Vasai 03 – Geschichte einer Festung

Die Festung von Bassein wurde von Bahadur Shah, dem Sultan von Gujarat, in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts gebaut. 1528 griff Kapitän Heytor de Silveira die Festung an und zerstörte sie, woraufhin aus dieser Region Tribut an die Portugiesen floss. 1532 griff Portugal erneut an und eroberte Bassein (Baçaim). Eine neue Festung wurde errichtet, als der Sultan einen Angriff wagte, und 1536 gründete Nunho de Cunha die Stadt Bassein, heute Vasai. Unter den Portugiesen entwickelte sich Bassein zu einer florierenden Hafenstadt, deren Reichtum aus Handel mit Pferden, Holz, Fisch, Basalt, Granit, etc. stammte. Den umliegenden Gebieten wie Salcete, Bombaim, Parel, Vadala, Siao, Vorli, Thana, bandra, Mahim, etc., die immer noch dem Sultan unterlagen, wurde von den Portugiesen die Tributspflicht aufgezwungen.

1739 wurde Bassein von den Marathas erobert, und 1802 wechselte die Stadt in britische Hände. Heute liegt die Festung in überwucherten Ruinen, doch beeindruckende Teile von drei Kapellen sind noch erhalten.

Vasai 014 - tempel

In der Altstadt von Vasai (auch Bassein oder Baçaim) findet man noch Überreste der portugiesischen Handschrift. Einige Gassen erinnern an ein verträumtes Goa. Dachgiebel weisen verlotterte Drachenköpfe auf. Unter den schiefen und krummen Ziegeln der niedrigen Häuser leuchten die detaillierten Mäander längst vergangener Zeiten. Zwischen kleine Verandahs und dichte Holzzäune quetschen sich Brunnen und Hindutempel im Kleinstformut. Der christliche Stempel wird von vielen saffronfarbenen Fahnen, Tempelkuppeln, Swastikas und bunt bemalten Tulsi-Töpfen kontrastiert. Es ist ist die perfekte Ecke für einen langen Entdeckungsspaziergang, der nur durch das ständige Klicken eines Fotoapparates unterbrochen wird.

Vasai 013 - pushcart

Die alten Ruinen bieten heute Fischern einen idyllischen Hintergrund, um ihre Netze zu flicken. Sie sitzen in einer der Kapelle gleich neben der Straße und wühlen sich durch die nach Fisch und Meer riechenden Stricke, um Löcher auszubessern.

Inmitten der alten Festung liegt ein Tümpel, der zwar nicht sauber ist, dafür aber wenigstens ein paar Wasserbüffel zum Baden eingeladen hat. Zuerst gucken nur ihre Köpfe aus dem Wasser, und sie glotzen uns an wie hungrige Krokodile.

Vasai 012 - teich

Der Besuch der Altstadt von Vasai sowie der Festung war vergleichbar mit einem Kurzurlaub. Einem Miniurlaub, wirklich, weil die Landschaft trotz der relativ kurzen Entfernung zu Mumbai/Borivali uns in träumerische Stimmung versetzte. Vermutlich gibt es dort noch viel mehr zu entdecken, als wir gesehen haben, so dass wir bereits beschlossen haben, an einem hektischen Wochenende noch einmal in Richtung Bassein Festung zu starten. Das nächste Mal nehmen wir den Zug. Bis dahin erinnern wir uns an die beißend-grüne Landschaft und einen Nachmittag in Ruhe und Abgeschiedenheit so nah an einer verrückten Großstadt.

_____________________
Teil 1 – „Vasai – Far From The Maddening Crowd“
Teil 2 – „Vasai – Die Festung Bassein“

Vasai (2) – Die Bassein Festung

Eine Neuauflage des Dschungelbuches:

Vasai 009 - Aussenmauer
Alle Fotos oeffnen im Grossformat als Pop-up

Die alten Mauern waren komplett überwachsen; die Bäume hatten ihre Kronen zu einer dichten Decke verwoben, durch die nur hin und wieder Sonnenlicht in grellen, farbenfrohen Strahlen drang. Viele der Ruinen konnte man lediglich beim genaueren Hingucken erkennen.

Vasai 005 - Fort

Zunächst meinten wir komplett allein zu sein. Es herrschte Stille, die in den Ohren schmerzte. Das Knarzen der Rickshaws, das Hupen ungeduldiger Fahrer, das Ratzen der Chaaku-Dhaar Wallahs (Messerschärfer), der Singsang der Raddiwallahs (Papierankäufer) und all die anderen Geräusche unserer Straße schienen in dieser Umgebung unwirklich. Unnatürlich. Unvorstellbar.

Neben dem imposanten Eingangstor entdeckte ich eine Art Mauervorsprung auf halbem Wege die Mauer hinauf und kletterte hoch, um ein ordentliches Foto im Bollywoodstil zu schießen: Heldin in wehenden Gewändern inmitten undurchdringlicher Natur. 😉 Ich saß dann dort oben, und während Rahul noch mit der Kamera hantierte, entdeckte ich sie. Was für ein enormer, gellender Schrei mir da in der Kehle stecken blieb! Es muss die fetteste, größte Spinne gewesen sein, die ich jeeeeemals gesehen hatte, und sie hing verdächtig nah über meinem Kopf. Ich war ihr praktisch hilflos ausgeliefert.

Vasai 010 - Spinnen
Körpergröße der Größten Spinnen, die wir an diesem Tag entdeckten: 7cm. Plus die entsetzlich langen Beine, die so robust aussehen, dass ich mir vorstellte, wie man ein klickendes Geräusch vernehmen könnte, wenn diese fetten Biester über eine Glasplatte liefen. Wie winzige Stöckelschuhe. Ah, da ist es wieder – das Stadtmädchen!

Das Foto ist noch nicht entwickelt, aber ich bin mir sicher, Angst und Verzweiflung stehen mir im Gesicht geschrieben. Nix mit Heldin. Die Blende der Kamera war noch nicht wieder richtig zu, da war ich schon wieder auf dem Boden. Dieses Mal dem Boden der Tatsachen. Wir waren nicht allein! Wir waren im Dschungel zusammen mit Millionen mutierter Spinnen, vermutlich Schlangen und anderem Getier, das ich mir nicht mal auf Discovery Channel anschaue, weil ich mir zu etepetete bin.

Zeit für Ghungat – die Hinduform des Schleiers. Ich lief nur noch mit Dupatta um den Kopf gewickelt herum. Ich war mir sicher, der zarte Chiffonstoff würde mich vor den widerwärtigen Attacken bösartiger Achtbeiner schützen. :yes:

Wir marschierten weiter, tapfer das Rascheln im Gebüsch ignorierend, und bestaunten die Überreste einer Festung, die einmal gigantisch gewesen sein musste.

Vasai 006 - KapelleVasai 007 - Kapelle

Natürlich waren wir nicht ganz allein. In einer alten Kapelle wurde gerade Cricket gespielt.

Vasai 008 - Cricket Kapelle

Buchstabiere: Cricketmanie.
Hin und wieder trafen wir auf Grüppchen anderer Besucher: Pärchen. Oder eine Gruppe Männer. An zwei Brunnen wurde gerade gewaschen. Kleidung als auch Körper. Das hört sich romantisch an, sah aber eher nach einem in Stein gemauerten Tümpel abgestandenen, mit Plastik und Müll versetzten Wassers aus. Ich frage mich in solchen Momenten, wie es möglich ist, dass sich diese Menschen mit solchem Wasser waschen, ohne Ausschläge zu bekommen.
Aber die Landschaft war zu schön, um sich deprimierenden Fragen hinzugeben. Es war zu beruhigend, zu herrlich, um zu nörgeln.

Vasai 011 - Torbogen

Ich hatte eine von indischen Touristen komplett überlaufene Festung erwartet, gerade weil Vasai so nah an Mumbai liegt. Aber dem war nicht so. Stattdessen fanden wir eine ruhige Landschaft. Ein Stück vor sich hinkrümelnde Kultur.

___________________
Teil 1 – „Vasai – Far From The Maddening Crowd“
Teil 3 – „Vasai – Geschichte einer Festung“

Vasai – Far From The Maddening Crowd

Es war Wochenende – es war Zeit für ein bisschen Urlaub. Und die grünste Urlaubsecke gibt es praktisch in unserem Hinterhof, nämlich in dem kleinen Städtchen Vasai, einer alten portugiesischen Hafenstadt, über die sogar Marko Polo berichtet hat.

vasai 001 - boot

vasai 002 - westblick

Zielort unseres 3stündigen Miniurlaubes war die alte Bassein Festung am südlichsten Zipfel von Vasai, einer Kleinstadt direkt hinter Mumbai, die nur dadurch ihren herrlichen Charme erhalten hat, als dass sie schlecht erreichbar ist. Mit einem Local Train ist man innerhalb weniger Minuten (zwei Haltestellen) dort, aber mit dem Auto faehrt man von Borivali aus 30km in einer enormen Schleife, um die Bucht zu überbrücken, durch die Vasai vom Rest der Inselstadt getrennt ist.

vasai 004 - zwei boote

Als wir den imposanten, wenn auch arg in Mitleidenschaft gezogenen Torbogen zur Festung durchschritten, erwartete uns dieser Anblick:
vasai 003 - fort eingang

____________________________
Teil 2 – „Vasai – Die Festung Bassein“
Teil 3 – „Vasai – Geschichte einer Festung“