— Eine Horrorgeschichte —
Nun denn, denkt sie sich, und stapft in Socken ins dunkle Schlafzimmer. Der einzige Lichtschein, der ihr den Weg weist, fällt aus dem Wohnzimmer herein. Sie wühlt gedankenverloren im Kleiderschrank herum, als ihr ein dunkler Fleck auf dem Bett auffällt. Ein Schatten. Ist das etwa
. Könnte das etwa? Langsam schleicht sie zurück und betätigt den Lichtschalter. Tatsächlich! Es ist eine —
Ein hamstergroßes Exemplar in Braun sitzt auf dem Bett, doch es will sich partout keine Tierliebe einstellen. Wehrlos steht sie da, in Socken, nicht mal ein Latsch am Fuß, um sofort einen Angriff zu starten. Sie tritt den Rückzug an, um in der Küche nach dem Giftcocktail zu suchen. Dieses oft benutzte Stück innig verehrten Inventars ist sofort griffbereit, und sie schleicht zurück ins Schlafzimmer. Selbstverständlich ist die — inzwischen hinter ein Kissen gekrabbelt. Ah, sie mögen Hitze und Kälte und atomare Angriffe überleben, aber das liegt sicherlich nicht an ihrer geistigen Überlegenheit. Ich seh dich!! Deine ekligen langen, in der Luft herumstochernden Fühler haben dich verraten! Sie sieht die —, zielt, und drückt ab.
Die — rennt quer übers Bett, gefolgt von einem zischenden Strahl Gift, das nicht wirklich tödlich zu sein scheint. Ihre Lungen sind dem Kollaps nah, sie verdreht die Augen, doch die — rennt mopsfidel die Vorhänge hoch. Wenn das so weitergeht, ist die Flasche leer, bevor das Vieh hops gegangen ist.
Die — fällt an der Rückseite des Vorhanges runter. Prima. Zwischen Bett und Wand. Es knistert verdächtig, es krabbelt. Die — ist noch am Leben. Sie hingegen nicht mehr lange, denn die Luftqualität hat sich in den letzten, furchtbaren Minuten dramatisch verschlechtert. Sie schaltet das Licht aus und verlässt den Raum, sprüht eine dicke Giftlinie über die Schwelle, legt ein Handtuch vor den Spalt unter der Tür und versucht, sich daran zu erinnern, dass sie eigentlich gerade Abendessen wollte. Lecker.
Sie hofft, die — ist nachher tot, damit jemand (nicht sie) sie wegräumen kann.
Als sie sich reichlich später aufs Sofa setzen möchte, den Teller in der Hand, sitzt da – wer wohl? Die fette Katze? Nein, eine kleine schlanke —. Die kleine Schwester, sozusagen! Geil. Einfach nur geil. Sie nimmt die Serviette und matscht die — darin breit. Notiz für später: Sofabezug waschen. Geil. Einfach nur geil.
Das Babyphon röchelt. Wie? Was? Wo? Sie geht gucken, und ihr ist so, als huscht etwas über die Wand. $#!% Das kann doch wohl nicht wahr sein! Sie rumst die Tür zu, setzt sich aufs Sofa (ein anderes) und isst ihr Hühnchen, weils so lecker schmeckt.
Später weist sie den Göttergatten, der pünktlich zur Geisterstunde nach Hause kommt, an, im Schlafzimmer nach der —leiche zu suchen. Nicht da. Wir gucken morgen früh noch mal. Jetzt schlafen wir erst mal den erholsamen Schlaf derer, die wissen, dass eine (hoffentlich) in den letzten Zuckungen liegende — im Nebenzimmer in einer Ecke herumliegt und vielleicht ein quicklebendiges Exemplar im eigenen Schlafzimmer die Wände abläuft. Geil. Einfach nur geil.
Bevor sie ins Bett klettert, das vorsorglich mit dem dunkelsten, sämtlichem Ungeziefer prima Schutz gewährenden Laken abgedeckt ist, möchte sie erst mal nach weiteren — gucken. Aller guten Dinge sind schließlich drei! Licht anschalten geht nicht, da wacht das Baby auf. Taschenlampe – verflixt. Liegt im Zimmer mit der —. Sie holt den Blackberry und sucht mit Hilfe des Displaylichts das Bett und die Wände ab. Nichts. Keine langen Fühler. Kein knackiger Panzer. Der Göttergatte verleihert die Augen. Das ist doch nicht IndiaTV! Da sind keine blinkenden Pfeile. Zur — hier entlang! Da sind nur Schatten. Fühler. Huschende Bewegungen.
Später, kurz vor dem Einschlafen, kann sie im fahlen Laternenlicht von draußen Schatten sehen. Oder doch nicht? Soll sie lieber die Augen zu machen? Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Oh, aber sie weiß, sie weiß!
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Die tote Kakerlake wurde auch bei einer morgendlichen Möbelrückaktion nicht gefunden. Das ist uns schon mal passiert. Ob sie in einer Ritze sitzt
unter dem Schrank vielleicht? Haben die Ameisen sie vielleicht schon aufgefressen? Aber selbst wenn, die lassen den Panzer immer liegen. Oder lebt sie noch und brütet irgendwo?