Fotoessay: Mitten in Mumbai

Mitten in Mumbai ist vermutlich eine Übertreibung für die exakte Lage des Sanjay Gandhi Nationalparks. Er liegt eher auf Höhe Borivalis, welche Ortschaft eher als weiter, weiter Vorort Mumbais gilt. Das macht aber nichts, denn das Moloch wächst und wächst. Inzwischen ist Mumbai bereits bis Mira Road weit im Norden und Thane im Nordosten ein einziger urbaner Pott, der den riesigen Nationalpark mit Klauen aus Beton und Stahl gefangen hält.

Den Nationalpark selbst umgeben viele Kontroversen wie zum Beispiel ein stetiger Kampf mit den sog. Ureinwohnern/Tribals/Adivasis, die auf dem Gebiet des Parks wohnen. Es werden geschützte Tiere gejagt, das Gebiet wird verschmutzt und nicht zuletzt werden jedes Jahr unglaublich große Feuer gelegt, um dem Park Land abzugewinnen, welches bebaut werden kann. Das tun sowohl die Adivasis, die der Meinung sind, der Park gehöre ihnen, und die sich somit Land für Agrarwirtschaft mopsen wollen, als auch die Baumafia Mumbais, deren Neubauten und Apartmentkomplexe jedes Jahr dichter an den Park heranpirschen, um Zentimeter für Zentimeter Land zu klauen.

Hier jedoch soll es um die fantastische Seite des Parks gehen: die Natur. Die Bewohner. Die alten buddhistischen Höhlen.

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Die größte buddhistische Höhle des Nationalparks mit Stupa

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Das höchste Gut: Zeit in der Megastadt.

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Der Friseur

Ich bin kein Freund von Friseuren. Oder anders herum: Friseure sind nicht meine Freunde. Sie tun immer Dinge mit meinen Haaren, die eine halbe Stunde lang toll aussehen, weswegen ich sie lobe, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig sind; doch sobald mein Haupthaar Kontakt mit dem Duschkopf hatte und ich den Spittelmist selbst zurecht fönen soll, sehe ich wieder, dass nichts hält, nichts passt, alles irgendwie total daneben ist.

In diesem Beitrag jedoch soll es nicht um mein Haar gehen, sondern um den Beruf des Friseurs in Indien. Meine persönliche Auseinandersetzung mit diesem Berufsfeld macht sich als Einleitung allerdings chic. Eben drum.

Zur Sache, Schätzchen: In den Städten Indiens – und vermutlich auch auf dem Land, wozu mir allerdings die persönliche Erfahrung fehlt – findet man häufig diese Sorte von Friseur:

Der Friseur

Das sind die Straßenbarbiere Indiens. Hier: Delhi.

Ihr Geschäft haben sie am Straßenrand aufgebaut. Ziegelsteine dienen ihnen als Regal. An der Wand baumeln Plastikspiegel. Etwas glitschiges in der Bauchhöhle des Westeuropäers beginnt sich zu winden: Haare schneiden an der Straße?

Man verbindet den Friseur ja gern mit dem Geruch allerlei Kosmetika, die einem ins Haar geknetet werden. Hier jedoch geht es ums knackig-nackige Haareschneiden. Diese Friseure sind – genau wie ihre Kundschaft – ausschließlich männlich. Hier wird nichts gefärbt, mit Kuren und Masken behandelt oder anderweitig herumgealbert, sondern hier werden Haare geschnitten. Ganz altmodisch.
Allerdings gibt es auf Wunsch Champi – eine Kopfmassage. Die kann je nach Anbieter in einen brachialen Versuch ausarten, sämtliche Nackenwirbel des Klienten zu brechen und ihm die Schädeldecke mit Haarrissen zu versehen, oder aber sie ist eine wunderbare, traditionelle Methode, alle Verspannungen zu lösen. Bentley hatte schon beide Varianten.

Dass sich diese Friseure reger Kundschaft erfreuen, kann ich ebenfalls bildlich beweisen:

Friseur in Mumbai

Oftmals treten diese Straßenbarbiere in kleinen Grüppchen auf und man würde sich wundern, wie ratz-fatz es dort abläuft. Nicht ohne Grund tragen Inder meines Erachtens sehr häufig penible Haarschnitte: es ist nicht nur günstig, sich auf Schritt und Tritt den Händen eines erfahrenen Friseurs anzuvertrauen, sondern da ist auch nicht viel mit Terminbüchern und ähnlich stagnierendem Unsinn, der ein gewisses Maß an Planung voraussetzt.

Natürlich gibt es auch Friseursalons. Genau wie in Europa. Je nach Location, Ausstattung und Angebot können die Preise für einen Salon die Preise in Europa gar übertreffen. Nach oben sind schließlich selten Grenzen gesetzt.
Ein einfacher, guter Salon verlangt in Mumbai ca. 80 Rupien für einen ganz simplen Haarschnitt. Wer muss, kann dasselbe aber auch für 500 Rupien und mehr haben, nur damit er vorher 10 min ein glitzerndes Magazin durchblättern darf. Die simplen Barbiershops sind kaum mehr als ein einfacher Raum mit einer Glasfront. Die Geräusche der Straße übertönen das Schnippeln der Scheren. Mitunter steht ein kleiner Fernseher oder mindestens ein lautes Radio in einer Ecke. Die Stühle sind eine sonderbare Kreuzung aus Zahnarztstühlen und einem Thron aus beigem Leder.

Die meisten Barbiere rasieren auch – und sie benutzen natürlich für jeden Kunden eine neue Klinge. Auf dem Bild wird gerade im Akkord rasiert – wo viele Menschen sind, ist halt immer etwas los.

Dass der Beruf des Friseurs traditionell in die Hände der Männer gehörte, liegt vor allen Dingen daran, dass die Kundschaft ebenfalls ausschließlich männlich war. Frauen ließen sich das Haar lang wachsen und massierten es selbst mit Kokos-, Amla- oder Mandelöl. Einen Salon benötigten sie höchstens zum Zupfen diverser Gesichtshaare und um die Haut zu bleichen, und auch das konnten sie mit traditionellen Mitteln selbst tun. Heute jedoch tragen auch Frauen kurze, sportliche Haarschnitte und somit vermehren sich auch weibliche Friseurinnen in den Salons der Städte.

Das Wort „Barber“ oder „Barbier“ gilt in Indien heute übrigens als geringschätzig. Man bezeichnet sich lieber als Haarstylist. Auch Barbiershops gibts offiziell überhaupt nicht mehr – das sind heute Salons.

Ein Tierarzt zu Besuch in Mumbai

Erst heute bin ich über einen fantastischen Artikel eines Tierarztes gestolpert, der für WSD (Welfare of Stray Dogs India) Freiwilligendienst geleistet hat. Sein kleiner Rückblick über die Zeit in Mumbai liegt zwar bereits viele Monate zurück, doch ich finde ihn so tiefgreifend und gut verfasst, dass ich ihn dennoch gern verlinken möchte.

Marc the Vet, wie er sich nennt, ist offenbar kein Unbekannter in seinem Heimatland UK. Seinen englischsprachigen Artikel findet ihr hier.

Kindergärten in Indien

Ich schrieb es bereits an anderer Stelle: Kinderbetreuung für Kinder unter 18 Monaten findet in Indien mit raren Ausnahmen nur im Familienkreis statt. Öffentliche Einrichtungen dafür gibt es nicht. Doch wenn die magische Schallgrenze durchbrochen ist, sieht das schon anders aus: In den letzten Jahren sprossen Kindergärten und -krippen regelrecht aus dem Boden wie Pilze.
Das liegt daran, dass Familien auch in Indien gerade in Großstädten immer häufiger auf Kernfamilien reduziert werden. Immer mehr Frauen drängen zeitgleich auf den Arbeitsmarkt, und in Abwesenheit der Großfamilien wird Fremdbetreuung notwendig. Ein anderer Grund ist allerdings der, dass Familien in den Ballungszentren immer häufiger dem Druck obliegen, ihre Kinder immer früher und besser für „Den Ernst des Lebens“ zu trainieren. Schulen werden immer strenger in ihren Aufnahmekriterien. Die Anforderungen an die Kleinsten werden höher, und irgendwo müssen sie das ja lernen: das Zählen, die korrekte Aussprache, rudimentäres Schreiben. Gelehrt wird dies hier nicht in der ersten Klasse, sondern im Kindergarten.
Der Kindergarten wird als Bildungseinrichtung gesehen, nicht vorrangig als soziale Einrichtung, wo Kinder den Kontakt mit Gleichaltrigen bekommen, der für ihre Entwicklung unentbehrlich ist. (Wobei heute leider auch in Deutschland irrsinnige Dinge passieren wie Englisch im Kindergarten!)

Nun drängen so viele Eltern, besorgt um die Zukunft ihres Kindes, auf den Markt der Kindergärten, und diese Anfrage muss abgedeckt werden. Trotz dass es immer mehr Einrichtungen gibt, die immer wundersamere Methoden und Ziele anpreisen, die Sprösslinge in Genies zu verwandeln, hängt die verfügbare Zahl der KiTa-Plätze dem tatsächlichem Bedarf weit hinterher.

Wie weit, das kann man daran messen, dass exorbitante Summen für völlig lapidare Einrichtungen verlangt werden. Meine gute Freundin S. zum Beispiel befindet sich momentan in der absolut nicht beneidenswerten Situation, für ihre Tochter (25 Monate alt) einen solchen Platz zu ergattern. Sie war zum Vorstellungsgespräch für den dort für sie parat gehaltenen Schock gar nicht bereit: 20.000 Rupien pro Monat wird sie der Spaß kosten. Wir reden nicht von einer Eliteinstitution.
Das sind nach heutigem Kurs umgerechnet 300 Euro. Genug also, um – je nach Ort – eine mehrstündige Betreuung in Deutschland zu bezahlen. Einschließlich Essen.

Was bekommt meine Freundin für diese 20.000 Rupien geboten? – Zwei bis drei Stunden pro Tag Kinderbetreuung. Ohne Mahlzeiten. Zwischen 9 und 12Uhr.

Geschäftsidee? Kindergarten in Indien eröffnen.

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Ein Hoch auf Kinder?

Die Guten ins Töpfchen…

Alte Frau mit LInsen

Ein Stück Alltag in einem Schnappschuss aus dem Stadtteil Vile Parle, Mumbai.

Die alte Dame sortiert Linsen aus. Sie benutzt dazu ein großes rundes Thali (Teller), und die Vorratsdose, in welcher die Linsen üblicherweise aufbewahrt werden, steht umgestülpt daneben. Es ist ein sehr schönes Beispiel für die kleinen Zusatzarbeiten, die man mitunter in Indien hat: Linsen und Bohnen selber aussortieren nämlich. Manchmal sind da unschöne Exemplare drunter, die man nicht wirklich essen möchte, und im schlimmsten Falle hat man ein paar kleine Steinchen dabei. Das passiert vornehmlich, wenn man die Ware in großen Kaufhäusern kauft, wie zum Beispiel Big Bazaar, Spencers, Hypercity uvm.
Weit weniger häufig kommt es allerdings vor, wenn man die Ware von einem Kiranawallah kauft, der seine Linsen selber verpackt. Dann ist es nämlich durchaus möglich, dass er selbst Ausleser beschäftigt. Die sitzen dann auf großen Stücken Jute vor dem Geschäft auf dem Boden und sortieren durch enorme Berge von Linsen und Bohnen. Gigantischer Service, der sich erstaunlicherweise nicht auf den Preis niederschlägt.

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Indischer O-Ton über Öffentliche Toiletten

Nachdem mein selbstironischer, aber durchaus positiver Beitrag über das objektive Vorhandensein einiger weniger durchaus akzeptabler öffentlicher Toiletten auf beherzte Gegenwehr gestoßen ist von Menschen, die ein weniger glückliches Händchen bei der Wahl eines Aborts zu haben scheinen, warf sich mir kürzlich ein Text in den Weg, in welchem es genau um dieses Thema geht: Um das Nicht-Vorhandensein akzeptabler Toiletten besonders für Frauen in Indien.

„…Gingerly she steps in, pushing the dirty latchless door shut with her foot. Noting that as usual there are no hooks she hangs her bag around her neck. Then lifting her clothes awkwardly around its bulk she squats, carefully ensuring that no part of her body touches the sides of the wall. As she relieves her bursting bladder, she reminds herself to be grateful that there is a loo at all, whatever its state…“

„…If we had to pick one tangible symbol of male privilege in the city, the winner hands-down would be the Public Toilet. And woman who has lived in Mumbai will testify that the number of public toilets in the city is grossly inadequate. On many streets one comes across little white-tiled box-like structures that are men’s urinals without any sign of similar arrangements for women….“

Zwei kleine Auszüge aus dem Buch „Why Loiter“ (ISBN 978-0-143-41595-4). Rezension in Kürze.

Die Autorinnen bieten außerdem noch ein bisschen kulturelles Know-How an, um den Stand der Dinge zu erklären. Wie folgt:

„…the lack of public toilets for women cannot be seen in isolation as just a matter of oversight by town planners or a simple lack of attention to their rising numbers in public. It reflects underlying notions of purity and pollution, particularly those connected to the female body. In India, a hierarchical Hindu social order structured around stringent rules of cleanliness and dirt – exemplified in the caste system – permeates society at large. Excretory functions of the body are high in this order of pollution and until recently, in some parts of the country, having a toilet inside the house was considered sacrilegious. (…)
Since both women and toilets are seen as contaminating in relation to public space, a language of shame pervades any discussion of toilets for women. This adversely affects the actual provision of toilets for them. Any discussion of women’s bodily functions is immediately seen as linked to their sexuality and hence to be silenced. Women’s bodies are associated with bodily secretions – menstruation, ovulation, lactation – seen as sources of ritual contamination at particular times of the month or year. These notions of contamination are so much part of women’s conditioning that women reported during our workshops that they were usually too embarrassed to even ask for directions to a toilet. …“

„This mindset is a reflection of larger cultural attitudes where toilets are objects of shame, mockery and sometimes, revulsion. This aversion to the essential ‚toiletness‘ of toilets is so high that great efforts and monies are spent on disguising public toilets to look like anything but toilets. So the public toilet at the Gateway of India was made to look like a miniature, ill-proportioned Gateway, and the public facility near Churchgate railway station is so camouflaged by plants that many daily commuters are unaware that it is a toilet, defeating the very purpose of its existence.“

(Auszüge aus dem Kapitel „Peeing“ aus Why Loiter?)

Ich denke, das gibt dem ganzen Thema noch einen anderen Dreh. Was die Beispiele der Autorinnen anbelangt: da stimme ich zu. Ich habe es selbst immer vermieden, nach Toiletten zu fragen – außer andere Frauen. Sich erleichtern zu müssen erinnert im indischen Kontext unweigerlich an Sexualität, und um keine grafischen Bilder diverser Organe in den Köpfen des männlichen Gegenübers aufblitzen zu lassen, vermeidet man es eben, die Herren überhaupt anzusprechen.

Des weiteren versuche ich mich an das Gateway of India zu erinnern, aber ich habe dort nie wirklich eine Toilette gesehen. Sie war wohl zu gut versteckt? Andererseits würde ich nicht am Gateway nach einer Toilette suchen, sondern schnurstracks ins gegenüberliegende Taj einmarschieren und mich dort in äußerst ansprechendem Ambiente erleichtern, sogar mit klassischer Musik im Hintergrund. :yes:

Dass es öffentliche Toiletten am Churchgate Terminal gibt, weiß ich unterdessen. Man muss sie nicht sehen. Man kann sie riechen. Ich nehme aus diesem Grund an, dass die Autorinnen von anderen Toiletten sprechen, und von deren Existenz weiß ich ebenfalls nichts.

Ein interessantes Thema, über welches man offenbar Studien betreiben kann.

Übersetzung der Auszüge: „Indischer O-Ton über Öffentliche Toiletten“ weiterlesen

Ich war nicht am Strand

..auch wenn Romas Badewasser just danach ausschaut. Der Sand war da schon drin, als das holde Nass aus dem Hahn tropfte.

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Ich gestehe allerdings, in dieser nicht seltenen Situation nichts unternommen zu haben. Ich hab das Kind trotzdem ins Wasser gesteckt. Vielleicht kam ja Strandfeeling bei ihr auf? Bei mir auf jeden Fall. Ich bin urlaubsreif ohne Ende und vermisse die warme, salzige Luft Goas. Ich vermisse das ohrenbetäubende Rauschen der Wellen und die lustigen Gesichtsausdrücke der Fischer, wenn man sich als Tourist in vomWindeverwehten Wickelrock ziemlich zur Nudel macht. 😳

Straßennummern & Hausnamen

Deine indische Adresse ist anders. Sie ist nicht kurz und knackig. Sondern viele Zeilen lang. Und dass sie durchaus mitunter ein Hindernis darstellen kann, merkt man, wenn man Post aus dem Ausland erhält, bei der man dem Postboten auf die Schulter klopfen möchte mit den Worten: Danke, dass du diesen Kauderwelsch entziffern konntest. Denn hier haben die Straßen Nummer und die Häuser Namen.

Wie immer gilt in Indien auch das Gegenteil. So war unsere erste Adresse in Indien doch leicht verständlich. Elfte Hauptstraße. Hausnr. 82. Das war in Bangalore, wo die Straßen (wie in vielen Ländern üblich) durchnummeriert sind – und zwar für jeden Stadtteil separat, und für jede Unter-Unterteilung des Stadtteils noch einmal. Und wenn man mittendrin in einem Stadtteil wohnt, stellt sich die Adresse aus dem Kreuz zwischen Hauptstraße und Cross Road zusammen. Also Elfte Hauptstraße. Dritte Cross Road. Haus Nummer Soundso. Kann übersichtlich sein, muss aber nicht. Für nicht-ortsansässige Menschen jedoch ist dieses System sehr leicht.

In Delhi dann wohnten wir in der sog. Sub-City Dwarka, die nicht natürlich entstanden sondern vom ersten bis zum letzten Quadratmeter durchgeplant ist. (Wie immer mit Ausnahme der Slums.) Dort gibt es keine Stadtteile, sondern Sektoren, die durchnummeriert sind und manchmal gar noch in A, B, C unter-unterteilt. Straßennamen gibts überhaupt keine, dafür aber Grundstücksnummern, sog. Plot Numbers. Und dann gehts los mit den Häusernamen. Sky Lark. Satisar. Platinum Heights. Sunshine. Rose Apartments. Und jede Wohnung hat ebenfalls ihre eigene Nummer: Zuerst die Zahl des Stockwerks, hintenan die Wohnungsnummer. Zum Beispiel Wohnung 3 in der siebten Etage: 703.
Für eine solche Adresse muss man sich jede Menge Nummern merken, und wir stellten auf Postkarten öfters fest: so leicht scheint das nicht zu sein. 😉
Daniela in Indien
703, Apartment Soundso
Plot 10
Sektor 13A
Dwarka
Postleitzahl
Nur zwei der neun von mir in Indien bewohnten Adressen hatte überhaupt einen Briefkasten. Post wird direkt zugestellt, und dabei ist der Name der Person völlig irrelevant. Einzig ausschlaggebend ist die Wohnungsnummer, also sollte man die doch bitte korrekt hinbekommen.

Noch schöner wurde der Adressenmischmasch in Mumbai, wo die Grundstücks- und Sektorenzahlen völlig wegfielen. Was blieb: Stadtteil. Sub-Stadtteil. Und Häusername. Das heißt: Borivali der unser Stadtteil. I C Colony der Sub-Stadtteil. Und Villa Kunterbunt der Hausname. Das macht Gaudi, wenn man jemanden sucht. Borivali ist flächenmäßig viel. viel. viel. viellll größer als meine Heimatstadt und beherbergt über eine Millionen Bewohner. Der Sub-Stadtteil ist etwas kleiner, aber immer noch enorm groß. Und nun such mal als nicht-ortkundiger Mensch inmitten einer solchen Masse ein einziges Haus. Straßennamen sind selten. Und selbst wenn… kein Mensch richtet sich hier nach Straßennamen. Und selbst wenn: es gibt keine Hausnummern.

So suchten wir zum Beispiel Person HunzKunz, die auf der S.V. Road in Kandivali wohnte. S.V. Road zieht sich von Dahisar im Norden des Großraum Mumbais bis nach Mahim, Mumbai Stadt. Das sind rund 27km. Da tut es gut, dass die Stadt in lauter kleine Teile zerstückelt ist, zum Beispiel den Ortsteil Kandivali. Das grenzt S.V. Road schon auf wenige Kilometer ab. In Abwesenheit von Hausnummern aber heißt das nun, wir fahren S.V. Road auf und ab, bis wir Haus XYZ gefunden haben. Hier kommen die in Indien zwingend notwendigen „Landmarks“ ins Spiel. Da Häuser nicht von 1 bis Ultimo durchnummeriert sind, sondern jedes Haus einen schönen Namen hat, von Villa Largo über Sunshine Apartment hin zu Seaview Tower, ist es hilfreich, wenn da „Nähe Shoppers Stop“ in der Adresse steht. Oder „gegenüber Bushaltestelle Nummer WasWeißIch“. Oder „Hinter Domino’s Pizza“. Schön ist es, wenn Anwohner solcherlei Landmarks wählen, die nur ihnen selbst was sagen. Restaurant BayView zum Beispiel. Nachdem wir S.V. Road nun leider zum sechsten Mal abgefahren waren und Haus SoundSo des Herren HunzKunz gefunden hatten, stellte sich BayView Restaurant als kleine Baracke gegenüber heraus. Toll.

Noch schöner ist es nur, wenn eine Adresse gar nicht an einer der großen, mit Namen versehenen Straßen gelegen ist. Sondern „off S.V. Road“, also abseits.
Nach der Adresse
Frau VersteckMichMal
1802, Hohes Hochhaus
Gegenüber Mein Lieblingsgemüsehändler
Stadtteil Immergrün
Mumbai
sucht man dann schon ein Weilchen.

Passiert ist uns das durchaus öfters. Da hilft auch kein Google Maps, weil Hohes Hochhaus da nicht drinsteht. Schön ist, dass wir nie länger als 70min nach einem Haus gesucht haben. Das war mal abends, als alle schon schliefen, im tiefsten, dunkelsten Monsun, wo sich kein Mensch auf den überfluteten Straßen herumtrieb, den wir hätten fragen können. So fing die Party ohne uns an, während wir durch die engen Gassen Westbandras tuckerten. 😉

Ein Hoch auf die Postboten also, die sich die vielen schönen Häusernamen einprägen dürfen. :yes:

Das Hygiene-Duett

Nach einer unfreiwilligen Blogpause gehts nun weiter mit Indiens Top-Thema: Hygiene.

Das erste Foto entstand in Andheri East, Mumbai. Es zeigt das, was allgemein hin mit einem zynischen Zucken der Mundwinkel von Indien erwartet wird:

Die Öffentliche Toilette.

Das alte Thema der öffentliche Toilette in Indien, die es nicht – oder je nach Betrachtungsweise – überall gibt. An jedem Ort. Open Air.

Doch wie ich das bereits vor etwas längerer Zeit beschrieben hatte, ist das öffentliche Pinkeln nicht immer ein Akt freiwilligen Vandalismus. Jut, es passiert. Auch auf Dächern. Auch direkt vor meinen Augen im Nachbarhaus.
Aber ich bin einfach unverbesserlich in meinem Glauben an das Gute im Menschen: Ich glaube fest daran – vielleicht auch aus einer Laune des Selbsterhaltungstriebs heraus – dass die fürchterlichen hygienischen Zustände schlichtweg auf einen akuten Mangel zurückzuführen ist. Mangel an Aufklärung. Mangel an sanitären Einrichtungen. Mangel an Geld. Mangel an einem Stolzgefühl für öffentliches Eigentum.

Und Indien macht es mir einfach, weiterhin an das Gute in ihm zu glauben. :yes: Guckst du hier:

Die Öffentliche Toilette.

Das ist eine Schlange Männer. Es tut mir ja leid, dass ich sie nicht in ihrer ganzen Länge knipsen konnte. Ich war einfach zu langsam. 😳 Nun, das ist eine Schlange Männer, die ansteht. Vor einem öffentlichen Klo. Im Regen!!!

Nicht nur warten sie also, bis sie sich erleichtern dürfen. :yes:
Nicht nur sind sie dafür bereit eine Rupie zu zahlen. :yes:
Nein. Sie tun das im Regen. :yes:

Ich finde, das muss auch mal raus als Botschaft. :yes:

Fotoessay: Die Flut

Mumbai kämpft. Es windet sich, es bäumt sich auf, es zuckt zusammen, es gibt einen bestialischen Schrei ab. Und nichts passiert.
Am Mittwoch flogen uns hier drei Bomben um die Ohren.
Am Donnerstag versank die Stadt hingegen in hohen Wellen. Es hatte einmal mehr so stark geregnet, dass die ohnehin marode Infrastruktur wieder überlastet war. Vielleicht fühlen sich die Stadtwerke der Problematik nicht sonderlich verpflichtet, weil das Resultat so unverschämt fotogen ist?

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Anstatt dort abzufließen, blubberte das Wasser hier einfach nur immer und immer und immer weiter nach oben. Die gesamte Straße war überflutet, und in der braunen Brühe konnte man nur am Vordermann erahnen, wie tief es wirklich war.

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Aus diesem Grund sind wasserfeste Schuhe auch so beliebt in Indien: Gummisandalen und sogar „Lederschuhimmitate“, also Gummischuh, die aussehen wie reguläre Lederschuh. Sandalen sind hingegen besser, denn da läuft die Suppe auch wieder heraus.

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Man beachte den glücklichen Zufall des Werbefotos auf der Außenseite des Busses.

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Ganze schlechte Namenswahl für diese Hausgemeinschaft. Der Stadtteil heißt übrigens Malad, daher Malad Ganga. Nun… So was kommt von so was.

Tragisch an dieser Situation ist nicht nur die Tatsache, dass sich unsere Durchschnittsgeschwindigkeit an diesem Tag auf unaussprechliche 5,3km/h verringerte, sondern auch der Fakt, dass es genau dort vor zwei Wochen genau schon so aussah. Und wenn der nächste Regen kommt, sieht es wieder so aus. Oh Indien, warum? warum?