Was passiert, wenn man als Brautpaar während einr nordindischen Hochzeit endlich damit fertig ist, Stunde um Stunde vom Podium zu grinsen und die abstrusen Anleitungen der Kameramänner auszuführen?
Da sich indische Hochzeiten nach Region, Religion, Kaste bzw. Denomination, etc. unterscheidet, kann man schlecht verallgemeinernde Angaben machen. Mit Ausnahme der immergleichen Starr-und-Sitzrunde, die ich bereits völlig zu Recht als Brautpaarfolter verrissen habe, kann ich nichts Allgemeingültiges zum Thema sagen und beschränke mich darum auf eine Beschreibung unserer Zeremonie.
Als Vorbereitung hatte ich mir sämtliche Bräuche in verschiedenen Glaubensgemeinschaften durchgelesen. Ich war noch nicht lange genug in Indien gewesen um zu wissen, dass Dinge – allen voran Hochzeiten – gewöhnlich so laufen, wie das halt immer schon war, und dass die Wahl der einzelnen Rituale nicht dem Paar sondern dem Priester zusteht. Ungünstig, denn ich war über einige sehr hübsche Rituale gestolpert. In der Gemeinde der Arya Samaj gibt es beispielsweise den Brauch „Kesh Mochan„, wonach der Bräutigam das Haar der Braut öffnet und über den Rücken fließen lässt um zu zeigen, dass er sie niemals verletzen wird. Höchst niedlich, aber leider nicht durchgeführt.
Unser Priester – ein sehr netter, lustiger Bursche übrigens – hatte ganz andere Dinge im Kopf, und da wir ihn sozusagen zur Eile angetrieben hatten, beschränkte er sich lediglich auf die notwendigsten Rituale, so dass wir innerhalb einer Stunde fertig waren. So eine Runde unter dem Baldachin (Mantap) kann sich – wie im Fall meiner Schwägerin – nämlich auch gern mal auf 3 Stunden hinziehen, wenn es dem Priester in den Sinn kommt, dass er eine kleine Geschichte zum Besten geben möchte. Uff!
Viele der Bräuche, die unter dem mantap stattfinden, sind vorbereitender Natur. Der Priester gab Rahul Anweisungen auf Hindi, der für mich ins Englische übersetzte, die ich widerum für meine Eltern ins Deutsche übersetzte, denn immerhin ist es die Familie der Braut, welche die Hauptrolle spielt. Das dauerte natürlich alles sehr lange, war aber höchst angenehm, da unser Priester das – genau wie wir – sehr locker nahm. Auf diese Weise rauschten die Zeremonien nicht nur an uns vorbei, sondern durch das ständige Erklären und Umformulieren hatten wir Zeit, alles zu registrieren.
Es wurde der Segen verschiedener Götter erbeten. Der mantap wurde vorbereitet. Wir als Brautpaar wurden vorbereitet, gesegnet, mit heiligem Wasser besprengelt usw. Dasselbe galt für meine Eltern. Rahuls Eltern. Meinen Bruder.
Wichtigstes Ritual ist Kanyadaan – die Braut wird an den Bräutigam übergeben. Das übernimmt (wie in Europa auch) der Vater. Die Braut steht dem Bräutigam gegenüber und hält in ihren Händen Betelblätter, Betelnüsse, Reis und eine Blume (Marigold). Der Priester berührt die Stirn des Paares mit einem Wasserbottich (kalash). Der Brautvater fragt den Bräutigam, ob er in Zukunft die Verantwortung für die Braut übernehmen möchte, und übergibt die Hände der Braut in die Hände des Brautigams.
Gath Bandhan: der sprichwörtliche Knoten zwischen dem Brautpaar wird in Dupatta der Braut und Schal des Bräutigams geknüpft. Ich hatte zu diesem Zweck eine wunderschöne Dupatta (Schultertuch) aus Chiffon in einen herrlichen Burgunderton einfärben und mit einer edlen Goldborte umnähen lassen. Diese Dupatta sollte auf meinen Haardutt festgesteckt werden und dann den Rücken runterfließen, von dort mit Rahuls Schal verknotet werden, damit wir die Runden ums heilige Feuer gehen konnten.
Die Dupatta lag im Auto. Das Auto war zu. Der Schlüssel war im Laufe der Festlichkeiten verloren gegangen. Ich saß schmollend unter dem mantap und machte die einzige intelligente Bemerkung, die man im schönsten Moment im Leben machen kann: dann schlagt gefälligst das Fenster ein!
Leider geschah das nicht. Jemand hatte mir einen zugegebenermaßen hübschen Sari zur Hochzeit geschenkt, und dieser wurde zu einer Dupatta gefaltet, mir auf den Kopf gesetzt und ich wurde ums Feuer geschickt. Natürlich sehe ich auf den Fotos aus wie meine eigene Oma, wobei meine Oma aufrecht gehen kann. Ich habe das bis heute nicht überwunden.
Inzwischen kann sich mein Göttergatte nicht mehr daran erinnern, den Vorschlag, die Scheibe einzuschlagen, je von mir gehört zu haben. Männer! Dabei meint er, würde er dies heute sofort tun, schließlich handelt es sich um den logischsten aller Vorschläge. Ah, Männer!
Die sieben Runden ums Feuer nennen sich Pheras. Die ersten drei Runden werden von der Braut geführt, die restlichen vier vom Bräutigam, und jede Runde beschließt ein Versprechen. Da sich allerdings auch dieses Ritual abhängig von der Region unterscheidet, war unser Priester beispielsweise der Meinung, wir müssten nur vier Runden gehen, so dass nach der Beendigung der letzten Runde eine heiße Diskussion unter den Zuschauern ausbrach. Der Priester lenkte ein (sollte er nicht die Authorität sein?), und ich war weitere drei Runden damit beschäftigt, den Sari tief in die Stirn zu ziehen.
Vorletzter Punkt auf dem Menü war Sindoor: mit Hilfe des Eheringes katapultiert der Bräutigam eine großzügige Menge davon in den Scheitelansatz seiner Braut. Zu diesem Zeitpunkt erhält die Braut außerdem eine Goldkette mit schwarzen Perlen (Mangalsutra), die als Zeichen der Ehe gilt. Ich hatte eine sehr kleine, sehr hübsche Kette gewählt, damit ich sie ungehindert im Alltag tragen kann. Sie lag zusammen mit der Dupatta im Auto. Ich sag da am besten nix zu.
In traditionellen Hinduhochzeiten findet zum Schluss in den frühen Morgenstunden Doli statt – die Braut geht. „Rahul weds Daniela – Teil 2“ weiterlesen →