Der Sicherheitswahn ist wieder los. Vor einiger Zeit berichtete ich bereits darüber. Vor jedem Einkaufszentrum muss man sich quasi nackig machen: Handtasche herzeigen. Darin wird herumgewühlt. Und wenn alles von links nach rechts umgeschichtet worden ist und mit neugierigen Fingern enthusiastisch in jeder Seitentasche herumgestochert wurde, dann darf man in die Kabine zum Abtasten. Die Herren der Schöpfung müssen diese Tortur in der Öffentlichkeit über sich ergehen lassen.
In den letzten Tagen ist es mit diesen sog. Sicherheitsvorkehrungen noch etwas strenger geworden: Die Cricketweltmeisterschaft ist schuld. Die findet dieses Jahr in Indien statt. Auch Mumbai wird einige der Spiele, u.a. das Endspiel, beherbergen. Aus diesem Grund nun wurde die Gattung des Shoppers abgeschafft und ersetzt durch den Klammheimlichen Terroristen, der in jedem von uns stecken könnte. U-(
Nichts habe ich gegen Sicherheitsvorkehrungen! :yes: wenn sie sinnvoll sind! In Bentleys chicen Bürogebäude zum Beispiel wurde nun sogar eine fesche Röntgenmaschine aufgestellt, wie man sie vom Flughafen her kennt. Dort müssen nun alle Taschen durch. Fährt man allerdings sein Fahrzeug in die Tiefgarage, kann man von dort aus völlig ungehindert mit seiner Sprengstoffweste und den Böllern in der Handtasche in dasselbe Gebäude vordringen.
Dasselbe gilt für das Einkaufszentrum: die Mitarbeiter, die das sozio-ökonomische Profil eines Attentäters doch viel eher treffen als die hippe, neureiche Jugend, können völlig unkontrolliert durch den Seiteneingang ein- und ausmarschieren, während letztere noch den Schlüsselbund und die Münzen aus der Hosentasche kramen müssen.
So kommt es zu völlig absurden Situationen:
(1)
Bentley marschiert durch den Metalldetektor. Er trägt Roma auf dem Arm. Seine zwei mit Fressalien bepackten Einkaufstüten aus der Kaufhalle nebenan hat er gerade der Taschenkontrolle überreicht und bekommt sie Sekunden später zurück. Ab zur Leibeskontrolle: Rauf auf einen kleinen Hocker.
Roma im linken Arm. Zwei mit Fressalien bepackte Einkaufstüten in der rechten Hand. Sieht ein bisschen aus wie ein Lastesel.
Sicherheitsbeamter: „Was ist das da in ihrer Jeanstasche?“
Bentley: „Mein Handy.“
Sicherheitsbeamter: „Das müssen sie jetzt aber mal rausholen.“
Mit Kleinkind und Einkaufstüten bepackt beginnt Bentley, an seiner Hosentasche rumzufingern, während eine Meute potenzieller Einkäufer Selbstmordattentäter hinter ihm schon zu drängeln beginnt.
Ich steh derweil in der Schlange für Frauen. :yes:
(2)
Im Einkaufszentrum ist es schön kühl. Doch draußen sehe ich ein Taxi stehen. Ist es meins? Ich kann das Nummernschild nicht sehen. :no: Wenn man in Indien telefonisch ein Taxi bestellt, bekommt man das Nummernschild per sms zugeschickt, damit man auch von weitem weiß, welches das eigene Taxi ist. Nun, es bleibt mir nichts anderes übrig, als das Einkaufszentrum zu verlassen. Ich geh also noch drei Schritte weiter vor und psccccchhhhhh bin ich raus aus dem klimatisierten Einkaufstempel. Die Glastür rumst hinter mir zu. Toll. Ich geh noch drei Schritte, um über den Busch gucken zu können, der mir den Blick versperrt hat. Na toll, nicht mein Taxi.
Draußen ist es mir wirklich zu heiß und Roma beginnt schon zu zappeln. Ich dreh mich also um, um wieder in das Einkaufszentrum reinzugehen. Natürlich nicht durch den Ausgang :no: sondern durch den Eingang, wo schon fünfzig andere Einkäufer Selbstmordattentäter warten, durchleuchtet zu werden.
Witzig ist in diesem Zusammenhang, dass man jetzt dort auch abgetastet wird. Als ich eine halbe Stunde vorher durch dieselbe Tür ins Einkaufszentrum ging, wurde das noch nicht gemacht. Logisch: Selbstmordattentäter sind Morgenmuffel.
Auch beim Betreten der Mall via Tiefgarage gibt es kein Abtasten.
Es ist mir klar, dass diese Sicherheitsvorkehrungen mehr psychologischen Wert besitzen als faktischen. Ich stelle mir vor, wie schockiert die Einkäufer wären, wenn ab Morgen all die Metalldetektoren abgebaut wären? Und erst die ganzen Arbeitslosen Sicherheitsbeamten. Nein, es muss sein: dient es doch dem größeren Zweck, wenn meine Handtasche mehrmals am Tag von Fremdpersonal umgeräumt wird. :yes:
Vermutlich bin ich einfach mal wieder ein Muffel. :yes:
Doch das ist nicht alles: Nun unternimmt die Polizei Mumbais eine Infoaktion, wobei alle Mieter Mumbais untersucht werden. Schließlich könnten wir Terroristen sein. Mieter sind in Mumbai bereits polizeilich erfasst, weil alle Mietverträge, um wirklich gültig zu sein, polizeilich registriert sein müssen. Das heißt, die Polizei weiß schon, wer wir sind und woher wir kommen. Zusätzlich sammeln sie nun Informationen wie Referenzen. Das heißt, wir müssen mindestens zwei Personen in Mumbai angeben, die uns kennen. |-| Gestern abend klingelte aus diesem Grund der Makler, der unsren Vertrag aufgesetzt hat, und ließ uns den Extrafragebogen ausfüllen.
Heissassa. Und all das für Cricket im Wankhede Stadion in Südmumbai. :yes: