Glitzerklebeband verpackt habe. ;D Saris für alle Frauen der Familie. Stoff für Hosen und Oberhemden (für den Maßschneider) für alle Männer der Familie.
Die Männer saßen auf weiß abgedeckten Matratzen auf dem Boden im Schneidersitz. Der Bräutigam saß auf einem kleinen Holzhocker, unter dem zuvor mit weißer Kreide ein Rangoli gemalt worden war. Glücksverheißend und Pech abweisend. Die meisten Geschenke wurden von Rahul übergeben, da er der Bruder der Braut war. Aber auch die Onkels und anderen männlichen Vertreter der Familie teilten Geschenke aus. Die Saris wurden von den Frauen ausgeteilt, und als Schwägerin der Braut teilte ich die Saris an die Schwestern des Bräutigams aus. :wave:

Die Geschenke wurden jeweils zusammen mit Geldscheinen vergeben. Ihr könnt bei der enormen Größe einer indischen Familie ja raten, wie viele Stapel druckfeuchter Geldscheine in unterschiedlicher Denomination an diesem Abend ausgeteilt wurden.

Das ganze Ritual dauerte mehrere Stunden. Bei jeder Geschenkübergabe musste natürlich ein gestelltes Foto geschossen werden. Die Kameracrew blendete uns ständig mit den heißen, grellen Strahlern, während wir mit ausgestreckten Armen und breiten Grinsen Geschenke verteilten. Es war wie ein nimmer enden wollendes Weihnachten. Ich beobachtete den Berg der Geschenke, der einfach nicht kleiner werden wollte, während die gesamte Brautseite der Gäste (mit Ausnahme der aktiv in den Übergabeprozess involvierten Wichtel) gelangweilt auf ihren Stühlen herumsaßen und grüne Limo tranken. Das ist übrigens derzeit voll hipp: auf allen Parties und Feiern, die ich in letzter Zeit mit meiner unabdinglichen Präsenz geehrt habe, wurde Limo in allen Regenbogenfarben ausgeteilt: grün. Gelb. Blau. Lila. 88|

Hin und wieder drehte der DJ die Musik laut auf. Ich schätze, das ist ein ganz gewieftes Manöver, um peinliche Schweigen zu verhindern. 😉 Da man sein eigenes Wort kaum versteht, brüllt man lediglich Namaste in die vibrierende Ohrmuschel seines Gegenübers und nickt dann höflich lächelnd, ohne sich weitere Themen aus den Fingern saugen zu müssen. Belustigt war ich allerdings über die Liederwahl. So blökte plötzlich Beedi Jailaiye (aus Omkara) aus den Lautsprechern – ein Lied, das so gar nicht zu einer sonoren Veranstaltung wie dieser passt. Ich wippte mit dem Fuß, sang in Gedanken mit und überlegte, ob jetzt wer auf die Tanzfläche hüpfen und Bipashas Hüftschwünge aus dem Original nachzaubern würde… B)

Irgendwann war auch das Schenken endlich, endlich vorbei. Der letzte Präsentebeutel wurde ausgetauscht. Das letzte Hand-Schüttel-Wir-sind-jetzt-eine-Familie-Foto war im Kasten. Hauptaugenmerk der Veranstaltung ist halt der Geschenkeberg. Man isst zwar (es gab ganz hervorragende Puddingcreme mit zerbröselter Schwarzwälder Kirschtorte) und schwatzt sich den Mund fusselig mit Bekannten und Verwandten, macht höfliche Konversation mit der anderen Familie, aber das war auch schon alles, das ich beobachten konnte. Wir fuhren spät nach Mitternach nach Hause.

Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

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Leider kann ich keine aussagekräftigen Fotos einstellen, denn dazu müsste ich erst die Erlaubnis der abgelichteten Personen einholen, was mir alles zu kompliziert ist. Stellt euch einfach eine Meute aufgebretzelter Herren und Damen in einem bunt dekorierten Raum mit schallender Diskomusik vor.

Seidenkokon

Gestern war es nach fast neun Monaten wieder so weit: ich wickelte mich in Seide.

Retrospektive ist es ganz außerordentlich, dass ich schon so lange keinen Sari mehr getragen haben soll. Höchst schändlich, jawohl. :yes: Aber gestern gab es – mal wieder – eine Hochzeit mit unserer Anwesenheit zu beehren, also schlüpften wir ins hübsche Gewand und trafen uns am ITC Grand. Rahul kam nach sensationellen zweieinhalb Stunden vom Nariman Point aus in den Stadtteil Sahar, neben dem internationalen Flughafen. Daraus entnehmen wir, dass man besser mit den Locals fährt anstatt mit dem Auto. Ich motzte mich derweil daheim auf, krabbelte in eine Rickshaw und flog zum Hotel.

=> Es gibt keinen grazilen Weg, um mit einem Kancheevaram in eine Rickshaw zu klettern. 😳

=> Gen Süden sind die Straßen Abends frei, so dass meine Rickshaw praktisch Flügel bekam und ich alle 500m die indische Marilyn Monroe gab. Windstoß. Ihr wisst schon.

=> Da meine erste indische Liebe (regional gesehen) Bangalore ist, ziehe ich einen ordentlichen Seidensari allemal dem Wischiwaschi aus dem Norden vor.

Sari
Nicht von gestern. Das ist zur Abwechslung mal kein Wortspiel. Und ein Kancheevaram ist es auch nicht. :no:

Ich bin nun der festen Überzeugung, dass ich mindestens 17 Leben habe, denn ich kam heil am ITC an. Wie ich heute übrigens in der Zeitung lese, heiratete Amit Deshmukh gestern nebenan im Hyatt. Amit Deshmukh ist der Sohn des Chief Ministers von Maharashtra, und angeblich soll jeder mit Rang und Namen dort gewesen sein. Das ist natürlich eine Unwahrheit, denn schließlich waren Bentley und ich nicht dabei. 😉

Man muss sich eine indische Hochzeit als Gast* so vorstellen: man kommt rein in einen kunterbunten, grell beleuchteten, wunderbar mit Blumen et al geschmückten Saal und nimmt sofort die Bühne ins Visir, auf der das Paar steht. Man stellt sich in der Schlange an und wartet, bis man dran ist, dem Paar zu gratulieren.
=> Obwohl 99,5% der weiblichen Gäste Sari tragen, sind die Stufen auf die Bühne immer wackelig und viel zu hoch. 😳
Man gratuliert. Man lässt ein Foto mit sich und dem Paar aufnehmen. Und dann widmet man sich dem eigentlichen Thema des Abends: dem Büffet. Schmatz… Schlürf….

(*als nicht-Familienmitglied)

Da es modisch ist, den Pallu des Saris offen über die Schulter fallen zu lassen, damit auch jeder die tolle Verzierung desselben sehen kann, ist der linke Arm blockiert. Man klemmt sich also den Teller in die steife Hand und stellt sich an. Öfters wird man von rabiaten Aunties angeschubst, die sich dann vordrängeln. Das ist ok, so lange man den Kontakt derer mit fettigen Soßen beschmierter Teller mit dem eigenen Sari (frisch aus der Reinigung) vermeiden kann. 8| Einhändig, wie man nun mal ist, schaufelt man sich die Leckereien auf den Teller. Merke: immer nur Sachen, die man auch mit einer Hand essen kann. Rotis et al fallen darum für mich flach. Geübte Lukullen können Rotis mit einer Hand essen. Ich nicht. :no: Dann sucht man sich einen Stehplatz (Warum sind die Tische nur immer besetzt?) und isst, während man stetig von Kellern, Gästen und Kindern mit ADHD umkreist wird.

Dann geht man nach Hause.

Lustig.

Ende der Vorstellung. – Das ist ja auch logisch: denn die gesamte Zahl der geladenen Gäste würde seltenst in die Hallen passen. Daher ist es durchaus angebracht, dass ein stetiger Gästestrom hinein- und wenig später, mit leicht erweitertem Hüftumfang wieder hinausströmt.

Ich fand es nur wunderbar, gestern endlich, endlich wieder Sari tragen zu können. Es darf ja weder zu warm noch zu kalt sein, sonst irritiert mich das. Bin ja krantig. 🙄

Rahul weds Daniela – Teil 2

Was passiert, wenn man als Brautpaar während einr nordindischen Hochzeit endlich damit fertig ist, Stunde um Stunde vom Podium zu grinsen und die abstrusen Anleitungen der Kameramänner auszuführen?

Da sich indische Hochzeiten nach Region, Religion, Kaste bzw. Denomination, etc. unterscheidet, kann man schlecht verallgemeinernde Angaben machen. Mit Ausnahme der immergleichen Starr-und-Sitzrunde, die ich bereits völlig zu Recht als Brautpaarfolter verrissen habe, kann ich nichts Allgemeingültiges zum Thema sagen und beschränke mich darum auf eine Beschreibung unserer Zeremonie.

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Als Vorbereitung hatte ich mir sämtliche Bräuche in verschiedenen Glaubensgemeinschaften durchgelesen. Ich war noch nicht lange genug in Indien gewesen um zu wissen, dass Dinge – allen voran Hochzeiten – gewöhnlich so laufen, wie das halt immer schon war, und dass die Wahl der einzelnen Rituale nicht dem Paar sondern dem Priester zusteht. Ungünstig, denn ich war über einige sehr hübsche Rituale gestolpert. In der Gemeinde der Arya Samaj gibt es beispielsweise den Brauch „Kesh Mochan„, wonach der Bräutigam das Haar der Braut öffnet und über den Rücken fließen lässt um zu zeigen, dass er sie niemals verletzen wird. Höchst niedlich, aber leider nicht durchgeführt.

Unser Priester – ein sehr netter, lustiger Bursche übrigens – hatte ganz andere Dinge im Kopf, und da wir ihn sozusagen zur Eile angetrieben hatten, beschränkte er sich lediglich auf die notwendigsten Rituale, so dass wir innerhalb einer Stunde fertig waren. So eine Runde unter dem Baldachin (Mantap) kann sich – wie im Fall meiner Schwägerin – nämlich auch gern mal auf 3 Stunden hinziehen, wenn es dem Priester in den Sinn kommt, dass er eine kleine Geschichte zum Besten geben möchte. Uff!

Viele der Bräuche, die unter dem mantap stattfinden, sind vorbereitender Natur. Der Priester gab Rahul Anweisungen auf Hindi, der für mich ins Englische übersetzte, die ich widerum für meine Eltern ins Deutsche übersetzte, denn immerhin ist es die Familie der Braut, welche die Hauptrolle spielt. Das dauerte natürlich alles sehr lange, war aber höchst angenehm, da unser Priester das – genau wie wir – sehr locker nahm. Auf diese Weise rauschten die Zeremonien nicht nur an uns vorbei, sondern durch das ständige Erklären und Umformulieren hatten wir Zeit, alles zu registrieren.

Es wurde der Segen verschiedener Götter erbeten. Der mantap wurde vorbereitet. Wir als Brautpaar wurden vorbereitet, gesegnet, mit heiligem Wasser besprengelt usw. Dasselbe galt für meine Eltern. Rahuls Eltern. Meinen Bruder.

Wichtigstes Ritual ist Kanyadaan – die Braut wird an den Bräutigam übergeben. Das übernimmt (wie in Europa auch) der Vater. Die Braut steht dem Bräutigam gegenüber und hält in ihren Händen Betelblätter, Betelnüsse, Reis und eine Blume (Marigold). Der Priester berührt die Stirn des Paares mit einem Wasserbottich (kalash). Der Brautvater fragt den Bräutigam, ob er in Zukunft die Verantwortung für die Braut übernehmen möchte, und übergibt die Hände der Braut in die Hände des Brautigams.

Gath Bandhan: der sprichwörtliche Knoten zwischen dem Brautpaar wird in Dupatta der Braut und Schal des Bräutigams geknüpft. Ich hatte zu diesem Zweck eine wunderschöne Dupatta (Schultertuch) aus Chiffon in einen herrlichen Burgunderton einfärben und mit einer edlen Goldborte umnähen lassen. Diese Dupatta sollte auf meinen Haardutt festgesteckt werden und dann den Rücken runterfließen, von dort mit Rahuls Schal verknotet werden, damit wir die Runden ums heilige Feuer gehen konnten.

Die Dupatta lag im Auto. Das Auto war zu. Der Schlüssel war im Laufe der Festlichkeiten verloren gegangen. Ich saß schmollend unter dem mantap und machte die einzige intelligente Bemerkung, die man im schönsten Moment im Leben machen kann: dann schlagt gefälligst das Fenster ein!

Leider geschah das nicht. Jemand hatte mir einen zugegebenermaßen hübschen Sari zur Hochzeit geschenkt, und dieser wurde zu einer Dupatta gefaltet, mir auf den Kopf gesetzt und ich wurde ums Feuer geschickt. Natürlich sehe ich auf den Fotos aus wie meine eigene Oma, wobei meine Oma aufrecht gehen kann. Ich habe das bis heute nicht überwunden.

Inzwischen kann sich mein Göttergatte nicht mehr daran erinnern, den Vorschlag, die Scheibe einzuschlagen, je von mir gehört zu haben. Männer! Dabei meint er, würde er dies heute sofort tun, schließlich handelt es sich um den logischsten aller Vorschläge. Ah, Männer!

Die sieben Runden ums Feuer nennen sich Pheras. Die ersten drei Runden werden von der Braut geführt, die restlichen vier vom Bräutigam, und jede Runde beschließt ein Versprechen. Da sich allerdings auch dieses Ritual abhängig von der Region unterscheidet, war unser Priester beispielsweise der Meinung, wir müssten nur vier Runden gehen, so dass nach der Beendigung der letzten Runde eine heiße Diskussion unter den Zuschauern ausbrach. Der Priester lenkte ein (sollte er nicht die Authorität sein?), und ich war weitere drei Runden damit beschäftigt, den Sari tief in die Stirn zu ziehen.

Vorletzter Punkt auf dem Menü war Sindoor: mit Hilfe des Eheringes katapultiert der Bräutigam eine großzügige Menge davon in den Scheitelansatz seiner Braut. Zu diesem Zeitpunkt erhält die Braut außerdem eine Goldkette mit schwarzen Perlen (Mangalsutra), die als Zeichen der Ehe gilt. Ich hatte eine sehr kleine, sehr hübsche Kette gewählt, damit ich sie ungehindert im Alltag tragen kann. Sie lag zusammen mit der Dupatta im Auto. Ich sag da am besten nix zu.

In traditionellen Hinduhochzeiten findet zum Schluss in den frühen Morgenstunden Doli statt – die Braut geht. „Rahul weds Daniela – Teil 2“ weiterlesen

Die Musikanten beim indischen Hochzeitsumzug

Während im Hintergrund ein weiterer Barat (Hochzeitsumzug) auf den Socken ist und fleißig Knaller loslässt, erinnere ich mich an den Barat, an dem ich kürzlich teilnahm. Bisher war ich immer Teil der Familie der Braut gewesen und darum noch nicht in den Genuss gekommen, selbst mal im Barat mitzulaufen.

Erste Beobachtung ist die, dass es unglaublich schwer ist, auf Dauer dem Drängen und Betteln zu widerstehen doch entlich mal zu tanzen. Schwing die Hüften, strecke die Arme, lass die Finger tanzen.

Die zweite Beobachtung ist dann schon etwas unerwarteter: nämlich die Art und Weise, wie sich alles in tumultiges Durcheinander auflöst, sobald die Festwiese erreicht ist. Dort wird die Brautfamilie den berittenen Bräutigam und seine Familie in Empfang nehmen. Ein Bruder (oder Cousin) der Braut hilft dem Bräutigam vom Pferd herunter, und die Brautmutter vollführt eine kleine Willkommenszeremonie (aarti). Doch bevor es dazu kommt, wird noch einmal kräftig das Tanzbein geschwungen.

barat

Man muss wissen, dass Geld in Indien immer gern benutzt wird, um Freude und Glück auszudrücken. Demzufolge schmeißt die Familie des Bräutigams nur so damit um sich. Tanzende Menschen rühren mit einem Geldschein über dem Kopf der Gäste in der Luft herum und werfen den Schein anschließend in die Luft.

Nur was passiert mit der ganzen Kohle?

Die greift sich das Musikantenstadl, die Hochzeitsband, welche den Barat begleitet. Besagte Hochzeit war eine sehr kleine, wenig pompöse Sache. Um nicht zu sagen schäbig. (Lieber Leser, kreuzige mich nicht, es ist nur ein Zitat einiger Gäste.) Die Musikanten sahen in ihren vergeblich gewaschenen, ehemals weißen Kostümen mit den roten Bändern, Stiefeln und Hüten eher heruntergekommen aus. Einige Trommler in zerschlissenen gelben Uniformen waren auch dabei. Und sie alle hangelten nach den Geldscheinen. Die Feiernden waren kaum mit in-der-Luft-rumrühren fertig, als ihnen der Schein förmlich aus den Händen gerissen wurde. Vor mir stritten sich ein Trommler und ein Mann, der zuvor mit seinem Blasinstrument für einen Gehörsturz bei mir gesorgt hatte. In diesem Fall ging es um einen 50-Rupienschein. Zwischenzeitlich dachte ich, die beiden würden sich richtig in die Wolle bekommen. Doch im Geschubse, Gedränge und Getröte schien keiner den zwei Streithähnen wirkliche Beachtung zu schenken. Weder ihnen noch den anderen Geldscheingrabschern, die mich schon ein bisschen beschämten, da ich mir einerseits gut vorstellen kann, dass deren Gehalt keine saftige Sache ist, und es andererseits peinlich war, diesen Leuten beim Geldstreit zuzusehen. Auf einer Hochzeit. Um uns herum in Gold und Juwelen gekleidete Menschen, die in ihren teuren Sachen tanzten und lachten, und zwischendrin der Existenzkampf.
Eine Allegorie auf Indien mit seinen Gegensätzen.
Sozusagen.

…und während ich mir das alles so in Erinnerung rufe, ist der Barat draußen schon fast am Haus vorbei. Die letzten Knaller hallen noch nach und ich frage mich, ob es auch in diesem Umzug Streit ums Geld gab.

Hochzeitssaison in Indien

Wer dieser Tage nach Indien kommt, stolpert mit ziemlicher Sicherheit über einen Barat-Umzug. Hochzeiten wohin das Auge reicht. Täglich zieht rhythmisches Getrommel in Begleitung weißer Gäule um die Häuserblocks, und täglich werden Blumengirlanden ausgetauscht. Die Festhallen sind schon seit Monaten ausgebucht und die Kapellen für den Barat-Umzug hechten kreuz und quer durch die Stadt, damit jeder Bräutigam den Festsaal findet.

Es kann keine schönere Ausrede geben, mal wieder einen eleganten Seidenknäul aus dem Schrank zu fischen und sich mit Schmuck zu behängen. Zum Beispiel an diesem Abend:

Dabei fiel mir auf, daß ich verdächtig oft als Gast der Familie der Braut eingeladen bin. Leider blieb mir der Fingertanz bisher verwehrt. Wer wissen möchte, was sich hinter dem frei erfundenen Begriff „Fingertanz“ verbirgt, schaut sich im nächsten Bollywoodfilm, der eine Hochzeit beinhaltet, die ekstatischen Bewegungen der bärtigen Turbanträger an. Wer ausgerechnet diese Stellen verständlicherweise gern vorspult, muß halt im Internet über Bhangra lesen. Da steht Beispielsweise, daß Bhangra aus dem Punjab stammt. Wer einen Trupp weißer Menschen im Trainingsanzug Bhangraschritte lernen sehen möchte, brauch sich hier kein Grinsen verkneifen.

Einmarsch der Braut

Als Vertreter der Seite der Braut sieht man eine Hochzeit m.E. ganz anders, denn man ist gleichzeitig auf der Seite derer, die die Rechnung zahlen dürfen. Die größten Ausgaben während der (meist) mehrtägigen Festlichkeiten werden von der Brautseite geschultert. Da kann Frau Vidyalaxmi vom Magazin Outlook Money eine enorme Anleitung zum Thema „Wie halte ich Hochzeitskosten gering“ schreiben – das eigentliche Motto heißt immer noch „bigger is better“. Bling ist auch in Indien in.

http://www.blog.de/community/profile_photo_sizes.php?item_ID=1165796

Wer es sich leisten kann, bucht ein 5-Sterne Hotel sowie einen Event-Manager und ist die Sorgen los. Doch für die Mittelklasse reicht es dafür nicht, obwohl die meisten Eltern sofort nach der Geburt der Tochter mit dem Sparen anfangen.
Es wird ein verfügbares Gemeindezentrum oder einfach nur ein Stückchen Land gemietet und mit wehenden, knallbunten Stoffreihen geschmückt.

Frisch frittiert

Auch oder besonders beim Essen wird groß aufgetischt: Das gesamte Sortiment an indischen Snacks wird frisch zubereitet, darunter Pakoras, Aloo Tikki, Panipuri und alles, was man irgendwie frittieren kann. Salate, dampfend heiße Curries und frische Chapati lassen nicht locker und zum Schluß die obligatorischen Süßspeisen.

Hier der Bildbeweis eines m.E. lustigen Beitrags zum Thema Extravaganz bei der Nahrungsaufnahme, wie man ihn nur in der Mittelklasse finden kann:

Hochzeit 04

Wie dem auch sei, jeder darf so viel für seine Hochzeit verpulvern, wie er gern möchte. Selbstverständlich gilt das auch für die Kleidung. Nachdem ich dem Paar gratuliert und mich vollgeschlagen habe, besteht meine liebste Hochzeitsgastbeschäftigung einfach nur im Beobachten der Gäste. Gold und Diamanten blockieren einem dabei gern die Sicht. Schwere, glitzernde Saris in den Farben der Saison rauschen an mir vorbei. Wer sich keine echte Seide leisten kann (wie bei dieser Hochzeit die Braut), besteht dennoch auf funkelnde Pracht. Alles muß schrill in die Nacht leuchten.

Warum gibt es so enorm viele Gäste?

Mehrere hundert Gäste sind Standard. Wie kommt das? Wir haben alle schon mal von indischen Großfamilien gehört, aber so groß? Natürlich nicht. Tatsächlich schlendern Hunz und Kunz durchs Festgelände. Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte und so ziemlich jeder, bei dem man mal zur Hochzeit eingeladen war. So kommt eine beachtliche Masse zusammen, die sich untereinander nicht mal kennt. Umso einfacher ist es für „Gatecrasher“ – Leute, die einfach vorbei kommen, weils gratis Essen gibt. Aha!

Linkliste:

Eine unerschöpfliche Liste Indischer Hochzeitstraditionen aus den verschiedenen Regionen des Landes

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Arrangierte Hochzeiten

Als Junggeselle zu Gast auf einer indischen Hochzeit.

Rahul weds Daniela

Wie lief das bei unserer traditionellen Hochzeit anno dazumal eigentlich?
Bereits beschrieben habe ich, wie man den öffentlichen Akt „über die Bühne“ bringt. Zwar geht es da um eine christliche, südindische Hochzeit, aber prinzipiell ist es in Norden dasselbe.

Auf unserer wunderschönen Einladungskarte stand etwas von 18:30Uhr als Beginn des Empfangs, aber kein Inder mit Verstand würde vor 21Uhr eintreffen. Nicht mal Braut und Bräutigam. Also trudelten wir so gegen neun ein und saßen drei Stunden auf der Bühne fest, bis alle Gäste (nur 200, also für indische Verhältnisse eine absolute Minihochzeit) ihre Geschenke und Glückwünsche abgegeben hatten und dafür mit je zwei Fotos und ein paar Sekündchen Videoaufnahme belohnt worden waren.

Bei den Geschenken handelte es sich meistens um Umschläge mit Geld. Dabei gilt zu beachten, dass man niemals einen runden Betrag gibt, sondern immer n Rupien plus 1. Warum, wieso, weshalb ist mir soeben entfallen und ich bin mit spontaner Unlust befallen, das zu recherchieren.
Da nicht jeder eine glänzende 1-Rupie-Münze parat haben kann, gibt es diese Geldgutscheine bereits mit dieser Münze zu kaufen. Die klebt dann irgendwo fröhlich herum, und ich sag euch, das abpopeln ist eine richtig anstrengende Arbeit!

Ich bin bis heute nicht darüber hinweg gekommen, dass wir für dieses Foto keinen Werbeauftrag von Colgate bekommen haben. :>> Außerdem muss ich unbedingt darauf hinweisen, dass Rahul dazu genötigt wurde, diesen peinlichen Kopfschmuck zu tragen. Eigentlich sollte der Bräutigam auf einem Pferd heranreiten (märchenhaft?) und dabei einen Turban tragen, vor dem Perlenketten hängen, damit sein Gesicht verdeckt bleibt. Merke: Braut und Bräutigam haben sich ja (zumindest früher) noch nicht wirklich gesehen. Damit die Braut also nicht vor Schreck ins Koma fällt, wenn sie die Wahl ihrer Eltern zum ersten Mal sieht, wurde diese Perlenkette eingeführt. – Na gut, ich gebe zu, das habe ich erfunden. Ein Ego-Abwehrmechanismus, denn immerhin fällt mir keine logische Erklärung für diese Entstellung meines nagelneuen Ehemannes ein. Er hatte sich mit Händen und Füßen gegen diese Maskerade gewehrt, aber unter Androhung von Tränen seiner Mutter setzte er den fragwürdigen Kopfschmuck doch noch auf. Und sowas soll einer verarbeiten! Jedes Mal, wenn man die Hochzeitsbilder rauskramt, kommen diese traumatischen Erinnerungen zurück!

Hinter der systematischen Entstellung des Bräutigams scheint ein Sinn zu stecken, der mir bisher leider verborgen geblieben ist. Aber wenigstens kann ich ohne Übertreibung sagen, dass ich auf den Fotos eindeutig besser aussehe. Vielleicht ist das eines Tages auch was wert? Jedenfalls hat auch diese Geldscheinkette eine Bedeutung, welche auch immer das sein mag.

Bis wir uns endlich gegenseitig die Blumengirlanden umhängen durften (sozusagen der öffentliche, informelle Trauungsakt für die geladenen GafferGäste), mussten wir damit in drei dutzend Stellungen für Fotos posieren.

Heute find ich das alles witzig. Aber stellt euch unsere Verzweiflung an diesem Tag vor! Es gibt nur zwei Leute, die bei dieser ganzen Sache überhaupt nicht wichtig sind: Das Paar. Guck hier hin, mach das, stell dich mal da hin, dreh dich ein bisschen, guck lieb, jetzt mach das, setz dich hin, steh wieder auf…
Während irgendwo das gesamte Büffet geplündert wurde…

Nach dem ersten Akt ein Interval: Das Essen.

Schauen wir mal etwas genauer hin. Sichtlich genervt sitzt die Braut am Tisch mit den hochwertigen Papptellern, auf denen in wenigen Minuten das landen wird, was die Gäste übrig gelassen haben. Leider hatte keiner daran gedacht, zwei Portionen aller Speisen zurückzulegen. Am Arm der Braut baumeln die Hochzeitsarmreifen (Chudaa, 2), welche sie 40 Tage lang tragen wird, damit jeder weiß: frisch getraut. (Hab ich gemacht.) Außerdem trägt sie überdimensionale Goldarmreifen (1), die ihr von der Familie des Bräutigams überreicht worden sind. Mit Ungemach bemerkten diese, dass die Braut äußerst spärlich mit Goldketten und Ohrringen (3) ausgestattet wurde. – Jawohl, bei der Braut dreht sich alles um den Schmuck. Und bigger is better. Wer die Kohle dazu nicht hat, kann sich fette Klunker mieten. Aber da ich nicht wie eine Werbepuppe für den Goldcouncil aussehen wollte, habe ich diesem Ritual entsagt. Dabei trug ich weniger Gold als die meisten Gäste, die mit fetten Ketten durch die Kante stiefelten.

Oh ja, noch ein Höhepunkt, den ich euch unbedingt erzählen muss: Hochzeiten in Nordindien finden meistens nachts statt. Der genaue „richtige“ Zeitpunkt kann nur vom Astrologen bestimmt werden. Bei uns war das irgendwann nach 1Uhr – also jenseits gesunden Menschenverstandes. Weil es unter solchen seltsamen Umständen schon mal passieren kann, dass einer der Gäste schläfrig wird, gab es bei uns einen Raum mit rund 20 Matratzen.  Als ich davon Wind bekam, hab ich selbstverständlich ordentlich rumgezickt, bis dieser Raum abgeschlossen wurde. Wer schlafen will, darf gefälligst zu Hause in die Matten furzen, und nicht während wir gerade heiraten. Einen Mindestbeitrag Respekt darf man ja wohl noch verlangen?

So zog sich der Schönste Tag im Leben reichlich in die Länge, bis es 1Uhr endlich zur Sache ging. Weiter zu im Text.