Eingeschränkte Sichtweise

Im Winter fallen in Delhi immer mal ein paar Flüge aus, und es ist ganz normal, daß man enorme Verspätungen in Kauf nehmen muß. Warum? Weils neblig ist.

Und zwar so neblig, wie wir das auch auf unserer Rückfahrt von Rishikesh erlebt haben. Plötzlich war die Sicht auf ein paar Meter begrenzt, und wir freuten uns, daß wenigstens wir Nebelscheinwerfer hatten. In Indien sind Nebelscheinwerfer nämlich genau wie Außenspiegel auf der Beifahrerseite Luxus-Beigaben, ohne die das Auto trotzdem fährt. Man muß den Wagen schon mit Vollaustattung kaufen, um in den Genuß solcher Spielereien zu kommen.
Der Außenspiegel auf der Beifahrerseite wird routinemäßig eingeklappt (logisch, sonst paßt man ja nirgends durch) und die Nebelscheinwerfer kann man immer dann anmachen, wenn die anderen Scheinwerfer kaputt sind.

Nebel01

Aber zurück zum Nebel: Für ca. 2 Stunden mußten wir uns durch die mal dicken, mal dünneren Schwaden kämpfen. Ich finde Nebel schön, aber auf dem Highway in Indien ist das gar nicht so angenehm, wenn man plötzlich fünf Meter vor sich einen (selbstverständlich unbeleuchteten) Ochsenkarren vor sich hat, der gerade überholt wird – von einem Auto ohne NebelScheinwerfer.

Wir schlichen uns also am äußersten Fahrbahnrand die Straße entlang und stierten in die unsichtbare Ferne. Übrigens fuhren bei dieser Gelegenheit viele Autos mit Warnblinkanlage, denn die kleinen Spielzeuglampen hinten und vorn am Auto gabs ja nicht serienmäßig.

Nebel02Nebel03

Kleine Sünden…

– bestraft der liebe Gott sofort? Wie war das?

scorpion

Als dann dieses freundliche Tier unsere feucht-fröhliche Runde im Camp am Ganges störte, wurde es gleich ein bißchen gruseliger. Noch schöner wurde es dann, als diverse größere Ungeheuer (inklusive einer Spinne so fett wie’n Überraschungsei) am Feuer entlang spatzierten. Da kann einem schon mal leicht Angst werden, wenn man mitten in der Einöde sitzt. U-(

Streetfood in Rishikesh

Indien ist für sein Street Food bekannt. An jeder Ecke brutzelt irgendwas. Und ob es nun Pani Puri, Rühreier, Samosas, Bhel Puri oder Jelebis sind – die Duftschwaden ziehen durch alle Straßen. Um so ziemlich jeden Stand versammelt sich eine größere oder kleinere Menschenmenge, unterhält sich, erfrischt sich, pallavert oder vertreibt sich die Zeit.

Im Grunde sind es genau die Stände, vor denen mit Hilfe von ausschweifenden, detaillierten Berichten über bösen Durchfall in jedem Reiseführer Angst geschürt werden soll. 😉

Rishikesh - Erdnüsse
Rishikesh - Nimbu Paani
Rishikesh - Chai

Was ich aber noch nie zuvor gesehen habe: Den Keksverkäufer. Er stand da mit seinem Karren und dem transportablen Ofen und buk frische Kekse. Da hat nur noch der Glühwein gefehlt. Gerade als wir vorbei liefen, zog er ein frisches Blech aus dem lustigen Ofen, so daß wir sofort zugeschlagen haben. Die Kekse waren ein heißes Vergnügen und lecker –

Rishikesh - Frische Kekse

Das fand dann auch diese Kuh:

Rishikesh - verfressene Kuh

Frommer Nachwuchs

Was wissen wir nicht alles über den Ganges und seine Anziehungskraft? Heiliges Wasser soll es sein, ein Bad in welchem für die Seele purifizierende Wirkungen nach sich ziehen soll. Opfergaben im Ganges sind besonders wirkungsvoll. Und auch Bestattungen sollten möglichst im Ganges stattfinden bzw. sollte man seine anderswo verkachelten Überreste in diesen Fluß streuen lassen. Schon klar.

Wir haben bei einer kleinen Tour in Rishikesh allerdings erlebt, wie tief dieser Glauben bei den Menschen verwurzelt zu sein scheint. Schon Kleinkinder schmeißen sich opferbereit in die Fluten, auch wenn sie gar nicht schwimmen können.

Rettungsaktion 3Rettungsaktion 2Rettungsaktion 1

Die zwei Jungs müssen sich auch gedacht haben, daß sie, wenn die Eltern grad nicht gucken, mal eben fix ihre Sünden abwaschen. Bei der Wassermenge, die die beiden allerdings geschluckt haben dürften, kann ich mir gut vorstellen, daß sie die prophylaktischen Eigenschaften einer solchen Absolution mal testen wollten.

Als die Mutter es hinter ihr arg plätschern und planschen hörte, sprang sie gleich hinter ihrem Sohnemann in Orange hinterher. Währendessen hüpfte auch Nummer Zwei in den Fluß. Die arme Frau kam mit Retten gar nicht hinterher.

Tja, es ist ja am Ende doch noch alles gut ausgegangen. Obwohl ich nicht weiß, ob diese Eltern ihre verruchten Sprößlinge noch mal mit an den Ganges nehmen?

Sündenfrei – dem Ganges sei Dank

Unglaublich aber wahr: der Ganges hat uns unversehrt wieder ausgespuckt. Übers Wochenende hatten wir geplant, uns kopflos in den heiligen Fluß zu werfen und ein bißchen herumzupaddeln.

Dafür ging es auf nach Rishikesh, die selbsternannte Yoga-Stadt der Welt, wo der Ganges sich noch sauber durch die Schluchten stürtzt. Zwar war es furchtbar neblig, aber das konnte der landschaftlichen Schönheit wirklich keinen Abbruch tun:

Tal

Rafting ist wohl groß in die Mode gekommen, und so werden die Stadtmenschen wie wir übers Wochenende für den ultimativen Kick im heiligen Wasser grüppchenweise in die Berge gekarrt. Überall dort, wo sich genug Sand an den Flußufern gesammelt hatte, daß man ein Camp aufschlagen konnte, hatte man dies bereits getan, so daß man beim Blick ins Tal von den gewundenen Straßen aus ständig Zeltlager erblickte.

Unser Camp in Shivpura

Genächtigt wurde in den spartanischen Zelten. Da die Luft sehr feucht ist und jede Nacht Tautropfen wie eine millionenstarke Armee alles besetzen, was genügend Raum für einen Wassertropfen bietet, roch alles nach Moder – einschließlich unserer Decken. Nur gut, daß wir als penible Städter bereits voraus gedacht und unsere eigenen Steppdecken in die Berge geschleppt hatten. 💡

Sowohl am Samstag als auch am Sonntag gab es jeweils eine Raftingtour.
Die erste Etappe war relativ kurz und als Einstieg gedacht. Unterwegs sollte es drei Rabbits geben. Wie bitte? Hasen? Im Ganges? Liebe Kinder, jetzt wißt ihr, was der Osterhase macht, wenn mal gerade kein Ostern ist. Nach ein paar Minuten durchschaute auch ich den Sprachfehler des Experten und erkannte, daß die Rabbits eigentlich Rapids und die Hasen nichts anderes als Stromschnellen seien. Sorry, liebe Kinder. :wave:

Die zweite Etappe zog sich über rund 20km hin und war ein tolles Erlebnis. Wir hatten unsere große Gruppe in zwei kleine Mannschaften aufgeteilt, so daß wir nur zu dritt plus Experte im Raft saßen. Da ich als dritte Person (der Experte saß in der Mitte des Rafts) das Boot mit meinem monströsen Gewicht während der Stromschnellen zum Kentern bringen könnte, durfte ich zum Ausbalancieren ganz vorn auf die Highside. Das heißt, ich schmiß meinen ganzen Zentner vorn aufs Boot. Von weitem muß es ausgesehen haben, als wär ich seekrank und unterbrach den Verdauungsprozess, aber es war der beste Platz im ganzen Raft. Erstens muß man da nicht rudern, da man als personifizierter BriefBootsbeschwerer sowieso keine Hand frei hat, und zweitens sitzt man in der ersten Reihe. Jede Welle gibts gleich mal mitten ins Gesicht. Normalerweise brumme ich jeder Person für „Unerlaubtes Daniela-im-Freibad-Wasser-ins-Gesicht-spritzen“ eine Mindeststrafe von 24 Stunden schlechte Laune auf, aber der Ganges darf das schon mal. 😉 Und auch wenn ich nachher klitschnaß war, würd ich ab jetzt immer wieder ganz vorn sitzen wollen.

Gegend Abend bekamen wir Durst. Auf was anderes als heiliges Wasser. Zu meinem Entsetzen und zur Freude der anderen kamen rucksackweise alkholische Getränke zum Vorschein. Und das im Angesicht des heiligen Flusses! Diese Sünde kann auch keine Seebestattung mehr wegwaschen.

Heiliger Fluß und schmutziges Gesoeff
(Die dargestellte Person mußte zu ihrem Schutz unkenntlich gemacht werden.)

Wer viel trinkt, der pinkelt viel. Natürlich auf Umwegen in den Ganges. Ist doch klar.

Klo

Wie es infolge des Tourismus in ein paar Jahren um Rishikesh aussehen wird und ob das Wasser dann immer noch so wunderschön türkisblau ist, sehen wir… in ein paar Jahren.

Bis dahin fragen wir uns weiterhin, ob es bereits ausreicht, wenn man sich stundenlang mit heiligem Flußwasser bespritzen läßt, oder ob ein Priester notwendig ist, um uns nicht nur sauber, sondern rein zu waschen.