In jedem felligen, miauenden Vierbeiner steckt eine gute, zuvorkommende Seele, deren größtes Vergnügen darin besteht, ihre Umwelt mit Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft zu beglücken. So konnte unser eigenes Exemplar schnurrender Zuvorkommenheit es kaum erwarten, sein Revier, sein Spielzeug und unsere Aufmerksamkeit mit Roma zu teilen.
Sein Revier durch unbefugtes Betreten entweiht, widmet sich Socke nun der Erkundung neuer Lande.
Wäre es nach Socke gegangen, er hätte die Krallen ausgefahren und vermutlich kurzen Prozess gemacht mit diesem neuen Winzling, der nicht mal Fleisch essen oder seine Würstchen anständig in der Box verscharren kann.
Zu seiner Bestürzung musste Socke jedoch erkennen, dass vieles urplötzlich nicht mehr nach ihm ging. Freilich, wenn die Sklavin nun auch mitten in der Nacht schlafwandelt, stehen die Chancen auf Snacks rund um die Uhr nicht schlecht. Mit Wohlwollen kann man das durchaus als Vorteil interpretieren.
Doch die List der Nachteile will einfach nicht abreißen. In seiner überlegenen Intelligenz stellte Socke fest, dass dem übelriechenden Menschenkind eine Sonderposition zuzukommen schien. Alle waren ganz verrückt nach ihr. Ständig schlawenzelte jemand um das Wurstpaket herum. Es war unmöglich, einen unbeobachteten Moment zu finden, um die Chance beim Schopfe, den Winzling am Flaumhaar zu packen. Nicht mal anständiges Fell!
Socke fand das komisch. Doch da seine bisherigen zwei Sklaven der Meuterei nahe waren; da ihnen unverständlichewreise viel an diesem unselbstständigen Objekt gelegen war, fuhr er die vorsorglich ordentlich gewetzten Krallen wieder ein. Die kriegen sich schon wieder ein, dachte er. Und anständiges Personal ist schwer zu finden. Abwarten, Milch trinken.
In der Zwischenzeit spionierte er dieses kleine Monstrum mal aus. Es zappelte höchst koordinierungslos und schien an Bequemlichkeit selbst seine Hoheit zu übertreffen, denn es wurde überall hin getragen. Um Mahlzeiten zu erhalten, musste es sich nicht erst verausgaben, indem es beispielsweise auf den Sklaven herumsprang, vorsichtig die Zotteln mit den Krallen kämmte oder eine Arie direkt in ihren Hörgang jagte. Zudem erschien es weder in der Lage, Fernbedienungen vom Tisch zu werfen, Grasbesen anzuknabbern oder Fleisch aus der Küche zu mopsen, noch konnte es sich mit einem geschickten Zungenschlag selber porentief reinigen. Vielleicht war es noch nicht ganz fertig gebraten?
Im Laufe der Wochen verringerte Socke den Sicherheitsabstand auf einen Meter, wenn er zum Schnüffeln kam, denn die Ausdünstungen des kleinen Dinges, das mal Schatzi, mal Darling, mal Sweety und selten auch mal Roma heißt, sind schließlich weithin riechbar und haben sich bereits in die empfindliche Nase des königlichen Tigers gebrannt.
Nach eingehender Prüfung kam Socke zu dem Schluss, dass der neue Hausbesetzer weitestgehend harmlos, wenn auch nervig ist. Kein ebenbürtiger Gegner, wie dieser güldene Flohball anno dazumal, und darum auch kaum der Mühe wert. Außerdem hatte Socke beobachtet, dass sich diese Roma nicht wehrte, wenn man ihr die Krallen stutzte. Also irgendwie auch kein sonderlich cleverer Gegner. Allein der Gedanke, es könnte sich eventuell um eine dauerhafte Mitbewohnerin handeln, macht dem arg vernachlässigten Geschöpf zu schaffen.