Indien in Bildern: Bahnhof Bandra

Auf Grund akuter Unlust gibts heute nur einen Fotobeitrag, und zwar ein paar Nachtbilder vom Bahnhof im Stadtteil Bandra (West). Dort hat man einen der neckischen „Sykwalks“ (Fußgängerbrücken) gebaut, die ursprünglich dazu dienen sollten, die Fußgänger von den ohnehin engen, stark befahrenen Straßen zu entfernen. Doch da die „Hawkers“ (fliegende Händler) und Snackstände weiterhin dort unten auf den Fußgängerwegen vollkommen illegal und gegen Hafta (Schutzgeld an Polizei) ihre Ware verticken, sind diese Skywalks schön leer.

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Das Bahnhofsgebäude wurde unlängst aufwändig und für viel Geld restauriert, aber es handelt sich um einen Fall von „Außen hui und innen pfui“, denn der Bahnhof drinnen ist so schäbig wie jeder indische Bahnhof – eine vollkommen zulässige Verallgemeinerung. Dort findet man ausnahmslos das sog. „Wahre Indien“: schmutzig. Arm. Einfach nur übel.
Wie so oft verursachte mir der Anblick und die Tatsache, dass ich mich dort aufhalten musste, einen starken Schub von Misanthropie. Vielleicht schreibe ich dazu später mal einen Artikel.

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Die Fressmeile.
Es ist wahr: rund um die dortige Moschee gibts geniale Straßensnacks, vor allen Dingen: Fleisch. Fleisch. Fleisch.

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…und zum Runterspülen gleich ne Saftbar nebenan.

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Es ist 22Uhr an einem herkömmlichen Mittwoch. Schnell ab nach Hause stand auf den zielorientierten Gesichtern der Passanten. Keine Sorge, ich hab keinen Adlerblick, aber wir verließen den Skywalk nach den paar Fotos und mischten uns unter die Fußgänger „dort unten“ auf der Suche nach einer Rickshaw.

Fotoessay: Chapel Road, Bandra

Bandra, ein Stadtteil in Mumbai (Bombay), habe ich schon früher mit der Kamera besucht, doch schon lange hegte ich den Wunsch, durch die Gassen rings um Chapel Road zu schlendern. Dort nämlich vergisst man, dass man sich den Wohnraum dieses Molochs mit über 19 Millionen Menschen teilt. Dort, entlang der Chapel Road, fühlt man sich wie in einem ruhigen, kleinen Dorf. Hin und wieder zerreißt eine knatternde Rickshaw die Stille in diesem abtrünnigen Gebiet jenseits der Macht von Baufirmen, doch auch der recht starke Verkehr kann dem Charme dieser Gegend keinen Abbruch tun. (Fotos öffnen sich als Pop-up.)

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Hier stehen noch die uralten kleinen als Bungalows und Villen bezeichnenten Prachtbauten mit Holzbalkonen und verzierendem Schnickschnack. Es sieht aus wie eine gigantische Puppenstube aus der Vorkriegszeit. Ausgetretene Treppen. Sachte im Wind wehende Gardinen. Absplitternde Farbe an geschwungenen Balustraden. Ein im Freien hängender Vogelkäfig mit gelben Wellensittichen. Große und kleine Grotten im Hinterhof. Wendeltreppen mit detaillierten Verzierungen. Abbröckelnder Putz. Christliche Graffiti. Kruzifixe.

Durch ein Fenster sehe ich eine Frau, die sich ihre langen schwarzen Haare kämmt. Verträumt. Entspannt. Ohne Termindruck. Aus einer Schneiderwerkstatt dringt leise, blecheren Bollywoodmusik durch die engen Gassen. Und im Hintergrund, über die welligen Dächer ragen die neuen Hochhäuser entlang der Hill Road. Weit. Weit. Weg.

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Einige der Villen sind frisch renoviert. Aus ihren neu gestrichenen Fenstern gucken Klimaanlagen heraus. In den Lilliputanerparkplatz quetscht sich ein Auto. Von luftigen Balkons klingt das leise Tschirpen einer Unruhe: Lauter kleine Tonglöckchen im Wind. Aus Bottichen quellen Grünpflanzen über die engen Höfe, Wendeltreppen hinauf, an Wänden entlang. In kleinen Ausbuchtungen der Fassaden und unter Treppenabsätzen sitzen Verkäufer mit Gläsern voller Kekse. Oder Schneider. Oder ein Telefongeschäft. Fischverkäufer wandern Oh-Machli-Machli-Machli-Ohhh-Machliii!!-rufend durch die Straßen.

Ich beobachte eine graue, fette Katze, die in einer der Gassen sitzt und sich gemächlich die Tatzen leckt, als plötzlich ganz dicht neben meinem Gesicht ein Hund bellt. Ich wusste, dass es einer der überfressenen Haustierköter sein würde, die mir eines Tages den Kopf abbeißen. Neben mir auf einer Mauer steht ein verärgerter Hund mit braunem Lederhalsband, der die frisch renovierte Villa seiner Besitzer verteidigt. Ich trete langsam den Rücktritt an.

Zwei Gassen weiter sehe ich dann wieder die ruhigen, seeligen Straßenhunde, die niemanden beißen. In einem Hinterhof wird Ball gespielt. Als einer der Bälle über die mit Moos bewachsene Begrenzungsmauer hüpft, sprintet ein Junge hinterher und hält nur an, um den Hund zu streicheln, der dort im Schatten döst.

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Eine wunderschöne Nachtaufnahme der Chapel Road gibt es hier.

Ist der Umzugshorror erst einmal vorbei, wollen wir noch mehr dieser kleinen Dörfer besuchen, die sich in Mumbais Hinterhöfen verstecken. Leider bleibt dazu momentan keine Zeit. Auch unser Projekt Katzenbaum befindet sich seit Wochen in einem Zustand der Fast-Vollendung… Dazu später mehr.

Indien in Bildern: Billis bester Freund

Billis bester Freund – das muss der Machliwallah sein.
billi = Katze
machli = Fisch

billis best friend

Dieses Foto ist in der Chapel Road in Bandra (West) entstanden, wo ich kürzlich spazieren ging, um den alten Charme Mumbais in diesem letzten Stück Dorf im sonst überlaufenen, lauten, nervtötenden Bandra zu schnuppern. Hier finden sich gewundene Gassen, alte, alte Häuser und der in Mumbai ewig präsente Machliwallah – Billis bester Freund.

Katzen sind in Mumbai viel weiter verbreitet als in Städten wie Bangalore und Delhi, in denen wir zuvor gewohnt haben. Man sieht jeden Tag einen dieser geschmeidigen, häufig roten Vierbeiner durch die Gassen streifen. Auf der Suche nach ihm. Dem Fischerverkäufer, der seine Ware in einer Plastewanne auf dem Kopf balanciert und vor brüsken Hausfrauen und Maids auspackt. Wir kaufen manchmal Garnelen von diesen Händlern. Die muss man zwar zu Hause noch mal säubern, was häufig eine stinkende halbe Stunde in Anspruch nimmt, aber die schmecken einfach besser als die TK-Garnelen und sind billiger als die im Supermarkt. :yes: Gedanken wegen der Frische muss man sich nicht machen.

Bandra – Land’s End

Mumbai ist ein in die Welt der Wirklichkeit transportiertes Oxymoron. Es sollte unmöglich sein. Es dürfte nicht funktionieren. Doch es ist echt.

Es waren einmal sieben friedlich im Ozean vor sich hinschlummernde Inseln: Mahim. Parel. Worli. Mazgaon. Bombay. Old Woman’s Island. Colaba. Dann kamen die Briten mit ihren Schaufeln und Schubkarren und füllten das Land zwischen den Inseln auf und schufen eine märchenhafte Metropole namens Bombay.
Inzwischen wurde Bombay nicht nur namentlich generalüberholt, sondern es wuchert wie ein Tumor in sämtliche Himmelsrichtungen. – In sämtliche Himmelsrichtungen? Nein, nur nach Norden und Westen. Das Sumpfland um den Hafen im Osten der Stadt liegt gleichzeitig unter deren Niveau. Es ist der Westen, der mit einem prächtigen Wasserbecken aufwartet und Neues verspricht. Grenzenlosigkeit.

Bandra Lands End

Was bei den Briten geklappt hat, kann heute nicht verkehrt laufen, also kippen die Mumbaikars weiterhin ihren Schotter in die See. Landgewinnung. Mumbai gehen die Quadratmeter aus (kürzlich wurde eine Wohnung am Marine Drive für lächerliche 34crore Rupien verkauft, also speckige 6,1 Mio Euro), also muss man etwas tun. Die Migration nach Mumbai ist unaufhaltsam; was, jetzt ziehen schon Deutsche mit ihren indischen Delhi-Ehemännern nach Mumbai und machen sich hier breit. Land, Mumbai braucht Land. Was liegt also näher, als die weiten Felder im Osten der Stadt mit Wohnblocks zuzupflastern? Richtig, Dreck ins Wasser schütten, mit ner Raupe drüber fahren und in einem langen, kostspieligen Prozess der See Zoll um Zoll abzuluxen. Ein ganzer Stadtteil in Bandra nennt sich heute Bandra Reclamation. Es gab ihn früher nicht. Heute wuchert dort die Stadt und der Western Express Highway brüstet sich dort mit zahlreichen, ineinander verschlungenen Auffahrtsrampen. Wie eine Schleife auf einem enormen, nach Morast riechenden Geschenkpaket. Bandra Reclamation. Wir haben gewonnen.

In den 90ern geplant wurden außerdem Schnellstraßen, die im Wasser Wurzeln schlagen sollten. Seit 2002 hämmert und meißelt man nun schon am „Bandra Worli Sealink“. Der sich ständig nach hinten verlegende Stichtag, wann das Projekt denn endlich mal fertig gestellt werden soll, ist momentan auf Ende 2008 angesetzt. Mit Hilfe dieser Straße soll die Pendelzweit zwischen den Stadtteilen Bandra und Worli von circa 45 auf 7 Minuten verkürzt werden, indem man durch die Bucht schneidet. Wo die ganzen zackig hintereinander auf Worli hineinprasselnden Karossen dann alle hinsollen, so lange die restlichen Sealinks bis an den südlichsten Zipfel Mumbais noch nicht beendet sind, das weiß kein Mensch. Der Bau hat noch nicht begonnen.

BW Sea Link

Man hängt an diesem Sealink. Er ist ein Symbol. Für Zyniker und studierte Stadtplaner ist er ein Symbol gedankenloser Wucherung. Für den Rest ist es ein Zeichen: Wir können gen Westen wandern, auch wenn dort kein Land mehr ist.
Und so sitzen Mumbaikars am Abend 100m vom Hotel Taj und 300m von Mannat (SRKs Heim) entfernt auf den Felsbrocken, am Land’s End, am Ende der Welt, und träumen davon, weiter gen Westen vorzudringen. Dort gibts nur Wasser. Dort ist noch Platz. Im Rücken sitzen ihnen die maroden Baustrukturen einer vernachlässigten Stadt. Aber vor ihnen tut sich die Welt auf. Dort vorn, dort gehts weiter.

Bandra Frauenpower

Wenn ich am Strand in Mumbai entlang laufe, überkommt mich kein Gefühl von Freiheit. Ob das nun Land’s End, Bandra Bandstand oder Juhu Beach ist, spielt überhaupt keine Rolle. Ich spüre das Drängen der hässlichen Häuser im Rücken und sehe die Menschen sprichwörtlich ins Wasser plumpsen, und es macht mir Angst. Da ist kein Gefühl von Grenzenlosigkeit. Kein freies Atmen wie an weißen Sandstränden mit Palmen im Rücken und blauem Wasser, dass mir vorgaukelt, ich wäre allein. In Mumbai ist niemand allein. Einsam, vielleicht, aber nicht allein. Hier gibt es so viele von uns. Auf den Klippen sitzend. Schnatternd. Gen Westen schauend. Es ist wie ein gewaltiger Berg aus menschlichem Schotter, der von einer noch gewaltigeren Planierraupe ins Meer geschoben wird. Weiter, weiter, dort ist noch Platz! Es ist unschön. Es ist modern, keine Frage. Aber wenn ich dort steh, am Land’s End, und diese vielen Menschen beobachte, die auf einer kleinen Landzunge nach Platz suchen, um ihre Zelte aufzuspannen oder zu expandieren, wenn sie schon Zelte haben, dann sehe ich ein ganz anderes Weltende.

Das melancholische Wort zum Freitag. Auf ins Wochenende. Ich kann die Euphorie fühlen. Sie kribbelt in meinen Zehen. Montag gibts dann wieder Blümchenblog. Schließlich habe ich noch gar nichts weiter über Chikkis und Karjat erzählt.

UPDATE:
Der Sealink ist seit dem 1. Juli 2009 für den Verkehr geöffnet und – hab ichs nicht gesagt? – ein komplettes Desaster. Nicht nur herrscht auf dem Sealink Stau, nein, auch vor und nach dem Sealink steht man sich die Reifen platt. Zu dumm. :))

Update

Wenige Monate später funktionierte der SeaLink reibungslos, und tut es bis heute. Momentan kostet eine Überfahrt 50 Rupien, ein Rückticket 75 Rupien. Der Weiterbau allerdings ist strittig. Im Frühjahr 2011 denkt man darüber nach, Alternativen zum SeaLink anzubieten: Tunnel oder Küstenstraßen. Wir werden sehen.

Indien in Bildern: Bandra (West)

Bandra (W) ist der Stadtteil, der uns am häufigsten als optimaler Wohnort empfohlen wurde. Meist beschrieb man ihn als „hip“ (viele Restaurants und Geschäfte) und als „happening“ (Stau).

Letzten Samstag statteten wir diesem von uns verschmähten Ort auf der Suche nach Katzenfutter einen Besuch ab. Und hier ein paar auserwählte Eindrücke:

Bandra Kleiderstaender

Alles, was Räder hat, ist erlaubt.

Bandra Ziege

Ist denn schon wieder Bakr-Id?

Bandra Frisoer

Kein Platz in Mumbai. Eine groteske Symbiose aus Baum und Barbier.