Gestern fand Dhanteras statt – das Fest zwei Tage vor Diwali, währenddessen man am besten in Edelmetalle investiert. So kurz vor Diwali müssen außerdem noch einige wichtige Dinge besorgt werden: neue Öllämpchen (Diyas), Dekolampen, frische Blumengirlanden und Gulal (Farbpulver für Rangolis: extravagante, detailverliebte Schmuckbilder, die vor Türen und Tempeln auf den Boden gemalt bzw. gekrümelt werden). Diese im Preisbereich eher am unteren Ende befindlichen Produkte findet man zum Beispiel auf den Märkten nahe der Bahnhöfe in Mumbai, die durch den ständigen Menschenstrom auch als „Einkaufsmeilen“ fungieren.
Familiensache: Alle helfen mit, die Blüten abwechselnd mit grünen Blättern aufzufädeln.
Obwohl uns die Zeitung erzählt, dass der Ansturm auf Geschäfte und Märkte der momentanen Wirtschaftskrise wegen deutlich abgenommen hat, war der Markt in Borivali gestern eindeutig voll. Vielleicht ist es aber auch nur sehr schwer, zwischen voll und sehr voll zu unterscheiden.
Wir schlängelten uns durch die Hauptmarktstraße, die normalerweise vorrangig als Gemüseallee dient. Dort steigt man über alle möglichen und unmöglichen Dinge drüber auf der Suche nach den frischesten Tomaten, blank geputztem Ingwer und aufgeblähten Auberginen. Während der Festtage allerdings machen sich auf derselben Straße auch Verkäufer von drei weiteren Warengruppen breit: Blumen (ganz besonders die für Zeremonien und Feste benutzten Mariegold), Knaller und Feuerwerke sowie Gulal, Papierlampen, Girlanden und anderer Dekofirlefanz.
Leider eher weniger vertreten waren Diyas.
So ein Markt ist immer auch ein kleiner Mikrokosmos, in dem Dinge passieren, die man nicht unbedingt erwartet. Zum Beispiel war die Müllabfuhr gerade dabei, einen enormen Berg Abfall mit Harken und bloßen Händen in einen der grünen Mülltrucks zu schaufeln, während direkt daneben Frauen mit leuchtend orangenen Blumen und Gemüse saßen. Kundschaft ließ auch nicht lange auf sich warten, obwohl diese sich mit Handtüchern vor Mund und Nase gegen die absonderlichen Gerüche des Abfalls wehrten.
Auf dem Mittelstreifen hockte ein Sicherheitsbeamter und starrte in die Zukunft. Unter zwei schwarzen Schirmen am Straßenrand saßen zwei alte Männer und pallaverten. Zwei Frauen hatten sich im Gewirr angerempelt und schrieen sich nun lauthals an. Kinder tunkten ihre Finger in die Farbpulver, bestaunten die Raketen und Feuerwerke. Männer und Frauen mit Körben voller Blumengirlanden standen in Reih und Glied und hielten das Ende der Girlande in die Luft – wie Schlangebeschwörer. Ohne Flöte. Ohne Schlange.
In der Luft lag irgendein Gewürz. Wir konnten uns nicht recht entscheiden, woher der scharfe Geruch nun kommen sollte, aber er hing da und brachte nicht nur uns zum Niesen. Ein Orchester aus Hatschiii und anderen, ähnlich gearteten Brunstschreien der Nasenschleimhäute zog sich entlang der Marktstraße. Ich hätte mich vor Lachen wegschmeißen können: nicht nur gilt Nießen als schmutzig, sondern auch als schlechtes Omen.
Gulal an einem provisorischen Marktstand
Mitunter gefährlich: Knaller, Böllerwerk & Co, mit feschen Namen wie „Atom Bomb“.
Gestern dann hing der Abendhimmel voll Rauch der Feuerwerkskörper und Böller. Auf dem Weg nach Hause fuhren wir durch eine dichte Nebelsuppe aus Abgasen und vorbei am Knallen und Schellen der Raketen, die in Rajasthan kürzlich zur Explosion einer illegalen Feuerwerkskörperfabrik geführt haben.
Was mich trotz allem am meisten erstaunt und erfreut ist die Verbissenheit, mit der Diwali gefeiert wird. Die gesamte Nacht hindurch hat es überall gescheppert und gekracht; die Fenster der meisten Häuser sind geschmückt mit verrückt blinkenden, epileptische Anfälle verursachenden Lichterketten, chinesischen Lampen, Laternen und Kerzen. Niemand trägt den Gesichtsausdruck, der durch den Aktienmarkt entschuldbar wäre. Nein, es wird gefeiert. Mit allen Mitteln.
Ich wünsche allen Lesern ein schönes Diwalifest.
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Die Evolution unseres Diwalifests:
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